NRW-Abgeordnete reagieren empört auf Rassismus-Studie der Uni Bielefeld

Düsseldorf/Bielefeld. Eine Bielefelder Rassismus-Studie hat im nordrhein-westfälischen Landesparlament zu Verärgerung geführt. Abgeordnete mehrerer Fraktionen fühlen sich wegen fingierter Praktikumsanfragen getäuscht. Das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld hat im September per E-Mail Anfragen an Abgeordnete aller Parteien in sämtlichen deutschen Landtagen verschickt. Inhalt der Nachrichten war die Frage, ob bei der oder dem Abgeordneten ein Praktikum möglich sei. Sender und Senderinnen der E-Mails waren fiktiv, ihre Namen ausgedacht. So erklärt es die Pressestelle der Universität Bielefeld auf Nachfrage. Nach dem Zufallsprinzip habe das Institut vor dem Versand variiert, ob der Name der vorgeblich an einem Praktikum interessierten Person "auf eine deutsche oder eine nicht-deutsche Herkunft hindeutet". "Sehr geehrter Herr XY, mein Name ist Julia Günther. Nicht zuletzt aufgrund Ihrer Expertise zu Mobilität und Finanzen möchte ich Sie fragen, ob es prinzipiell möglich ist, dass ich bei Ihnen im Rahmen meines Studiums der Politikwissenschaften ein sechswöchiges Pflichtpraktikum (unbezahlt) machen könnte. Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören!" – so sah nach Auskunft der Uni eine der Anfragen aus. Unter der Grußformel standen demzufolge Namen, die entweder auf eine deutsche Herkunft schließen ließen (etwa Julia Günther) oder als nicht-deutsch gelesen werden könnten (Akeem Gumbwa oder Hüliya Güler). "Das kam mir merkwürdig vor" Mitte Oktober wurden die Abgeordneten über das Forschungsziel aufgeklärt. "In Wirklichkeit existieren diese Personen so nicht", heißt es in der E-Mail von Jens Hellmann und seinem Forschungsteam der Uni Bielefeld. Im Zuge eines vom Bundesinnenministerium geförderten Forschungsprojekts wolle man ergründen, ob es zu "möglichen Ungleichbehandlungen aufgrund einer (vermuteten) Herkunft des Absenders der E-Mail kommen" könne. Die Ethikkommission, erklärt die Uni gegenüber dieser Redaktion, habe das Studiendesign als unbedenklich eingestuft. Die Auswertung der gewonnenen Daten beginne erst noch. Abgeordnete reagieren mitunter empört. "Bei solchen Fake-Anfragen der Universität Bielefeld fragt man sich wirklich, welche Ideen dort eigentlich so alles mit Steuergeldern finanziert werden", sagt FDP-Fraktionsvize Marc Lürbke aus Paderborn. Die Rolle der Ethikkommission gehöre "dringend auf den Prüfstand. Mit Fake-Mails unterschwellig einen Rassismus in den Landtagsbüros zu unterstellen, ist eine Frechheit". Auch Bianca Winkelmann, stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende, wurde per E-Mail mit einer vermeintlichen Praktikumsanfrage kontaktiert. "Dass darin grundlegende Informationen wie Adresse, Semesterzahl, Praktikumszeitraum oder Motivation nicht genannt wurden, kam mir merkwürdig vor", sagt die Abgeordnete aus Minden-Lübbecke. "Deshalb habe ich auch nicht geantwortet." Landtagspräsident erwartet Stellungnahme Wohl wissend, dass die Wissenschaft frei in ihrer Arbeit ist, hält die CDU-Politikerin die Studie für wenig aussagekräftig. "Der Anlass einer solchen Vorgehensweise des Dr. Hellmann kann ja nur gewesen sein, gewählten Abgeordneten Fremdenfeindlichkeit zu unterstellen. Eine solche Unterstellung trifft mich persönlich sehr." Universität und Ethikrat hätten damit der Wissenschaft geschadet. "Das bedauere ich ausdrücklich." Der SPD-Abgeordnete Bastian Hartmann ist der Meinung, "dass auch Abgeordnete Gegenstand von Forschung sein dürfen". Er habe grundsätzlich nichts dagegen, dass wissenschaftliche Studien die prosozialen Handlungen von Abgeordneten untersuchen. Das Forschungsdesign mit fragwürdigen E-Mail-Domains sei in Zeiten von Spam-Angriffen vielleicht nicht die richtige Wahl gewesen. In Düsseldorf wird der Vorgang jetzt geprüft. Landtagspräsident André Kuper hat Hellmann angeschrieben. In dem Brief, der dieser Redaktion vorliegt, erklärt Kuper, es gebe fraktionsübergreifend "großes Unbehagen und Verärgerung über die Art und Weise des Forschungsprojekts im Umgang mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern, aber auch mit dem Verfassungsorgan Landtag". Er persönlich könne das Forschungsziel nachvollziehen, gleichwohl fordert der Landtagspräsident den Wissenschaftler zu einer Stellungnahme auf. "Offen ist auch die Frage, warum nur die Landtage und nicht der Bundestag selbst Teil Ihres Forschungsprojekts ist, das, wie Sie schreiben, von der Bundesministerin des Innern gefördert wird." Juristen verteidigen Methode Hellmann selbst war für ein Gespräch nicht zu erreichen. Christoph Gusy vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte der Universität Bielefeld sieht die wissenschaftliche Freiheit gewahrt. "Natürlich darf die Forschungsgruppe die Abgeordneten befragen – auch mit dieser zunächst verdeckten Methode hinsichtlich möglicher rassistischer Diskriminierung", sagt der Verfassungsrechtler im Gespräch mit dieser Redaktion. Derlei Forschung habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. "Die angewandten Methoden sind gang und gäbe." Die Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger, Jura-Professorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, kann dem Projekt ebenfalls nichts Problematisches abgewinnen. "Es handelt sich um übliche Forschungsmethoden, die zudem durch die Ethikkommission der Universität im konkreten Fall für unbedenklich erklärt wurden", sagt sie im Gespräch. "Das Forschungsdesign ist gerade nicht auf eine Gesinnungsprüfung gerichtet, sondern untersucht die Handlungsebene."

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