Warum ein Lemgoer Kunsthändler „Bares für Rares“ für reine Show hält

Lemgo. Wer das ehemalige Klostergebäude St. Marien an der Stiftstraße in der alten Hansestadt betritt, atmet den Geist vergangener Zeiten: Michael Rosteck hat sich auf Bilder des 17. bis 20. Jahrhunderts und auf Möbel vor 1850 spezialisiert. Wuchtige Holzmöbel und riesige Gemälde fallen ins Auge, daneben auch zierlichere Artefakte und fein gezeichnete Skizzen. Wer ein leeres Schloss erbt und es antik einrichten möchte, der wird hier vermutlich mehr finden, als er sinnvollerweise unterbringen kann. Besuch in einem Museum, das keins ist. Der einzige, der wohl den kompletten Überblick über die insgesamt 1700 Quadratmeter große Ausstellungsfläche hat, ist Michael Rosteck selbst. Sein Vater hat das Geschäft 1949 gegründet, das sich selbst zu den großen Kunst- und Antiquitätenhäusern in Deutschland zählt. Seine Kunden stammten aus ganz Europa und den USA, sagt Rosteck. &bdquo;Ich bin zwischen Antiquitäten aufgewachsen“, berichtet er. 1976 habe er das Geschäft von seinem Vater übernommen. Heute beschäftigt er drei Angestellte, davon zwei Möbelrestauratoren. Denn die Möbel, mit denen Rosteck handelt, sind alt, sehr alt. Fast alles, was nach dem Biedermeier kam, sei für ihn uninteressant. &bdquo;Bis ungefähr 1848 war noch alles Handarbeit, danach wurden Möbel zunehmend industriell gefertigt“, sagt er. Schneidemaschinen hielten in der Produktion Einzug, Möbelfabriken entstanden. Bei Möbeln spreche man daher von Antiquitäten, wenn sie vor 1850 gefertigt worden seien. Günstiger als neu Was nicht bedeute, dass alle Möbel, die er in den Ausstellungsräumen und im Lager im Dachgeschoss stehen hat, ein Vermögen kosten. &bdquo;Manche Leute wundern sich über die Preise“, sagt er. Fast alle Möbel seien günstiger als heute handgearbeitete Massivholzmöbel, betont er. Rosteck erzählt von einem Fall, in dem ein Kunde ihm berichtete, er habe sich von einem Tischler einen historischen Schrank nachbauen lassen. &bdquo;Der hat dafür 8.000 Euro bezahlt“, sagt Rosteck und lacht. So richtig will er über seine eigenen Preise allerdings nicht reden. &bdquo;Die Leute handeln eh schon immer, wenn ich jetzt sage, ein Schrank kostet das und das, dann nageln die mich darauf fest.“ Dann sagt er aber doch: Für 1.500 Euro bekomme man bei ihm schon einen hervorragend aufgearbeiteten mehr als 200 Jahre alten Schrank. Gut für ihn: Alte Schränke, Truhen und Kisten seien derzeit gefragt. Auch und gerade bei jungen Leuten, das sei jedenfalls seine Beobachtung. &bdquo;Die stellen sich gerne eine Antiquität zwischen die moderne Einrichtung.“ Manchmal ganz unbearbeitet, Restaurierung nicht gewünscht. &bdquo;Ich hatte ein Paar, die wollten eine Truhe aus dem Lager so mitnehmen, wie wir sie bekommen hatten. Die fanden das gut so.“ Schiffe gehen immer Und was für Bilder werden bei ihm gekauft? Nun, das sei schwer zu sagen. Schiffe und das Meer allgemein gingen immer. Dagegen: &bdquo;Jagdszenen sind in der Regel schwer verkäuflich, wenn sie nicht gerade von einem ganz großen Maler stammen.“ Die Nachfrage hänge auch vom Zeitgeist ab und der ändere sich eben. &bdquo;Es gibt ja kaum noch Leute, die eine klassische Jagdstube haben, also finden Jagdmotive auch keine großen Abnehmerzahlen.“ Porträts von Menschen, die den heutigen Käufern unbekannt sind, seien ebenfalls schwer verkäuflich. &bdquo;Auch wenn sie sehr gut gemalt sind.“ Obwohl – eine Anekdote hat Rosteck auf Lager. Ein Kunde von ihm sei Geschäftsmann, der geschäftlich viel mit China zu tun habe. Der habe ein schönes Haus, in das er gerne seine Kunden aus Fernost einlade. Rosteck: &bdquo;Dort hängen an den Wänden Porträts, die er den Gästen als seine Vorfahren vorstellt, was bei den Chinesen immer viel Eindruck macht.