Keine Trennung von Amt und Mandat: Wie NRW-Politiker ihre Macht absichern

Düsseldorf. Die zwei Grünen-Ministerinnen in NRW, Mona Neubaur und Josefine Paul, behalten trotz ihres Ministerinnenamts ihre Landtagsmandate. Dadurch erhalten sie zusätzlich zu ihrer Ministerinnenbesoldung auch einen Teil der Abgeordnetendiät. Doch der Grund für ihre Entscheidung dürfte ein anderer sein. Neubaur und Paul sind im Mai über die Grünen-Landesliste in den Landtag eingezogen. Neubaur war zuvor NRW-Parteichefin und leitet nun das mächtige Wirtschafts- und Klimaministerium. Sie ist neu im Landtag. Paul war Fraktionschefin und ist jetzt Familien- und Integrationsministerin. Ihre Landtagsmandate wollen beide behalten. Für die Grünen ist das ungewöhnlich. Ihre Ministerinnen und Minister hatten gewonnene Landtagsmandate bislang an die Partei abgegeben, um so Nachrückern den Einzug in das Parlament zu ermöglichen. So zuletzt in der Zeit von 2012 bis 2017, als die Grünen mit der SPD regierten. Damals gaben Sylvia Löhrmann, Barbara Steffens und Johannes Remmel ihre Mandate ab, da sie als Minister Teil des Kabinetts waren. Lediglich die Zeit der Minderheitsregierung von 2010 bis 2012 bildete eine Ausnahme. Ulf Kemper, Politikwissenschaftler und Soziologe der Uni Bielefeld, verweist darauf, dass es &bdquo;gerade bei den Grünen“ eine Tradition der Trennung von Amt und Mandat gegeben habe. &bdquo;Ich bedaure aus demokratiepolitischen Gründen, dass die Partei davon abrückt“, so Kemper. Auch Oppositionspolitiker bezeichnen das Vorgehen hinter vorgehaltener Hand als &bdquo;für Grüne bemerkenswert“. Absicherung für den "theoretischen Fall" Politikwissenschaftler Kemper kann zugleich verstehen, dass neue Minister und Ministerinnen fürchteten, im Falle einer Abberufung oder eines Rücktritts ganz aus der Landespolitik ausscheiden zu müssen. Parteien hielten deshalb an der Praxis von Ministeramt und Landtagsmandat fest, weil davon ausgegangen werde, dass sie so über &bdquo;mehr Autorität“ verfügen. Grünen-Fraktionschefin Wibke Brems hatte das Festhalten Neubaurs und Pauls an ihren Mandaten damit erklärt, dass man sich für den &bdquo;rein theoretischen“ Fall absichern wolle, dass die neue Koalition mit der CDU vorzeitig scheitere. Tatsächlich ist das Festhalten am Mandat in der Politik nicht unüblich. So waren zum Beispiel auch Ministerinnen und Minister von CDU, SPD und FDP oft zugleich Mitglieder des Landtags. Hendrik Wüst verhalf das Mandat sogar zum Karrieresprung. Der Grund: Die Landesverfassung schreibt vor, dass nur ein Mitglied des Landtags in NRW Regierungschef werden kann. Wüst war damals nicht nur Verkehrsminister, sondern auch Landtagsabgeordneter. Seine zwei damaligen Mitbewerber, Ina Scharrenbach und Herbert Reul, erfüllten diese Voraussetzungen hingegen nicht, da sie kein Mandat hatten. Deshalb konnten sie keine Regierungschefs werden. Inzwischen haben beide Politiker nachgebessert: Reul kandidierte im Alter von 69 Jahren erfolgreich für den Landtag – 18 Jahre nach seiner letzten Mitgliedschaft in dem Parlament. Und Scharrenbach erhielt das Landtagsmandat nach der Wahl vom bisherigen Abgeordneten Daniel Sieveke, der jetzt ihr Staatssekretär im Bauministerium ist. Vor allem für Neubaur könnte das Mandat also doppelt wichtig sein. Schließlich ist die Grüne nach einem Rekordergebnis von 18,2 Prozent bereits Vize-Ministerpräsidentin. Wer weiß, wo sie ihre politische Reise in den nächsten Jahren noch hinführt. FDP-Politiker Pinkwart für eine Trennung In Deutschland findet sich nur in Bremen eine Regelung zur Trennung von Amt und Mandat. Dort heißt es, dass die Senatsmitglieder nicht gleichzeitig der Bürgerschaft angehören können. Doch auch in NRW gibt es Ausnahmen in anderen Parteien. FDP-Politiker Andreas Pinkwart hatte während seiner insgesamt zehn Jahre als stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister in NRW kein Landtagsmandat inne. Der 62-Jährige macht sich im Gespräch mit nw.de für eine Trennung von Ministeramt und Landtagsmandat stark. Wenn das Parlament nur aus Abgeordneten und nicht aus Ministern bestehe, verfüge es über eine größere Distanz zur Landesregierung und könne diese somit besser kontrollieren, so Pinkwart. Oppositionspolitiker in NRW verweisen darauf, dass solch eine Trennung bislang das Alleinstellungsmerkmal der Grünen war – und zunehmend verwässere. Tatsächlich gibt es bei den Grünen keinen Beschluss, wonach eine Trennung verpflichtend ist. &bdquo;Gewählte Abgeordnete können frei entscheiden, ob sie ihr Mandat annehmen oder es nicht tun“, erklärt eine Parteisprecherin auf Anfrage. Auch an einem anderen Punkt geht die Partei zunehmend einen anderen Weg. Eine Kombination von einem führenden Parteiamt – wie zum Beispiel der Mitgliedschaft im Landesvorstand – und der Mitgliedschaft in einem Parlament war in NRW nur bis 1991 komplett ausgeschlossen. Seitdem sei es eingeschränkt möglich. Vorausgesetzt, dass maximal ein Drittel des Landesvorstands und nicht mehr als ein Landesvorsitzender Mitglied des Parlaments seien. Wer sich so wie jetzt Neubaur und Paul dazu entscheidet, neben dem Ministeramt auch das Abgeordnetenmandat zu behalten, der erhält zudem mehr Geld. Im Abgeordnetengesetz des NRW-Landtags ist geregelt, dass Ministerinnen und Minister 42,8 Prozent ihrer Abgeordnetendiät erhalten, wenn sie zusätzlich Abgeordnete des Landtags bleiben. Landtagsmitglieder erhalten 11.700 Euro pro Monat. Bei Neubaur und Paul reduziert sich diese Summe demnach auf rund 5.000 Euro brutto, wie die Partei bestätigt.

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