Grünen-Chef Tim Achtermeyer: Der etwas andere Politikertyp

Düsseldorf. &bdquo;Du Witzbold“, &bdquo;ich schäme mich fremd“, &bdquo;bist du peinlich“: Tim Achtermeyer macht sich Feinde. Seine Videos in den sozialen Medien werden erregt diskutiert – manchmal auch unter der Gürtellinie. Für den 30-Jährigen ist das okay. Er hat einen Weg gefunden, Politik sichtbar zu machen. Das ist heute viel wert. Denn die Landespolitik fristet ein Nischendasein zwischen der prominenten Bundespolitik und der konkreten Kommunalpolitik. Vielen Abgeordneten der Landtage fällt es schwer, öffentlich wahrgenommen zu werden. In NRW zum Beispiel sind selbst viele Ministerinnen und Minister den meisten Menschen unbekannt. Tim Achtermeyer glaubt zu wissen, woran das liegt. Parteien müssten dort stattfinden, wo die Menschen sind. &bdquo;Wir müssen uns weniger in Sitzungssälen aufhalten – und mehr in die Kneipen, Unternehmen, Schulen und auch in die sozialen Medien gehen.“ Es irritiere ihn, wenn Landespolitiker zu Plenartagen stolz selbstreferenzielle Selfies aus dem Landtag posteten und sich dafür feierten. Damit könnten viele Menschen nichts anfangen. Achtermeyer ist mit Videos auf Plattformen sichtbar Achtermeyer setzt seit einigen Monaten auf eine andere Strategie. Bei X (früher Twitter), Instagram und Tiktok postet er mehrfach pro Woche Videos von sich. Dort folgen ihm inzwischen Zehntausende. Gute Nachricht für alle Blauzis: Ich überlege gerade ernsthaft die Politik doch an den Nagel zu hängen. 😉🐶 pic.twitter.com/zhElSNUcgA Tim Achtermeyer (@Tim_Acht) May 22, 2024 In den kurzen Sequenzen wendet er sich direkt an die Nutzer. Das sind mal Erklärvideos zur Entwicklungspolitik (&bdquo;Deutsche Radwege in Peru“), mal Videos beim Spazierengehen, in denen sich Achtermeyer über die plumpen Rituale zum Weltfrauentag ärgert, und mal Sequenzen, in denen er erklärt, warum er das Cannabisgesetz begrüßt. Die Videos sind schnell geschnitten und mit Untertiteln versehen. Manchmal kommen sie etwas schräg daher. Doch sie fallen auf, werden oft rege diskutiert – und handeln von politischen Themen. &bdquo;Das hat der Grüne gut gemacht, hätte nicht erwartet, so was mal zu sagen“; &bdquo;Diesen Namen muss man sich merken“, steht zum Beispiel unter Videos, in denen Achtermeyer über die AfD spricht. Maximilian wer?! War da was?! Auch wenn die AfD ihren Spitzenkandidaten jetzt versteckt, jede Stimme für die AfD ist eine Stimme für Krah. Wir lassen uns dieses demokratische Europa nicht kaputt machen! pic.twitter.com/Gw7rlaqN1P Tim Achtermeyer (@Tim_Acht) May 22, 2024 Die Partei hat der studierte Politikwissenschaftler längst als Hauptgegner ausgemacht – und postet immer wieder kritische Redeausschnitte von sich über die AfD. Achtermeyer bekommt Anregungen durch junge Nutzer Achtermeyer nimmt es in Kauf, dass er mit seiner Art der Kommunikation viel Angriffsfläche bietet. Kürzlich habe er eine Mail erhalten mit dem Satz &bdquo;Ich war vor deiner Tür.“ Der 30-Jährige tritt selbstbewusst auf, er trägt im Landtag stets schicke Anzüge und hat sich kürzlich seine Haare transplantieren lassen. &bdquo;Der Job macht genug graue Haare, aber zumindest die wollte ich behalten.“ Im Parlament sitzt Achtermeyer seit zwei Jahren. Seitdem führt er auch den NRW-Landesverband gemeinsam mit Yazgülü Zeybek. Bald wird der Vorstand neu gewählt. &bdquo;Ich trete wieder an und bewerbe mich um eine Verlängerung und das Vertrauen“, kündigt Achtermeyer an. Sein Ziel sei es, dass der Landesverband in dieser Legislaturperiode in jedem Kreis in NRW eine Veranstaltung mit den Menschen vor Ort machen, um die Willensbildung und Demokratie zu stärken. &bdquo;Ich nehme ein ganz großes Interesse der Menschen wahr, auf Augenhöhe mit uns zu diskutieren. Frontalveranstaltungen sind öde“, sagt er. Dieses Interesse stelle er eben auch in den sozialen Medien fest – vor allem bei jüngerem Publikum. Achtermeyer, der zwischen seiner Heimatstatt Bonn und Düsseldorf pendelt, freut sich besonders, dass ihm junge Nutzer immer häufiger politische Anregungen und Vorschläge schicken. Vom viel zitierten Politikverdruss spüre er nur wenig. Das gelte auch für die umstrittene Plattform Tiktok. &bdquo;Wenn ich dort aktiv bin, öffne ich ein Stück weit das Höllentor. Aber ich erlebe dort auch verwunderten Zuspruch.“ Politik muss auch auf Tiktok präsent sein Die anderen Parteien – auch die Grünen – hätten die Entwicklung auf Tiktok verschlafen, während die AfD dort längst aktiv sei und eine große Reichweite habe. &bdquo;Ein schwerer strategischer Fehler von uns“, meint Achtermeyer. &bdquo;Wer junge Menschen erreichen will, muss dort sein, wo sie sich aufhalten.“ Nicht für jeden Politiker seien die sozialen Netzwerke der richtige Ort. &bdquo;Da muss sich nicht jeder anmelden. Und man muss bei Tiktok auch keine Tanzvideos posten. Aber wir sollten das Netz nicht den anderen überlassen.“

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