Stadtflucht

Wohnen auf dem Land gefragter denn je – fast alle OWL-Kreise profitieren

Einer neuen Studie zufolge feiern ländliche Wohnräume seit der Corona-Pandemie ein Comeback. Nur ein Kreis in OWL hat seitdem Einwohner verloren.

In fast allen Städten und Kreisen ist die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner zwischen 2020 und 2021 gestiegen. | © picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Mareike Köstermeyer
20.11.2023 | 20.11.2023, 17:46

Bielefeld/Gütersloh. Wohnen im Grünen mit Garten wird in Nordrhein-Westfalen wieder attraktiv. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung auf Basis der Meldedaten des Statistischen Landesamtes. Während aus einigen NRW-Großstädten im Zeitraum von 2020 bis 2021 demnach mehr Menschen weg- als zugezogen sind, verzeichnen einige sehr ländliche Kreise deutliche Bevölkerungszugewinne.

Zu beobachten ist das den Daten zufolge nicht nur in Teilen des Sauerlands, im Münsterland und in einigen Eifelkreisen, sondern auch im ländlich geprägten Ostwestfalen-Lippe. Hier verzeichneten die Kreise Gütersloh (+1.286 Einwohner), Herford (+88 Einwohner), Höxter (+265 Einwohner), Paderborn (+1.045 Einwohner) und Minden-Lübbecke (+944 Einwohner) sowie die Stadt Bielefeld (+443) zwischen 2020 und 2021 Wanderungsgewinne. Einzig der Kreis Lippe hat im gleichen Zeitraum einen negativen Saldo vorzuweisen (-819 Einwohner).

Die Autoren der Studie nennen die teure Wohnsituation in den Metropolen sowie die zunehmende Digitalisierung insbesondere in der Arbeitswelt als Treiber für das wachsende Interesse am ländlichen Wohnraum. Homeoffice sei gefragter als je zuvor. Die Corona-Pandemie habe den bestehenden Trend weiter verstärkt, heißt es, ebenso wie den Wunsch vieler nach mehr Platz und Zugang zum Grünen.

Pandemie als Trendwende

Experten sehen in der aktuellen Entwicklung eine Umkehrung des jahrelang andauernden Trends der Reurbanisierung. Denn während die eher ländlichen (–155.000 Einwohner) und sehr ländlichen Räume (–143.000 Einwohner) in NRW im Zeitraum 2009 bis 2011 noch ein Minus bei den Wanderungssalden aufwiesen, war bereits seit den Jahren 2017 bis 2019 eine Trendwende zu erkennen. Die günstigste Bilanz hatten seitdem die eher ländlichen Räume (+162.000 Einwohner) und auch für die sehr ländlichen Räume (+29.000 Einwohner) ergab sich ein kleines Plus.

Noch stärker sind die Unterschiede zwischen den Raumtypen jetzt in den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 hervorgetreten, mit +294.000 für die eher ländlichen und +193.000 Einwohner für die sehr ländlichen Räume. Deutliche Abwanderungen gab es in dem Zeitraum in den Großstädten Köln (-14.767 Einwohner) und Düsseldorf (-2.400 Einwohner).

Positiver Saldo in Minden-Lübbecke

Den Untersuchungen zufolge spielen aber auch sogenannte Rückwanderungen eine große Rolle: Nachdem Menschen ihre Heimat in ländlichen Räumen zunächst für Ausbildung und Studium verlassen hatten, sind sie in anderen Lebensphasen später wieder zurückgekehrt – etwa wenn junge Familien erschwinglichen Wohnraum in einem grünen Umfeld suchten.

Für eine gänzliche Umkehr der Wanderungsströme und Bevölkerungsstrukturen hat der neue Trend zumindest in OWL noch nicht gesorgt. Bis auf die Kreise Paderborn und Gütersloh, wo die Einwohnerzahl in den vergangenen Jahren konsequent gewachsen ist, weisen die Kreise Herford, Höxter, Lippe und Minden-Lübbecke im Zeitraum zwischen 2000 und 2021 einen negativen Bevölkerungssaldo auf. In Minden-Lübbecke ist er zumindest schon seit 2019 positiv.

Die sonst kontinuierlich wachsende Stadt Bielefeld erlebte zu Beginn der Corona-Pandemie einen kleinen Einbruch. Aus der Entwicklung eines Jahres sei laut einer Sprecherin der Stadt Bielefeld aber keine generelle Aussage zur „Stadtflucht“ zu treffen oder ein Trend abzuleiten. „ Diese Beurteilung ist komplexer, da Bielefelds Einwohnerzahl in den Jahren 2021, 2022 und ganz aktuell im Laufe des Jahres 2023 weiter wächst, obwohl es auch Wanderungsverluste an die Nachbargemeinden gibt“, teilt die Stadt auf Anfrage mit.