Kita-Träger aus OWL schlagen Alarm: "Werden Einrichtungen schließen müssen"

"Wenn das Land nicht sofort gravierende Änderungen bei der Finanzierung vornimmt, werden Einrichtungen schließen müssen." Detlef Müller sagt das in aller Deutlichkeit, er ist Geschäftsführer von zwei der größten Träger in der Region, den Katholischen Kindertageseinrichtungen im Hochstift und Minden-Ravensberg-Lippe. So wie Müller geht es vielen Trägern in OWL, die für Hunderte Kitas zuständig sind. Auf Kreis-, aber auch auf Landesebene haben Dutzende von ihnen, darunter auch AWO und DRK, deshalb Brandbriefe an das Land unterschrieben. Der Städtetag und einzelne Kommunen haben sich hinter die Schreiben gestellt. Positivere Prognosen als Müller hat dabei niemand in petto. "Das ist jetzt nicht nur ein Hilferuf, das ist ein Aufschrei, der dringend ernst genommen werden muss", sagt Ingo Nürnberger, Sozialdezernent der Stadt Bielefeld, die sich als Träger ebenfalls öffentlich zu den Forderungen bekennt. "Die Landesregierung muss jetzt Tempo machen, es ist keine Zeit mehr für langwierige Prozesse in irgendwelchen Arbeitsgruppen." Schon lange ist die Notlage ein Thema, schon lange kritisieren Träger, dass die Finanzierung durch das Kinderbildungsgesetz KiBiz nicht auskömmlich ist. Nun verschärft sich die Lage durch die insgesamt gestiegenen Sach- und Betriebskosten und den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst. "Insbesondere die schon ab Juni zu zahlenden Sonderzahlungen werden zahlreiche Träger in große finanzielle Schwierigkeiten und Liquiditätsprobleme bringen", sagt eine Sprecherin des DRK-Landesverbandes Westfalen-Lippe. Träger aus Bielefeld: Budgets reichen für Personalkosten Bis zu einem Jahr lang müssen Träger derzeit in Vorfinanzierung gehen, bis es Anpassungen der Kindpauschalen vonseiten des Landes gibt. "Schon heute zeichnet sich ab, dass die KiBiz-Budgets am ersten August 2023 nicht mal ausreichen werden, um allein die Personalkosten zu finanzieren", sagt Geschäftsführer Detlef Müller. Zwar hat Familienministerin Josefine Paul (Grüne) eine Änderung des KiBiz für 2026 angekündigt. Das ist für viele Träger aber zu spät. So heißt es im Brandbrief aus dem Kreis Paderborn: "Ein Abwarten bis zur angekündigten KiBiz-Novellierung 2026/2027 werden wir betriebswirtschaftlich nicht überleben." Auch beim Städtetag NRW ist man sich der Dramatik bewusst. "Wenn sich nicht bald etwas ändert, droht ein Teil der Kita-Angebote von freien Trägern wegzubrechen", sagt der stellvertretende Vorsitzende Thomas Eiskirch. "Ministerin Paul muss besser heute als morgen eine Reform des Kinderbildungsgesetzes angehen." Der Landesanteil an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung müsse sich gerade bei den freien Trägern deutlich erhöhen. "Das ist eine Maßnahme, für die es keinen langen Reformprozess braucht, das lässt sich schnell umsetzen – die Landesregierung muss es nur wollen." Was den Kita-Trägern außerdem schnell helfen würde, sei eine bessere Finanzierung der Mietkosten und höhere Investitionszuschüsse durch das Land. Deutsches Rotes Kreuz Bielefeld: "Teufelskreis aus Überlastung und Krankmeldungen" Andere große Themen der Briefe sind der Fachkräftemangel und die Belastung des Personals. "Wir benötigen dringend einen anderen Personalschlüssel in den Einrichtungen", sagt Marco Eltner, Vorsitzender des DRK-Kreisverbands Bielefeld. "Wir befinden uns in einem Teufelskreis aus Überlastung, Krankmeldung und temporärer Schließung von Einrichtungen. Das kann und darf so nicht weitergehen, auch im Interesse der Kinder und Eltern." Zwar hat das Familienministerium Anfang des Jahres das "Sofortprogramm Kita" ins Leben gerufen. Hier wird allerdings ausschließlich der Einsatz von Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres, von Kinderpflegern und Kinderpflegerinnen sowie von Quereinsteigern unterstützt und gefördert. In ihrem Schreiben haben sich vor allem die Unterzeichner des Brandbriefs aus dem Kreis Paderborn dazu klar positioniert: "Vom 'Sofortprogramm' der Landesregierung versprechen wir uns keinerlei positive Effekte." Zentral ist deshalb die Forderung nach einer vollumfänglichen Finanzierung der Praxisintegrierten Ausbildung (PIA). "Diese Maßnahme ist es, die uns die zukünftigen Fachkräfte bringt", sagt Jana Marnitz, Geschäftsführerin der Bielefelder Kita Wirbelwind. "Und sie ist massiv unterfinanziert." Rund 44.000 Euro kostet die PIA pro Azubi, 16.000 Euro werden durch das KiBiz gefördert, bleiben 28.000 Euro bei den Trägern. Sozialdezernent aus Bielefeld ärgert Verschwendung enorm Die Behauptung, es gebe keine Fachkräfte, stimme schlichtweg nicht, betont Detlef Müller. "Es gibt jede Menge Bewerber und Bewerberinnen für die Praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher. 120 hätte ich im vergangenen Jahr für die Katholischen Kitas im Hochstift und in Minden-Ravensberg-Lippe einstellen können – aber das ist finanziell nicht zu stemmen. Und dann gehen uns diese Menschen verloren." Bielefelds Sozialdezernent Ingo Nürnberger ärgert diese Verschwendung nach eigenen Worten enorm. "Ich halte es deshalb für eine der wichtigsten Sofortmaßnahmen vonseiten des Landes, die Flexibilisierungszuschüsse für die Öffnungszeiten umzuwidmen, sodass die Träger sie in Ausbildung investieren können." Für Bielefeld wären das rund 700.000 Euro – umgerechnet 15 pädagogische Fachkräfte in spe. Eine Reaktion vom Land haben die Initiatoren der Brandbriefe noch nicht erhalten. Auf Anfrage dieser Redaktion teilt das Familienministerium mit: "Das Sofortprogramm Kita ist ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen, das wurde bereits bei der Vorstellung des Programms klar formuliert. Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration wird zu einem neuen Arbeitskreis einladen, in dem weitere mögliche Schritte herausgearbeitet werden sollen."

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