Aufgedeckt: AfD-Wahlkämpfer aus OWL in „Reichsbürger“-Gruppe aktiv

Bielefeld/Detmold. Ein warmer Tag Mitte Mai in Detmold: In der Innenstadt stehen eine Handvoll Personen und verteilen blaue Flyer der AfD. Sie sind auf Stimmenfang vor der anstehenden Europawahl – die Hochphase des Wahlkampfes läuft. Entgegen ihren offiziellen Parteigrundsätzen hat die AfD in Lippe in den vergangenen Wochen offenbar Unterstützung von Anhängern der extremistischen Szene erhalten, wie Recherchen dieser Redaktion zeigen. So beteiligte sich an dem Wahlkampf Mitte Mai in der Detmolder Innenstadt auch ein ehemaliger Bundestagskandidat der AfD. Er stand 2017 auf dem Wahlzettel im Kreis Lippe und holte 11,1 Prozent für die Partei. In den Bundestag zog er mit dem Ergebnis nicht ein. 2020 tauchte er für die Kommunalwahl erneut auf der Wahlliste der AfD auf. Später war er gelegentlich auf Fotos des Lipper Kreisverbandes zu sehen. Lesen Sie auch: In einem Lipper Wahlbezirk mehr als 50 Prozent AfD Allerdings scheint der Ex-Bundestagskandidat auch eine andere Begeisterung zu hegen. Denn der Mann ist nach Recherchen dieser Redaktion aktiv beim &bdquo;Vaterländischen Hilfsdienst“, kurz VHD. Der NRW-Verfassungsschutz ordnet die Gruppe dem &bdquo;Reichsbürger“-Spektrum zu. Die Zielsetzung der Anhänger: das &bdquo;Deutsche Kaiserreich“ wieder neu aufzubauen und handlungsfähig zu machen. AfD-Mitglied bei mehreren VHD-Treffen Unterteilt ist der VHD in verschiedene Bezirke, unter anderem einen, der den Raum Ostwestfalen-Lippe umfasst. Dieser Redaktion sind mehr als zehn Bilder von Treffen seit 2021 bekannt (unter anderem im Ruhrgebiet oder OWL), auf denen offenbar der Lipper AfDler zu sehen ist. Reichsbürger stehen neben Dutzenden extremistischen Gruppen und Organisationen auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Der ehemalige AfD-Bundestagskandidat betont in einem Telefonat gegenüber dieser Redaktion, er sei Mitglied, aber kaum noch für die AfD aktiv. Er räumt ein, etwa Mitte Mai an dem Wahlkampf in Detmold beteiligt gewesen zu sein. Auch seine Teilnahme an VHD-Treffen bestätigt er. Er bezeichnet die Organisation &bdquo;viel mehr als patriotische Sache“ statt als &bdquo;Reichsbürger“-Gruppe. Mehr wollte er nicht sagen und bat um ein Telefonat zu einem späteren Zeitpunkt. Später wollte er sich nicht mehr weiter äußern. Auch andere Personen aus rechtsextremer Szene für AfD aktiv? Augenzeugen berichten zudem von weiteren Personen aus der extremistischen Szene, die die AfD unterstützt haben sollen. So berichtet eine Quelle, die anonym bleiben will, dass der bekannte völkische Rechtsextremist Gerd U. Anfang Juni Flyer der AfD in der Innenstadt von Detmold verteilt haben soll. Fotos, die dieser Redaktion vorliegen, zeigen ihn damals zumindest am Wahlkampfstand der Partei, ehe er später an einer regierungskritischen Schilder-Demo teilnahm. Zudem berichten Beobachter der rechten Szene von dem Portal &bdquo;Hiergeblieben“ davon, dass U. auch Ende Mai Wahlplakate der AfD im südlichen Detmold aufgehängt haben soll. Die AfD Lippe verbreitete später ein Foto von dem Wahlkampfstand Anfang Juni in Detmold. Darauf zu erkennen ist auch ein junger Mann, der zuvor Passanten Flyer der Partei in die Hand drückte. Fotoauswertungen legen nahe, dass der Mann im Herbst 2023 an einer Spontanversammlung der rechten Szene in Detmold teilgenommen hat. Diese hatten gut ein Dutzend Anhänger – unter anderem aus bekannten völkischen Familien, die im Fokus des Verfassungsschutzes stehen – besucht. Lesen Sie auch: Polizei muss AfD-Vertreter aus Gymnasium in Bad Salzuflen verweisen Die Szene-Beobachter von &bdquo;Hiergeblieben“ sehen hier einen möglichen Bezug zum Verbot der Nazi-Sekte &bdquo;Artgemeinschaft“. Diese wurde erst wenige Tage zuvor verboten. Mehrere Teilnehmer der Versammlung sollen Verbindungen zur &bdquo;Artgemeinschaft“ gehabt oder gar Mitglied gewesen sein. Der NRW-Verfassungsschutz spricht bei den Teilnehmern der Versammlung von &bdquo;szenebekannten Personen aus dem völkischen Spektrum“ sowie &bdquo;szenetypischen Auftreten“. Experten sehen Nähe zum &bdquo;Flügel“ bei Lipper AfD Ein Sprecher der AfD im Kreis Lippe betont, angesprochen auf die Vorwürfe, lediglich: &bdquo;Wir als rechtsstaatliche Partei stehen vollumfänglich zu unserem derzeit gültigen Grundgesetz.“ Zudem verweist er in einer Mail auf das Wahlprogramm sowie das &bdquo;Grundsatzprogramm für Deutschland“ der Partei. Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in OWL (MBR) sieht bei der AfD im Kreis Lippe wie in vielen weiteren OWL-Kreisen eine &bdquo;deutliche Nähe“ zum formell aufgelösten rechtsextremen &bdquo;Flügel“. Dies zeige sich beispielsweise durch extrem rechte oder verschwörungstheoretische Beiträge in sozialen Medien. Zudem beobachte die MBR eine Vernetzung &bdquo;mit anderen Teilen der extremen Rechten in der Region“, beispielsweise mit der verschwörungsideologischen Szene. So sollen einzelne Personen der Lipper AfD auch an Schilder-Demos des Rechtsextremisten Gerd U. teilnehmen und Kontakte in die völkische Szene pflegen. Nach Recherchen dieser Redaktion tauchten Anhänger beispielsweise bei AfD-Kundgebungen auf, wie nach dem Mord an einem Obdachlosen in Horn-Bad Meinberg. &bdquo;Allgemein lässt sich festhalten, dass die AfD im Kreis Lippe somit keinerlei Berührungsängste zu extremen Rechten zu haben scheint“, heißt es von der MBR.

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