„Save, Digga“: OWL-Banken machen auf lustig – das sagt eine Humor-Expertin dazu

Bielefeld. Fremdscham ist Folter. Wer das peinliche Verhalten eines anderen Menschen beobachtet, leidet – oder lacht. Oft auch beides. Wenn etwa ein schrulliger und von sich selbst überzeugter Bürochef kein Fettnäpfchen auslässt und ungelenk durch jede Situation stolpert, ist das für viele Menschen zum Brüllen komisch. Der Erfolg der Serie &bdquo;Stromberg“ zeigt das. Dass soziale Unbeholfenheit unterhaltsam sein kann, wissen auch Unternehmen. Sie nutzen den Cringe-Effekt, das Spiel mit der Peinlichkeit, gezielt in den sozialen Netzwerken. Auch viele Banken machen dort auf lustig. Dabei wird von ihnen vor allem eines verlangt: Seriosität. Wir haben mit einer Humor-Expertin über Beispiele aus den sozialen Netzwerken gesprochen. Zu einer gewissen Berühmtheit hat es ein Video der Stadtsparkasse Bad Pyrmont an der Grenze zu OWL gebracht. Zwei junge Bankangestellte stellen darin ihre Bank vor. Das gesamte Video ist eine Abfolge von Banalitäten. Der Drucker wird gezeigt (&bdquo;...damit kann man Sachen ausdrucken“), der Besprechungsraum (&bdquo;Hier kann man sich besprechen“ – Blick in todernste Gesichter im Konferenzraum), die Zimmerpflanze (&bdquo;Sie lebt...noch“). Jede Mini-Szene endet mit dem verlegenen Grinsen des Bankangestellten, nur angedeutet in den Winkeln seines Mundes. Gezeigt wird der Bankalltag also so, wie man ihn sich wohl vorstellt: trocken. Langweilig. In jedem Fall nicht lustig. Doch das ironische Spiel mit dem Klischee, mit dem Fremdbild, verfängt. Das Video gefällt bei Instagram mehr als 112.000 Menschen, mehr als 2,3 Millionen Nutzer haben es sich angesehen. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein von @ssk_badpyrmont geteilter Beitrag Funktioniert der Spagat zwischen Kredit und Klamauk? Auch andere Banken setzen auf Humor. Die Sparkasse Herford zum Beispiel. Graue Haare, Brille, Sakko, Wohlstandsbauch: Stefan Diekmann ist ein gestandener älterer Herr. Doch aus seinem Mund kommen unerwartete Sätze: &bdquo;Hi Besties, nice, dass ihr wieder dabei seid!“, begrüßt der Sparkassen-Mitarbeiter die Zuschauer in einem der Videos. Und in einem anderen sagt er zu einem Kollegen &bdquo;Save, Digga“, um einen Termin zu bestätigen. Alles etwas hölzern. Alles irgendwie unbeholfen – und gerade deswegen lustig? Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Sparkasse Herford (@sparkasse.herford) Derweil lernt man in einem Video der Volksbank in Ostwestfalen verschiedene Bürotypen kennen – vom Kollegen, der zu lange im Homeoffice war und nur in Boxershorts zur Arbeit kommt, bis hin zum Workaholic. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Volksbank in Ostwestfalen (@volksbankinostwestfalen) Humor-Expertin ist beruflich in OWL unterwegs Banken versuchen also den Spagat zwischen Kredit und Klamauk. Doch wie gut gelingt der? Und ist das überhaupt sinnvoll? Geht es ums Lustigsein, ist Eva Ullmann Fachfrau. 2005 hat sie das Deutsche Institut für Humor mit Sitz in Leipzig gegründet. Sie coacht Führungskräfte, berät Unternehmen und hält Vorträge. Regelmäßig führt sie der Beruf auch nach OWL. Demnächst ist sie zum Beispiel für die Mitarbeitertagung einer Versicherung in Bielefeld. Sie sagt: Es sei &bdquo;eine großartige Entwicklung, dass sich Deutschland endlich von seinem angestaubten Glaubenssatz löst, keinen Humor zu haben.“ Mit Blick auf Witze rund um den Bankschalter sind aus ihrer Sicht zwei Dinge wichtig. Zunächst: Die Bank darf nur sich selbst auf die Schippe nehmen, nicht die Kunden. &bdquo;Sobald der Kunde humorvoll beleidigt wird, funktioniert das oft nicht“, sagt Ullmann. Selbstironie ist der Schlüssel. Heißt konkret: Wenn ein älterer Mann, so wie im Video der Sparkasse Herford, Jugendsprache nutze, &bdquo;dann funktioniert das nur, wenn er es offensichtlich sehr auf seine Kosten tut“. Aus ihrer Sicht haben die Herforder da noch zu wenig übertrieben. Daher nur 200 Likes, sagt Ullmann. Und nicht über 100.000 Likes