Klagewelle gegen Familienzuschlag für Beamte in NRW droht

Düsseldorf/Rheda-Wiedenbrück. Die Bezüge von Beamtenfamilien mit mindestens zwei Kindern sind in Nordrhein-Westfalen (NRW) massiv gestiegen. Grund ist der seit Anfang Dezember neu geregelte Familienzuschlag. Unabhängig von der Besoldungsstufe kommen dadurch teilweise 1.000 Euro brutto oder mehr pro Monat zusammen. Dies benachteiligt diejenigen mit weniger oder gar keinen Kindern, sagen Beamtenverbände - und drohen jetzt Klagen an. Sollten diese Erfolg haben, könnte es teuer werden für NRW. Schon jetzt habe die Neustrukturierung des Familienzuschlags inklusive Nachzahlungen "für das Jahr 2022 für den Landeshaushalt zu Mehrausgaben von rund 445 Millionen Euro geführt", teilt das Finanzministerium auf Anfrage mit. "Die Erhöhung der Zahlungen für Familien mit Kindern ist wichtig und richtig. Dafür haben wir lange gekämpft. An diesen Beträgen soll sich nichts ändern", sagt Christian Friehoff vom Deutschen Richterbund NRW und Direktor des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück. Auch Daniela Zinkann, beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) für den Öffentlichen Dienst und Beamte zuständig, betont, dass sich der Unmut nicht gegen den neuen Familienzuschlag an sich richte. Problematisch sei aus Sicht der Verbände allerdings unter anderem eine mögliche Benachteiligung von kinderlosen und ledigen Beamten. Mehr als 2.000 Euro brutto Unterschied So erhält eine verheiratete Wachtmeisterin, die drei Kinder hat und in Köln wohnt, in der Besoldungsstufe A5 laut Finanzministerium NRW seit Dezember 2.185,49 Euro Familienzuschlag. Davor waren es 817,25 Euro - unabhängig vom Wohnort. Dieselbe Wachtmeisterin erhält mit einem Kind noch 698,63 Euro Zuschlag. Ohne Kinder sind es 148,94 Euro, also über 2.000 Euro brutto weniger als ihre Kollegin mit drei Kindern, obwohl beide denselben Job machen. Hintergrund der Neuregelung sind zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts aus 2020. Die höchsten deutschen Richter sahen damals das sogenannte Alimentationsprinzip verletzt. Nach diesem muss der Staat dafür sorgen, dass seine Beamten ihre Familien angemessen unterhalten können - und zwar in teuren Städten wie Düsseldorf oder Köln gleichermaßen wie in günstigeren Städten wie Enger oder auch Bielefeld. Der Landesgesetzgeber hat deshalb beschlossen, die Höhe des Familienzuschlags neben der Anzahl der Kinder auch vom Wohnort abhängig zu machen. Dabei orientiert er sich an den in der Wohngeldverordnung festgelegten sieben Mietstufen. Dies diene "der pauschalierten Berücksichtigung der kinderbedingten Mehrbedarfe bei den Unterkunftskosten in Abhängigkeit von den Wohnkosten an den jeweiligen Wohnorten", teilt das Finanzministerium mit. Richterbund NRW hält Regelung für rechtswidrig Christian Friehoff hält diese Regelung für rechtswidrig. Denn aufgrund der sich daraus ergebenden teilweise sehr hohen Zuschläge folge "die Besoldung nicht mehr dem Amt, sondern dem Familienstand und dem Wohnort nach". So würde die Wachtmeisterin mit drei Kindern in Köln bei einer angenommenen mittleren Erfahrungsstufe und einer Grundbesoldung von 2810,60 Euro durch den neuen Zuschlag 77,7 Prozent höhere Bezüge erhalten, während ihre verheiratete kinderlose Kollegin lediglich gut fünf Prozent mehr erhält. Sei diese ledig und kinderlos, erhielte sie nur die Grundbesoldung. Bei einer Richterin sei die prozentuale Differenz zwar geringer, aber immer noch unverhältnismäßig hoch. "Leute ohne Kinder sind aber ebenso von höheren Mieten betroffen. Daher sehen wir den Ausgleich von ortsgebundenen Mehrkosten nur für Beamtinnen und Beamte mit Kindern kritisch", sagt Daniela Zinkann vom DGB und stützt sich dabei auf ein vom Gewerkschaftsbund in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. Dies sei einer der Gründe, warum der DGB seinen Mitgliedern empfohlen habe, Widerspruch gegen die Höhe der Besoldung einzulegen und einen Antrag auf amtsangemessene Alimentation zu stellen. Hoffen auf einvernehmliche Lösung Für Richter und Staatsanwälte fordert Friehoff, "dass ein Großteil der Zuschläge in die Grundbesoldung übernommen wird. Davon würden auch diejenigen profitieren, die weniger oder gar keine Kinder haben". Dies sei dem Land aber zu teuer. So verweist das Finanzministerium auf Anfrage darauf, dass die Neuregelung der Familienzuschläge den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche. "Die Familienzuschläge mit Regionalisierungskomponente führen zu keiner Benachteiligung von kinderlosen Beamtinnen und Beamten", heißt es aus dem Ministerium. Patrick Schlüter von der Gewerkschaft der Polizei hofft dennoch, dass sich das Land auf weitere Gespräche einlässt, "um zu einer vernünftigen Lösung" zu kommen. Andernfalls könnte es wie in der Vergangenheit Musterklagen geben. Ein Zustand, den Daniela Zinkann vom DGB als "missliche Lage" kritisiert. Sie wünsche sich vielmehr eine einvernehmliche Lösung. Genau wie Friehoff und der Richterbund. Doch auch er ist skeptisch und sagt: "Wir sind an Lösungen interessiert. Wenn aber keine tragfähigen Lösungen gefunden werden, könnten Klagen unausweichlich sein."

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