“ In Wirklichkeit seien wildfremde Menschen auf den Bildern, die er unter anderem bei Rosteck gekauft habe. Der Kunsthändler lacht: &bdquo;Er hat mir erzählt, dass er nicht mal ein einziges Bild von seinen Ahnen hat. Die hätten im Bergbau gearbeitet und überhaupt kein Geld besessen, um sich malen zu lassen.“ Schein und sein Schein und Sein ist auch in der Kunstwelt nicht immer voneinander zu trennen. So habe er schon manche hoffnungsfrohen Erben enttäuschen müssen. &bdquo;Denen hat die Oma erzählt, von dem Bild an der Wand können sie sich nach ihrem Tod einen Mercedes kaufen.“ Die Realität sehe anders aus. &bdquo;Das Meiste, was mir angeboten wird, hat auf dem Markt keinen Wert.“ Etwa 20 bis 30 Fotos von Bildern oder Möbeln bekomme er in der Woche per Mail zugeschickt. &bdquo;Nur fünf oder sechs Sachen davon sind so interessant, dass ich hinfahre und mir die Dinge angucke.“ Gehe es um Bilder, habe er immer einen Auktionskatalog dabei, um zeigen zu können, für wie viel die Arbeiten gehandelt werden. Denn: &bdquo;Viele haben immer völlig überzogene Erwartungen und unterstellen, dass ich sie über den Tisch ziehen will.“ Klar sei natürlich, dass er einen Schnitt machen müsse. Denn: Um ein einziges Bild zu bekommen, was er haben wolle, müsse er manchmal drei weitere kaufen, die nichts wert seien, weil alle vier nur im Paket angeboten werden. Und nicht alles, was er ankaufe, finde einen Käufer. Manche Dinge blieben über Jahre in seinem Geschäft.Bis sich dann doch jemand findet, der sich genau für diese eine Sache interessiert. &bdquo;Einige sammeln alles von einem bestimmten Künstler und stellen sich ein eigenes Museum zusammen.“ Sammler mit kuriosen Wünschen gebe es auch immer wieder mal. &bdquo;Ich habe einen Kunden, der sammelt Stillleben mit toten Fischen darauf“, sagt Michael Rosteck. ZDF-Show &bdquo;Bares für Rares“ nicht mit der Realität zu tun Auch Kunsthändler Michael Rosteck guckt gelegentlich den ZDF-Dauerbrenner &bdquo;Bares für Rares“. Darüber kann er sich herrlich aufregen. &bdquo;Das hat mit der Realität eines Antiquitätenhändlers nichts zu tun“, sagt er. &bdquo;Das ist reine Show.“ Die Preise, die dort zum Teil für die Stücke geboten würden, hätten mit den Preisen auf dem realen Markt bisweilen nicht viel zu tun. &bdquo;Da geht es dann meiner Ansicht nach darum, eine gewisse Dramaturgie zu bedienen. Manche Stücke werden deutlich über dem Preis gekauft, damit das Publikum staunen kann.“ Nicht immer sei das vorteilhaft für das eigene Geschäft. Ihm sei mal eine Bismarckbüste aus Bronze angeboten worden, wie sie im 19. Jahrhundert in Mode war. &bdquo;Das Exemplar war eine Massenanfertigung und nicht viel mehr wert als 300 Euro“, erinnert sich Rosteck. Die Dame, die es ihm anbot, sei sehr enttäuscht gewesen. &bdquo;Kurze Zeit später habe ich sie in der Sendung gesehen, die Büste hat mehr als 2.000 Euro gebracht. Ich konnte es gar nicht glauben.“ Auch, dass die Händler zu den eben erst gesehenen Stücken immer sofort ein großes Fachwissen an den Tag legen, sei natürlich nicht die Realität. Vor allem bei Bilden sei es nahezu unmöglich, den Überblick zuhaben. &bdquo;Da gibt es entsprechende Fachbücher, in denen man nachschlagen muss.“ Als wesentlich realistischer schätzt Rosteck die eingestellte NDR-Sendung &bdquo;Lieb und teuer“ ein, in denen Experten aus norddeutschen Museen und Auktionshäusern Stücke der Zuschauer schätzten.

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