Reichsbürger in OWL: Warum sich die Region zum Hotspot entwickelte

Bielefeld. Sicherheitsbehörden rechnen in der Region Ostwestfalen-Lippe weiterhin Hunderte Personen der Szene der sogenannten Reichsbürger zu. Der Bielefelder Staatsschutz spricht in seinem kürzlich erschienen Jahresbericht für 2022 von insgesamt 383 Personen. 201 seien sicher dem Milieu zuzurechnen, bei 182 weiteren Personen gebe es Hinweise darauf. Im vergangenen Jahr war die Zahl noch deutlich höher und lag bei 468 Szene-Anhängern. Wahrscheinlich auch deswegen nennt der NRW-Verfassungsschutz die Zahl von 400 bis 500 Reichsbürgern in Ostwestfalen-Lippe. In der aktuellen Podcast-Folge sprechen wir über die unterschiedlichen Reichsbürger-Gruppierungen, über die Gefahr die von ihnen ausgeht und die Auswirkungen auf die Region. Reichsbürger in OWL - Alle Fakten im Überblick Gerade der ländliche Raum in OWL, zum Beispiel Minden-Lübbecke, gilt als Hochburg für die Reichsbürger-Szene. So liegen die regionalen Schwerpunkte der Gruppen "Indigenes Volk der Germaniten/Staat Germanitien" sowie "Germaniten/Germanitenpartei" in OWL. Die Reichsbürger-Organisation "Königreich Deutschland" (KRD) baut in Ostwestfalen-Lippe Strukturen auf. Einige Anhänger der sektenartigen Gruppe leben ohnehin in der Region, nun gibt es offenbar einen Zusammenschluss. Der vom Verfassungsschutz beobachtete &bdquo;Vaterländische Hilfsdienst" will das Deutsche Reich zurück. Ein junger Mann aus Bünde leitet eine der 24 Regionalgruppen. Trotz des Verbotes der Reichsbürger-Gruppierung "Geeinte deutsche Völker und Stämme" sind Anhänger an der Grenze zu OWL offenbar weiter munter aktiv. Die Bundesanwaltschaft rückte in OWL zu mehreren Razzien aus, Polizisten durchsuchten Wohnungen. Unter andere wurden vor allem Waffen und Drogen sichergestellt. Reichsbürger sind neben Nordrhein-Westfalen auch in anderen Bundesländern aktiv. Schon seit vielen Jahren gilt allerdings der eher ländliche Raum als Hotspot für Reichsbürger. Vor allem die Kreise Minden-Lübbecke (laut Staatsschutz 75 Reichsbürger), Herford (74) und Lippe (66) nennen Sicherheitsbehörden in diesem Kontext. Die Anhänger leugnen die Existenz der Bundesrepublik, begehen Straftaten, sind rechtsextremistisch. Manche gelten aufgrund ihrer Affinität zu Waffen als gefährlich. "Neben Revanchisten, die das Kaiserreich wieder errichten wollen, finden sich Antisemiten, Rechtsradikale und sogenannte Selbstverwalter, die ein eigenes Hoheitsgebiet nur für sich selbst fordern", berichtet die Bielefelder Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer. Im gesamten Bundesgebiet zählen Verfassungsschützer 3.400 Szene-Anhänger. Reichsbürger-Strukturen von OWL nach Mallorca Insgesamt ist die Reichsbürger-Szene in den Bundesländern heterogen, zwischen verschiedenen rechtsextremistischen Gruppen gibt es aber Schnittmengen. "Einig sind sich alle Gruppen in ihrer Ablehnung und Nichtakzeptanz der geltenden Rechtsordnung und staatlicher Autorität", sagt Müller-Steinhauer. In Ostwestfalen-Lippe sind mehrere Gruppen aktiv und im Visier der Polizisten. Bekannt ist die "Justiz-Opfer-Hilfe" (JOH), die weitere Strukturen wie eine angebliche Menschenrechtsorganisation oder eine Freikirche unterhält. Die JOH, deren Anhänger vor allem aus den ostwestfälischen Reichsbürger-Hochburgen wie Minden-Lübbecke stammen, bietet anderen Szene-Anhängern Rechtsberatung. Unter anderem in Porta-Westfalica, Bad Salzuflen und im niedersächsischen Rinteln