Paukenschlag: NRW verschiebt Krankenhausreform – Folgen für Patienten in OWL?

Düsseldorf/Bielefeld. Die Krankenhauslandschaft in NRW wird sich 2025 verändern – mit massiven Folgen für Patienten und Klinikpersonal. Denn die Krankenhausreform sieht vor, dass nicht mehr jede Klinik ihre bisherigen Leistungen anbieten darf. Ziel der Reform ist eine Zentrierung vieler Leistungen, um die Patientenversorgung zu verbessern. Doch jetzt nimmt das Land eine zeitliche Kurskorrektur vor, die viele Beteiligte überrascht. NRW verschiebt die Reform um drei Monate. Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums werden die neuen Vorgaben nicht wie geplant ab Januar 2025 wirksam, sondern erst ab April. Der bisherige Zeitplan sah vor, dass die Kliniken kurz vor Weihnachten die Feststellungsbescheide für die Leistungen erhalten, die sie künftig noch anbieten dürfen, und so vor dem Jahreswechsel Klarheit haben – auch darüber, was wegfallen muss. Die Vorgaben hätten dann direkt umgesetzt werden müssen. Bleibt das Ministerium seinen bisherigen Ankündigungen treu, werden viele Kliniken Angebote streichen müssen. Im Bereich der Endoprothetik wird deutlich, wie weitreichend die Reform ist: So soll alleine in OWL die Zahl der Klinikstandorte für den Einsatz künstlicher Hüft- und Kniegelenke von 22 auf 14 zurückgehen. Bis Ende des Jahres weiß jede Klinik, was sie 2025 noch anbieten darf NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) räumt nun ein, dass der Zeitraum bis Januar zu knapp bemessen wurde. Die Kliniken sollen zwar wie geplant bis Ende des Jahres ihre Feststellungsbescheide erhalten, nun aber mehr Zeit haben, um sich auf die Veränderungen einstellen und diese umsetzen zu können. Ziel sei es dabei, die Versorgungssicherheit der Patienten nicht zu gefährden. Zuerst hatte der WDR darüber berichtet. Lesen Sie auch: Diese Kliniken in OWL müssen Angebote streichen &bdquo;Wir müssen den Krankenhäusern in unserem Land schon einen angemessenen Zeitraum geben, damit sie die nötigen Veränderungen umsetzen können, nachdem sie den Feststellungsbescheid erhalten haben“, erklärt Laumann. &bdquo;Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist doch klar.“ Ziel sei es, die Umsetzung mit einem klaren Blick auf die Versorgungsqualität und die Versorgungssicherheit der Menschen zu gestalten. &bdquo;Genau das wollen wir mit den Übergangsfristen gewährleisten. Gleichzeitig bleibt es dabei, dass jedes Krankenhaus bis Ende des Jahres weiß, welche Leistungen es in Zukunft anbieten kann“, sagt Laumann. Klinken haben nun drei bis zwölf Monate Zeit Eine weitere Änderung sieht das Ministerium für die Streichung besonders aufwendiger Behandlungen vor. Muss ein Krankenhaus so eine Leistung streichen, soll es nun zwölf Monate Zeit für die Umsetzung erhalten. Dazu zählen nach Informationen dieser Redaktion folgende Leistungsgruppen: Elektrophysiologie und Ablationsverfahren, interventionelle Kardiologie, Versorgung mit Herzschrittmachern und Defibrillatoren (kardiale Devices), Bauchaortenaneurysma, Eingriffe an der Halsschlagader, Einsatz künstlicher Hüft- und Kniegelenke, Wirbelsäuleneingriffe, Adipositaschirurgie und Stroke Units, in denen Schlaganfallpatienten behandelt werden. Auch in OWL hatten zahlreiche Krankenhäuser zuletzt das Anhörungsverfahren der Reform für Stellungnahmen an das Düsseldorfer Ministerium genutzt – in denen sie einen Teil der Reformpläne kritisieren. Insgesamt haben in NRW nach Angaben des Ministeriums 327 von 330 Krankenhäusern Stellungnahmen eingereicht. Klinikchef aus OWL rechnet mit zügiger Umsetzung Die Verschiebung der Reform hat die Geschäftsführer der Krankenhäuser in OWL überrascht, aber nicht verunsichert. &bdquo;Es ist wichtig, dass wir den Weg der Reform in NRW weitergehen, weil es ein Weiter so nicht geben kann. Ich rechne nicht damit, dass sich durch die Verschiebung etwas an den Zielen des Gesundheitsministeriums ändern wird, weil es sich lediglich um eine kurze Verlängerung der Übergangsphase handelt“, sagt Thorsten Kaatze, Vorsitzender Geschäftsführer des Evangelischen Klinikums Bethel. &bdquo;Die Reform in NRW ist eine Blaupause für Deutschland.