OWL-Kommunen funken vor dem Flüchtlingsgipfel SOS - das sind die Gründe

Bielefeld. Die Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel, der an diesem Donnerstag unter der Leitung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zusammenkommt, sind groß. Denn vor allem die Kommunen tragen enorme Belastungen. Es geht um Wohnraum, die finanzielle Ausstattung und Integration. Die Kommunen bewegten sich &bdquo;bei der Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten seit bald einem Jahr an den Grenzen des Leistbaren“, so der Städte- und Gemeindebund NRW. Der Landrat des Kreises Herford, Jürgen Müller (SPD), beobachtet eine ähnliche Entwicklung und sagt: &bdquo;Wir müssen bald Turnhallen wieder in Beschlag nehmen.“ Eckhardt Ruthemeyer, Bürgermeister der Stadt Soest und Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, fasst die Lage im Land so zusammen: &bdquo;Bei 224.000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und derzeit rund 1.000 Asylsuchenden pro Woche sind die personellen und räumlichen Kapazitäten erschöpft.“ Die Kommunen brauchten schnell finanzielle und organisatorische Entlastung. "Es braucht mehr Tempo beim Thema Integration" Die Stadt Bielefeld sei zwar aktuell nicht in einer Aufnahmeverpflichtung, da sie &bdquo;2022 sehr viele Menschen aus der Ukraine aufgenommen“ habe, sagte Ingo Nürnberger, Erster Beigeordneter der Stadt, auf Anfrage. Doch Nürnberger wünscht sich dringend &bdquo;noch mehr Innovation und Tempo beim Thema Integration“. Er nennt die Themen flexible Sprachkurse, schnellere Anerkennung von Qualifikationen, geeignete und finanziell abgesicherte Qualifikationsmaßnahmen sowie bessere Fördermöglichkeiten für nicht-ukrainische Flüchtlinge. In Minden sei man zwar in der vergleichsweise guten Lage, rund 1.300 Geflüchtete aus der Ukraine privat oder in Wohnungen untergebracht zu haben und so eine Übererfüllungsquote bei der Unterbringung von 120 Prozent erreicht zu haben, erläutert Stadtsprecherin Susann Lewerenz. Doch die Ausgabe für Soziales belasteten den städtischen Etat. Bei den Beschäftigten im Sozialbereich der Stadt seien Hunderte Überstunden angefallen. &bdquo;Wir haben in Minden in den Kitas keinen einzigen freien Platz mehr.“ Schulen arbeiteten fast durchweg bereits mit 30er Klassen. Es sei sinnvoll, Städten und Gemeinden in all diesen Bereichen mehr Luft zu verschaffen, auch für die Integration, sagt Lewerenz. "Wir können momentan keine Geflüchteten mehr aufnehmen" Spitzt sich die Lage bei der Unterbringung von Geflüchteten in Ostwestfalen-Lippe also so weit zu wie in den Jahren 2015/2016? Soweit möchte von den Befragten Vertretern der Kommunen niemand gehen. Doch alle machen deutlich: Es ist fünf vor zwölf. &bdquo;Wir können momentan keinen Geflüchteten mehr aufnehmen“, sagt etwa Marius Roll, Sprecher der Stadt Detmold. Zwischen 1.100 und 1.200 Geflüchtete halten sich seiner Schätzung zufolge ständig in der lippischen Residenzstadt auf. Vor knapp einem Jahr, kurz nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs, habe man es hinbekommen, innerhalb von nur sechs Wochen rund 1.200 Geflüchtete aus der Kriegsregion aufzunehmen. &bdquo;Die ganze Stadtgesellschaft“, so Roll, habe dabei mitgeholfen. Ein Engagement, das es bis heute gebe. Doch aktuell müsse man zudem feststellen: &bdquo;Wir haben ein wesentlich höheres Aufkommen von Asylbewerbern.“ Die Herrichtung von ehemaligen britischen Kasernen als Wohnunterkünfte habe dabei geholfen, die Situation im Griff zu behalten. Doch nun sei man bei der Unterbringung an eine Grenze geraten, so Roll. Der Flüchtlingsgipfel in Berlin müsse es hinbekommen, eine gleichmäßige Verteilung der Geflüchteten zwischen Bund und Ländern zu organisieren, so der Stadtsprecher. "Die Kostenfrage zugunsten der Kommunen klären" Natürlich sei auch die Finanzierung der Unterbringung ein Thema, die der Bund bisher nur zu 50 Prozent übernehme. &bdquo;Das reicht wirklich nicht“, so Roll. Diese Meinung vertritt auch Wolfgang Walter, Erster Beigeordneter der Stadt Paderborn. Der Berliner Gipfel müsse &bdquo;diese Kostenfrage endlich zugunsten der Kommunen klären“, so Walter auf Anfrage dieser Redaktion. &bdquo;Eine Hoffnung, die, so befürchte ich, wie so oft leider auf sehr wackeligen Beinen gründet.“ Da auch die Länder versuchten, vom Bund ihre Kosten erstattet zu bekommen, &bdquo;sind wir Städte und Gemeinden tatsächlich am Ende der Nahrungskette, obwohl wir den meisten Aufwand haben“, so der Beigeordnete. Im Jahr 2022 habe die Stadt Paderborn für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten etwa 3,6 Millionen Euro aus eigenen Mitteln aufgebracht, die Kosten für zusätzliche Kita- und Schulplätze und ähnliches nicht gerechnet, rechnet Walter vor. Aktuell habe die Stadt 694 Geflüchtete in eigenen Einrichtungen untergebracht. Damit seien die Aufnahmekapazitäten aktuell zu etwa 75 Prozent ausgeschöpft, mit einer Reserve von ungefähr 23 Prozent. &bdquo;Wenn man aber zur Einordnung weiß, dass allein 1.800 ukrainische Vertriebene in der Stadt Paderborn registriert sind und leben, erschließt sich sofort, wie prekär die tatsächliche Situation ist.“ Die meisten ukrainischen Geflüchteten lebten in privaten Wohnungen. "Es kann nicht sein, dass NRW mehr Ukrainer aufnimmt als Frankreich" Doch Milliarden Euro vom Bund alleine reichen nach Ansicht des Städte- und Gemeindebundes NRW nicht aus, um die Probleme vor Ort zu lösen. &bdquo;Es kann nicht sein, dass NRW mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufnimmt als ganz Frankreich“, sagt dessen Präsident Eckhardt Ruthemeyer. Es brauche zudem eine weitsichtigere Ausrichtung der Migrationspolitik.

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