Dortmund (dpa). Steigende Preise und explodierende Energiekosten belasten viele Familien und wirken sich nach Experten-Einschätzung auch auf die Schulen aus. „Die Ängste in den Familien werden größer, die Problemlagen sind da“, berichtete die Vorsitzende der Landeselternkonferenz (LEK), Anke Staar, kurz vor Schulstart nach den Herbstferien in Nordrhein-Westfalen an diesem Montag. „Weiter wie bisher kann es leider nicht gehen“, schilderte der Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau. „Schulmensen haben sich teils auch auf steigende Preise eingestellt. Schulen müssen umplanen. Das gilt auch für Klassenfahrten.“
Die Landeselternkonferenz sieht Auswirkungen auf Schulen und Bildung, wie Staar sagte. „Wir alle wünschen uns, dass unsere Kinder nach der Pandemie wieder Ausflüge und Klassenfahrten machen können. Aber viele Eltern sagen, das geht aktuell nicht, sie können sich das nicht mehr leisten.“ Staar betonte: „Es trifft jetzt auch Schichten, die bisher keine finanzielle Unterstützung benötigten. Viele Familien stoßen nun erstmals an ihre finanziellen Grenzen.“ Manche kämen nun in eine „Beschämungssituation“, äußerten keine Einwände gegen teure Jahrgangsstufen- oder Abschlussfahrten, obwohl diese für sie nicht mehr erschwinglich seien.
Auch bei der Anschaffung von Materialien wie Farbmalkästen, Schulsportbedarf wie Badmintonschläger oder auch Beiträge für digitale Endgeräte werde es für zunehmend viele Elternhäuser eng. In den Schulkonferenzen sollten sich Eltern, Lehrkräfte und Schülerschaft „ehrlich machen“, was finanziell noch machbar sei. Man müsse offen diskutieren, ob Fahrten gekürzt, für geplante Ausflüge günstigere Alternativen gesucht oder ein Sozialfonds eingerichtet werden solle. Einfach nur an schulische Fördervereine zu verweisen, um etwa Zuschüsse zu erhalten, greife zu kurz. „Das kann die Schulstandorte sogar noch ungleicher machen.“ Denn Fördervereine seien ohnehin unterschiedlich gut ausgestattet - abhängig von Lage und Einkommen der einzahlenden Familien.
VBE-Landeschef Behlau erläuterte: „Alle Familien, die bisher an der Unterstützungsgrenze leben, versuchen es weiterhin, für sich zu schaffen und outen sich nicht oder selten als hilfsbedürftig.“ Ängste seien spürbar. „Alle rechnen mit weiteren Herausforderungen.“ Zugleich zeigte er sich überzeugt: „Die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen haben das im Blick und werden sich auf Veränderungen und Einschnitte bestmöglich einstellen.“
Armutstendenzen in der Mitte der Gesellschaft
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hieß es: „Es ist deutlich zu merken, dass mit den steigenden Preisen und der hohen Inflation Armutstendenzen in der Mitte der Gesellschaft ankommen - so auch an den Schulen.“ Die Landesvorsitzende Ayla Celik forderte: „Anstatt wichtige und auch pädagogisch bedeutsame Ausflüge, Exkursionen und Fahrten - wie Gedenkstättenfahrten - abzusagen, wäre eine gezielte Unterstützung der Familien durch die Politik erforderlich.“
Klassenfahrten haben eine wichtige pädagogische und soziale Bedeutung für die Klassengemeinschaft, ganz besonders in der Pandemie, unterstrich auch der Lehrerverband NRW. Fahrten für das laufende Schuljahr seien finanziell gesichert, weil bereits mit längerer Vorlaufzeit gebucht wurde, sagte Präsident Andreas Bartsch. Die weiteren Planungen sieht er aber wegen der aktuellen Belastungen der Elternhäuser „unter besonderen Vorzeichen“. Es gelte, „auch preiswertere Alternativziele in den Blick zu nehmen“. Also: „Statt Rom Trier oder statt Segeltour eine Wanderwoche im Mittelgebirge.“
Hilfen für Klassenfahrten möglich
Laut Sozialministerium können Kinder und Jugendliche grundsätzlich über einen Härtefallfonds Unterstützung bei der Mittagsverpflegung bekommen, wenn sie trotz Bedürftigkeit keine Leistungen aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket erhalten. Auch Hilfen für die Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt seien möglich, sofern der Fonds noch nicht mit der Mittagessen-Finanzierung ausgeschöpft sei. Bestehe Anspruch auf Sozialleistungen, würden Kinder aus Familien mit geringen Einkommen über das Bildungs- und Teilhabepaket gefördert.
„Sie sollen nicht von Kultur, Sport und Freizeit, Mittagessen, Ausflügen und Klassenfahrten, Schülerfahrkosten und Lernförderung ausgeschlossen sein, nur weil das Geld nicht reicht“, betonte das Ministerium in Düsseldorf. Unter anderem seien die Kostenübernahme für mehrtägige Fahrten oder eintägige Ausflüge mit der Schule oder auch eine Pauschale für Schulausstattung wie Sportzeug oder Taschenrechner vorgesehen.
Die LEK appellierte an die Politik, für alle Schülerinnen und Schüler eine kostenlose Nutzung von Bussen und Bahnen einzuführen. Damit würden Einsparungen bei den täglichen Schulfahrten erzielt und praktisch kostenfreie Wandertage oder schulische Gruppenausflüge ermöglicht, sagte Staar. „Wir müssen von den Kindern und Jugendlichen aus denken, für sie wäre das ein wichtiger Schritt.“