“ Kaatze rechnet damit, dass die meisten Krankenhäuser die Vorgaben zügig umsetzen werden, trotz verlängerter Übergangsphase. &bdquo;Die Feststellungsbescheide kommen wie geplant bis Ende des Jahres und darauf folgt die Umsetzung.“ Zudem sei bereits jetzt zu beobachten, dass sich Patienten umorientieren, vor allem in der Kinderheilkunde. &bdquo;Es werden vermehrt die Kliniken angesteuert, die Leistungen auch ab dem kommenden Jahr noch anbieten dürfen. Ähnliches beobachten wir beim Personal.“ Die meisten Sorgen bereiten Kaatze aktuell nicht die Veränderungen in NRW, sondern die Pläne der Krankenhausreform auf Bundesebene. Kliniken in Kreisen Gütersloh und Minden-Lübbecke freuen sich Das Klinikum Gütersloh begrüßt die Verschiebung, weil das nach Angaben von Geschäftsführerin Maud Beste die Umsetzung erleichtert, die Verzögerung aber nicht die Feststellungsbescheide betrifft, die wie geplant bis Ende des Jahres verschickt werden. &bdquo;Wir begrüßen diesen Schritt, weil er allen Beteiligten mehr Zeit gibt, die Veränderungen umzusetzen. Das hilft sowohl den Patienten als auch den Krankenhausmitarbeitern, die sich zum Teil neu orientieren müssen.“ Auch die Mühlenkreiskliniken im Kreis Minden-Lübbecke sind froh über die verlängerte Übergangsfrist. &bdquo;Die Umstellung der Planungsgrundlage von dem Kriterium Bett auf das Kriterium Fälle in Leistungsgruppen ist eine tiefgreifende und bedeutende Änderung. Hier gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, sagt der Vorstandsvorsitzende Olaf Bornemeier. &bdquo;Wir begrüßen es, wenn das Landesgesundheitsministerium die Planungen in Ruhe und ohne Zeitdruck abschließt.“ Auswirkungen auf die Vorbereitungen für die Umsetzung der Reformpläne in den Mühlenkreiskliniken sieht Bornemeier nicht. &bdquo;Sofern sich keine signifikanten inhaltlichen Veränderungen ergeben.“ Kritische Stimmen zur Krankenhausreform in NRW Die Nachricht, dass sich die Reform verschiebt, kam für viele Beteiligte am Donnerstagmorgen völlig überraschend, heißt es aus Düsseldorf. Gleichwohl hatte es in den vergangenen Wochen bereits kritische Stimmen gegeben. Die kurze Übergangsphase würde die Kliniken &bdquo;ins Chaos stürzen“, hatte Thorsten Klute dieser Redaktion Mitte Oktober gesagt. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion sieht sich in seiner Skepsis nun bestätigt: &bdquo;Es ist gut, wenn Minister Laumann nun auf unseren Kurs umschwenkt und den Kliniken mehr Zeit für die Umsetzung geben will“, sagt Klute dieser Redaktion. Die SPD habe schon lange darauf hingewiesen, dass die Zeit für die Krankenhäuser zu knapp bemessen sei, sagt der Versmolder. Es werde nicht der &bdquo;letzte Realitätscheck“ sein, dem sich Laumann bei seiner Reform stellen müsse. Zugleich übt Klute auch Kritik: &bdquo;Dass Laumann zu der Verschiebung seiner Reform am Mittwoch im Gesundheitsausschuss kein einziges Wort verloren hat, zeigt, wie wenig er die Entwicklungen zurzeit überblickt.“ Die FDP im Landtag wirft Laumann vor, die konkrete Umsetzung &bdquo;nicht ausreichend“ vorbereitet zu haben. &bdquo;Es wäre unverantwortlich gewesen, die Bescheide kurz vor Weihnachten zu erteilen und die Kliniken zu zwingen, die Änderungen bereits zum Jahresanfang umzusetzen“, so die FDP. Krankenhausgesellschaft NRW lobt die Entscheidung Laumanns Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bleibt hingegen skeptisch. Man verzeichne eine wachsende Unruhe unter den Beschäftigten zur generellen Arbeitsplatzsicherheit. &bdquo;Wir stellen ernsthaft infrage, ob ein zusätzliches Zeitfenster von drei Monaten für NRW ausreicht, um 327 Stellungnahmen aufzuarbeiten, während die Analyse der Bundesauswirkungen noch nicht belastbar vorgenommen werden kann“, heißt es von Verdi in NRW. Die Krankenhausgesellschaft in NRW lobt derweil die Entscheidung Laumanns. Die Verschiebung schaffe für die Patienten die Sicherheit, dass sie sich weiterhin auf eine &bdquo;verlässliche“ und &bdquo;qualitativ hochwertige Behandlung“ in den Kliniken verlassen könnten, sagt Präsident Ingo Morell. Nicht nur der Auf- und Ausbau von Leistungsgruppen brauche Zeit und Investitionen, sondern auch die Schließung von Stationen.

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