Köln/Münster (epd/dpa). Kritiker des neuen Versammlungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen haben Verfassungsbeschwerde gegen das seit Januar 2022 geltende Gesetz erhoben. Der Verfassungsgerichtshof für das Land NRW in Münster bestätigte am Mittwoch den Eingang der Beschwerde zusammen mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Beschwerdeführer sind acht Mitglieder unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Organisationen aus NRW; koordiniert und eingereicht wurde die Beschwerde von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und dem Bündnis "Versammlungsgesetz NRW stoppen". Sie halten unter anderem neu eingeführte Straftatbestände, erweiterte Überwachungsbefugnisse und das Totalverbot von Versammlungen auf Autobahnen für verfassungswidrig. Sie wollen erreichen, dass das Gericht diese Vorschriften für nichtig erklärt. Per Eilantrag sollen einige davon zudem bereits vorläufig außer Kraft gesetzt werden.
„Wir wehren uns gegen die Überwachung und Beschränkung unserer Demonstrationen“, erklärte Iris Bernert-Leushacke, Sprecherin des Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen“. Kein anderes Bundesland habe ein derart restriktives Versammlungsgesetz.
Die Regelungen erschwerten friedlichen Protest und schreckten Menschen davon ab, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuüben, kritisierte Joschka Selinger, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte mit Sitz in Berlin. Die Ausführungen des Gesetzes zum Störungsverbot, zum Vermummungsverbot sowie zum Militanzverbot seien so weitreichend und unbestimmt formuliert, dass Protestierende nicht wissen könnten, wann sie sich strafbar machen.
Beschwerdeführer: Gesetzesverschärfungen zielen gegen Klimabewegung
Außerdem habe NRW die Befugnis zur staatlichen Videoüberwachung von Versammlungen enorm ausgeweitet, hieß es. Auch das könne einschüchtern und von der Teilnahme an Protesten abschrecken. Viele Gesetzesverschärfungen zielten insbesondere gegen die Klimabewegung, erklärten die Beschwerdeführer. So richte sich etwa das Versammlungsverbot auf Autobahnen eindeutig gegen Aktivisten, die den Autoverkehr unterbrechen, um auf die sich zuspitzende Klimakrise aufmerksam zu machen.
Das Bündnis "Versammlungsgesetz NRW stoppen" wird unter anderem von Gewerkschaften, Fridays for Future und der Linken unterstützt. Die Verfassungsbeschwerde wird den Angaben zufolge auch unterstützt vom Komitee für Grundrechte und Demokratie mit Sitz in Köln, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein.
Zu den acht Beschwerdeführenden aus unterschiedlichen zivilgesellschaftlicher Organisationen gehören unter anderem Michèle Winkler, politische Referentin im Komitee für Grundrechte und Demokratie, und der Sprecher des Erwerbslosenforums Deutschland, Martin Behrsing.