Medikamente für Covid-Patienten: Ist der ersehnte Gamechanger endlich da?

Bielefeld. Seit mehr als zwei Jahren behandeln die Teams auf deutschen Intensivstationen schwerkranke Covid-19-Patienten. Dank der Schutzimpfung gegen das Coronavirus erkranken deutlich weniger Infizierte schwer. Zudem wurden schon mehrere Medikamente gegen Covid-19 zugelassen. Hunderte weitere Arzneimittel sind in Erprobung, teils neue, teils schon gegen andere Krankheiten zugelassene. Die Prognose von Covid-19-Patienten hat sich deutlich verbessert. Doch wo steht die Medikamentenforschung? Verfügen die Teams auf den Intensivstationen inzwischen über den ersehnten Gamechanger? Diese Frage beantworten die Mediziner Bernd Schönhofer und Mohamed Garhy klar mit Nein. &bdquo;Es gibt bislang nur einen Gamechanger und das ist die Impfung. Das zeigen die Entwicklungen der vergangenen Monate eindeutig, insbesondere die Bedeutung der Auffrischungsimpfungen“, erklärt Schönhofer, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am evangelischen Klinikum Bethel (EvKB). Schönhofer und sein Team behandeln derzeit wieder vier schwerkranke Covid-19-Patienten auf der Intensivstation. &bdquo;Sie sind alle nicht geimpft und zählen zur Risikogruppe.“ Trotzdem gibt es nach Angaben des Intensivmediziners mittlerweile auch große Fortschritte in der Medikamentenentwicklung. &bdquo;Inzwischen überleben 70 Prozent der schwerkranken Covid-19-Patienten, die beatmetet werden müssen. Das liegt auch an verbesserten Therapien.“ Wichtig seien Therapien mit Kortison, Gerinnungshemmern, Sauerstoff und künstlicher Beatmung, erklärt Mohamed Garhy, Oberarzt in der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am EvKB. &bdquo;Das sind alles bereits erprobte Mittel, die wir auch bei anderen Krankheiten einsetzen, um Symptome zu lindern.“ Antivirale Medikamente wirken gegen das Coronavirus Doch inzwischen sind nach Angaben Garhys auch Arzneimittel auf dem Markt, die gegen das Coronavirus wirken, sogenannte antivirale Medikamente. &bdquo;Zum einen künstliche Antikörper, die verhindern, dass das Virus in die Zelle eindringt. Zum anderen antivirale Medikamente, die in der Zelle verhindern, dass sich das Virus vermehrt.“ Das Robert Koch-Institut nennt künstliche Antikörper als erste Wahl für alle Menschen mit einem hohen Risiko für ein unzureichendes Impfansprechen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf. &bdquo;Empfohlen wird die Antikörper-Therapie derzeit Hochrisikogruppen, wie zum Beispiel Krebskranken oder Transplantierten. Sie erhalten die Antikörper-Therapie prophylaktisch und in der Regel alle vier Wochen in einer Ambulanz“, erklärt Garhy. Möglich sei die Therapie auch, wenn Hochrisikopatienten Kontakt zu einem Infizierten hatten oder infiziert sind. &bdquo;Antikörper sollten jedoch in der Frühphase der Erkrankung eingesetzt werden, maximal bis fünf Tage nach Symptombeginn.“ Da sich das Coronavirus jedoch stetig verändert, können künstliche Antikörper nach Angaben Schönhofers etwas von ihrer Wirksamkeit einbüßen. &bdquo;Das ist wie bei Impfungen. Die Treffsicherheit leidet, weil sich das Virus so schnell verändert und die Mittel immer wieder an neue Varianten angepasst werden müssen.“ Antivirale Medikamente wie Remdesivir, die die Vermehrung des Virus in der Zelle verhindern, seien von diesem Problem hingegen nicht so stark betroffen, sagt Schönhofer. Behandlungsempfehlungen ändern sich alle vier bis sechs Wochen Wichtig für die Wirksamkeit sei auch bei antiviralen Medikamenten der Zeitpunkt der Gabe, erklärt Garhy. &bdquo;Auch für die antiviralen Medikamente gilt, dass sie möglichst in der Frühphase der Erkrankung zum Einsatz kommen sollten, also in den ersten Tagen nach dem Symptombeginn. Doch wir setzen das Mittel auch bei schwerkranken Patienten ein.“ Auch diese Mittel werden derzeit Risikogruppen empfohlen. &bdquo;Die Leitlinien zur Behandlung von Covid-19-Patienten ändern sich jedoch alle vier bis sechs Wochen. Das ist eine unglaubliche Geschwindigkeit.“ Um die Behandlung von Covid-19-Patienten weiter zu verbessern, werden nach Angaben des Verbands forschender Arzneimittelhersteller derzeit weltweit mehr als 600 Medikamente darauf erprobt, ob sie auf die eine oder andere Weise hilfreich sein können. Problematisch ist in diesem Zusammenhang vor allem die Beschaffung der passenden Arzneimittel zum passenden Zeitpunkt, sagt Schönhofer. &bdquo;Die Logistik ist nach wie vor mit sehr viel Aufwand verbunden, denn bei der Behandlung auf der Intensivstation zählt jeder Tag, doch die neuen Mittel sind leider noch nicht so vorrätig wie Aspirin.“ Trotz der vielen Fortschritte in der Medikamentenentwicklung raten Schönhofer und Garhy dringend zur Impfung. &bdquo;Der Gamechanger bleibt die Impfung, die den besten Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf bietet. Zudem senkt die Impfung auch das Risiko für Post-Covid“, sagt Schönhofer.

Meistgelesen