wie in Bad Pyrmont. Und Punkt zwei: Videos können auch erfolgreich sein, wenn sie nicht mit Fremdscham spielen, sondern &bdquo;sozialen Humor“ nutzen. Ein Beispiel ist laut Ullmann das Video von der Volksbank in Ostwestfalen mit den verschiedenen Bürotypen. &bdquo;Das ist einfach lustig, da findet man sich wieder“, sagt die Expertin. Expertin lobt die Bielefeld-Million Der soziale Humor funktioniert auch in anderen Bereichen. So habe die Stadt Bielefeld mit der Bielefeld-Million im Jahr 2019 viel Aufmerksamkeit erzeugt, sagt Ullmann. Damals hatte die Stadt ein Preisgeld von einer Million Euro für jeden ausgelobt, der beweisen kann, dass Bielefeld tatsächlich nicht existiert – ganz so, wie es der alte Bielefeld-Witz behauptet. &bdquo;Das Besondere an dieser liebevollen Provokation und enormen Übertreibung dieses ewig verstaubten Bielefeld-gibts-nicht-Witzes, den kein Bielefelder mehr hören kann, war die enorme Aufwertung der Bielefelder“, so Ullmann. &bdquo;Die Selbstironie macht was mit den Menschen, die in Bielefeld leben.“ Das Stadtmarketing schaffe mit dieser Form von Humor das Bielefeld-Klischee ab und man komme ins Gespräch mit der Stadt. Mehr dazu: Stadt bietet eine Million Euro für den Beweis, dass Bielefeld nicht existiert Damals meinte übrigens ein Mathematiker, tatsächlich den Beweis der Nicht-Existenz Bielefelds erbracht zu haben. Er pochte auf die Auszahlung des Preisgeldes und klagte gegen die Stadt, die das anders sah. Das Gericht gab der Stadt recht: Der Mathematiker hatte den Beweis nicht erbracht. Außerdem sei alles nur ein Gag gewesen. Der Wissenschaftler musste letztlich die Prozesskosten in deutlich fünfstelliger Höhe selbst tragen. Lesen Sie dazu: Bielefelder Mathematiker muss wegen der #Bielefeldmillion horrende Gerichtskosten zahlen Für Ullmann jedenfalls schließen sich Humor und Ernsthaftigkeit nicht aus. Vor allem dann nicht, &bdquo;wenn ich den Menschen ernst nehme, aber nicht alle Probleme des Alltags“, sagt sie. Prominente reagieren auf Video Auch viele User sind von den Videos begeistert. &bdquo;Herrlich! Wie fancy ist das denn“ ist unter dem Herforder Video zu lesen. &bdquo;So was Originelles!! Hammer“, schreibt jemand zum Video aus Bad Pyrmont. &bdquo;Ich ziehe morgen direkt nach Bad Pyrmont, damit ich Kunde bei euch werden kann“, kommentiert ein anderer. Doch dass eine Bank auf witzig macht, sehen längst nicht alle Zuschauer positiv. &bdquo;Als Werbung zwar lustig, als Finanzinstitut aber maximal unseriös“ lautet eine der Reaktionen auf den humorigen Beitrag der Stadtsparkasse. Marcel Drube kennt die Kritik. Der 31-Jährige ist Protagonist des Videos aus Bad Pyrmont und für den Auftritt in den sozialen Medien mitverantwortlich. Das Video sei ein &bdquo;kompletter Selbstläufer“ gewesen, sagt Drube. Mehrere Prominente hätten darauf reagiert. Der gelernte Bankkaufmann nennt den Bielefelder Rapper Casper und Moderatorin Judith Rakers. &bdquo;Der Algorithmus ist ins Rollen gekommen“, beschreibt Drube die Dynamik. Doch was sind die Ziele? Und wo liegen die Grenzen? Man wolle nicht nur Werbung für Bankprodukte machen, sondern auch Imagepflege betreiben und eine Verbindung zu den Kunden aufbauen, sagt Drube. Er betont, dass man nicht jeden Social-Media-Trend mitmache und die Seriosität immer gewahrt bleiben müsse. Man wolle aber &bdquo;sympathisch und offen rüberkommen“ und sich selbst als Bank &bdquo;mal nicht so ernst nehmen“. Denn mit dem Video will die Stadtsparkasse vor allem auch um neue Mitarbeiter werben. Entsprechend sagt Drube am Ende des Videos &bdquo;Komm auch du zu uns“ – und steht dabei einsam und verlassen auf einem Treppenabsatz in dem großräumigen Bankgebäude. Also: Banken und Witz? Zumindest für Humor-Expertin Ullmann ist das Fazit klar. &bdquo;Humor“, sagt sie, &bdquo;ist immer ein Ausdruck der Kultur in der Organisation.“ Dass der auch in die &bdquo;Außenkommunikation“ gelange, sei ein &bdquo;wohltuender Entwicklungsschritt“.

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