
Bielefeld. Für viele Menschen gehören sie zum Alltag, wie Radiohören oder Fernsehen: Facebook, Instagram, Tiktok oder auch Whatsapp – sie alle sind Medien, die verschiedene Altersgruppen verwenden. Doch welches Verhalten ist tatsächlich gefährlich und ab wann gilt jemand als süchtig?
Was ist eine Sucht nach sozialen Medien?
„Bei einer Sucht wäre die Nutzungsweise so problematisch, dass sie das Alltagsleben massiv beschränkt, soziale Beziehungen im physischen Umfeld stark beeinträchtigt und keine Kontrolle mehr über das eigene Nutzungsverhalten besteht“, sagt Dorothee Meister. Sie ist Professorin für Medienpädagogik und empirische Medienforschung an der Universität in Paderborn. Andere Aktivitäten seien aufgrund einer Sucht nicht möglich und professionelle Hilfe müsse in Anspruch genommen werden. Eine Sucht und exzessives Nutzen von Instagram, Facebook und Co. werden häufig verwechselt, sie seien aber nicht dasselbe.
Die Krankenversicherung DAK untersuchte im Rahmen einer Studie gesundheitliche Folgen einer Social-Media-Sucht. Das Ergebnis sei brisant: 2,6 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland erfüllen die Kriterien für eine Abhängigkeit. Befragte in der Altersgruppe verbringen durchschnittlich rund zweieinhalb Stunden mit sozialen Medien. Die DAK-Studie soll außerdem zu dem Ergebnis gekommen sein, dass es einen Zusammenhang zwischen der Sucht nach sozialen Medien und Depressionen gebe.
Ist das exzessive Nutzen von sozialen Medien ungesund?
Jemand muss nicht erst süchtig werden, um negative Folgen durch die eigene Social-Media-Nutzung zu erfahren. Denn es kann schon schädlich sein, wenn Online-Aktivitäten sehr häufig und über längere Zeiträume ausgeübt werden. „Problematisch wird es, wenn die Fähigkeit, sich auf eine Sache länger zu konzentrieren, eingeschränkt ist“, sagt Meister. Auch der zeitliche Kontrollverlust, vernachlässigende Beteiligung an sozialen Beziehungen und Schlafprobleme könnten auftreten.
Dieses exzessive Verhalten kann dann auch der Weg in die Sucht sein, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Viele Kinder und Jugendliche chatten, posten und liken von früh bis in die Nacht. Einige rutschen in die Abhängigkeit. Darauf müssen wir reagieren, damit Betroffene und ihre Familien Hilfe bekommen“, sagt Storm.
Warum kann Social Media süchtig machen und warum ist das gefährlich?
Soziale Medien haben mehrere Elemente, warum sie Menschen dazu verleiten, viel Zeit mit ihnen zu verbringen. „Die Faszination an den verschiedenen Möglichkeiten von Social Media liegt vor allem an dem Eindruck, an Kommunikations- und Unterhaltungsangeboten teilzuhaben“, sagt Dorothee Meister. Es gebe sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Nutzung. Es gebe die Beteiligung über feste Gruppen, in denen Personen stark involviert sein können. Bei Ausschluss kann die Angst entstehen, dass einem etwas entgeht.
Das Phänomen hat auch einen Namen. „Man spricht hier auch von FoMO - Fear of Missing Out - also die Angst etwas zu verpassen“, sagt Meister. Wenn permanent etwas Neues im eigenen Kanal erscheine, bestehe bei manchen Menschen immer wieder die Angst, nicht mehr richtig zu einer Gruppe dazuzugehören.
Zudem: Viele Menschen würden die Unterhaltung durch soziale Medien dafür nutzen, um sich vom Alltag abzulenken. Laut der DAK-Studie nutzt jeder dritte Befragte soziale Medien, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen. Bei Mädchen treffe dies sogar auf vier von zehn Befragten zu. Dorothee Meister empfiehlt, sich im Fall eines Suchtverdachts an Psychologen oder Stellen für Medienabhängigkeit zu wenden.
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Was kann für einen gesunden Umgang mit Social Media getan werden?
„Ein gesunder Umgang mit Medien braucht Pausen“, sagt Meister. Gerade in der Fastenzeit sei eine Phase des Digital Detox sinnvoll, in der die Familie oder der Freundeskreis im Vordergrund stehen und digitale Kommunikation- und Unterhaltungsangebote ausgelassen werden.
Was können Eltern tun?
Wichtig ist für Eltern zu wissen, dass sie eine Vorbildfunktion haben. Deshalb gelte für sie, das eigene Verhalten zu reflektieren. „Es ist sehr wichtig, mit Kindern über die Mediennutzung zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wenn der Eindruck eines problematischen Verhaltens besteht“, sagt Meister.
Innerhalb der Familie sollte darüber gesprochen werden, welche Lösungen und Regeln ausgehandelt werden. Zum Beispiel, dass keine Mediennutzung zu Essenszeiten oder abends stattfindet. Medienpädagogin Dorothee Meister empfiehlt auch, dass Eltern sich mit der Social-Media-Nutzung ihrer Kinder beschäftigen und sie auf eigene Lösungen und Verhaltensweisen aufmerksam machen.
„Wichtig ist, dass sie wissen, was die Kinder auf Social Media machen und sich mit ihnen auseinandersetzen, was für die Entwicklung der Kinder förderlich ist, und was ihnen schaden könnte“, sagt Meister. Die Folgen können nämlich belastend sein. 22 Prozent der Social-Media-Nutzer streiten laut der DAK-Studie häufiger mit den Eltern über ihre Online-Aktivitäten.