betreibt sie Zweigstellen. Die neuste Meldung: Die JOH und die Substrukturen der Gruppe wollen nun auch ein "Amtsbüro" auf Mallorca haben. Reichsbürgerin erscheint nicht vor Gericht Wie der "juristische Beistand" der JOH aussieht, zeigt ein aktuelles Beispiel: Eine Reichsbürgerin aus Bad Salzuflen erhielt vor einigen Monaten einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von insgesamt 2.700 Euro, weil sie in einer Apotheke einen gefälschten Impfpass vorzeigte. Gegen diese Straftat zog sie vor das Amtsgericht Bielefeld, begründete die angebliche Unrechtmäßigkeit in verschiedenen kruden Schreiben der JOH, die sie an das Gericht schickte. Doch als es zur Verhandlung kommen sollte, erschien sie nicht vor Gericht. Ergebnis: Sie muss ihre Strafe zahlen. Ebenfalls in der Vergangenheit ins Visier der Ermittler gerückt ist der "Vaterländische Hilfsdienst" (VHD), dessen Anhänger vom Fortbestehen des Kaiserreichs ausgehen. Regelmäßig finden in der Region Treffen der Gruppe statt, zuletzt Anfang des Jahres in Bielefeld, davor in den Kreisen Herford und Lippe. Was Verfassungsschützer besorgt: An Treffen des VHD nehmen immer wieder Kinder teil, wie Fotos und Videos beweisen. Reichsbürger Teil der Delegitimierer-Szene: Polizei führt Razzien durch Immer wieder kam es in der Vergangenheit in OWL zu Polizeimaßnahmen. Die Bundesanwaltschaft führte Razzien gegen die Szene, bei der Polizisten Gebäude von teils Rechtsextremisten durchsuchten. Zum Beispiel Anfang 2020, als der Zusammenschluss "Geeinte deutsche Völker und Stämme" verboten wurde. Zwei Führungspersonen der Gruppe stammten aus den Kreisen Herford und Minden-Lübbecke. Die Chefin, die aus dem Raum Osnabrück stammt, wurde erst vor wenigen Monaten wegen verschiedenen Straftaten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Reichsbürger aus Minden-Lübbecke, Herford und Lippe überschneiden sich teilweise mit anderen Szenen, die ebenfalls vom Staatsschutz beobachtet werden. Zum Beispiel gibt es Gemeinsamkeiten mit der sogenannten Delegitimierer-Szene, entstanden aus den Corona-Protesten, die ebenfalls den Staat nicht anerkennt. In Detmold ist eine Person aus dem Umfeld der "Justiz-Opfer-Hilfe" beispielsweise maßgeblich an den wöchentlichen Protest-Spaziergängen beteiligt, in verschiedenen Telegram-Kanälen der Delegitimierer landen auch immer wieder Inhalte der JOH oder anderer Reichsbürger-Gruppen. In Telegram-Kanälen zeigt sich zudem, dass es offenbar einen personellen Zusammenschluss des "Königreich Deutschlands", einer Gruppe um den Promi-Reichsbürger Peter Fitzek ("König von Deutschland"), gibt. Er ist vor allem in dem Bundesland Sachsen-Anhalt aktiv. Hinzu kommen ostwestfälische Anhänger verschiedener weiterer Reichsbürger-Gruppen aus dem Milieu. Fitzek beging bereits mehrere Straftaten, unter anderem wurde er wegen unzulässiger Versicherungsgeschäfte verhaftet. Razzia bei Reichsbürgern in OWL: Polizistin suspendiert Dass Reichsbürger auch in Sicherheitskreisen zu finden sind, zeigt eine Reichsbürger-Razzia in Minden-Lübbecke. Die Bundesanwaltschaft hatte Razzien in mehreren Bundesländern angeordnet - unter anderem auch im Kreis Minden-Lübbecke. Dort wurde die Wohnung sowie der Arbeitsplatz einer Polizistin durchsucht, die im Verdacht stand, Verbindungen zur Reichsbürger-Szene zu haben. Die Polizistin wurde anschließend während eines Disziplinarverfahrens vom Dienst suspendiert.

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