Genesenenstatus: Bielefelder Familie erlebt Chaos nach positivem Selbsttest

Bielefeld/Detmold. Wird ein Kind in der Schule positiv getestet, hat es einen Anspruch auf einen PCR-Test. Machen Eltern den Test zuhause, und hat das Kind obendrein Symptome, steckt die Familie im Dilemma. Um einen gültigen Test zu erhalten, muss mancher gegen Vorschriften verstoßen. Eine Bielefelder Familie hat das erlebt. Am Sonntag testeten Michael G. (Name geändert) und seine Frau ihren Sohn, der fiebrig war und sich schlecht fühlte. Innerhalb kurzer Zeit wiesen drei Selbsttests das eindeutig positive Ergebnis auf. Nun begann die Odyssee. Die Familie wollte es nicht bei dem Selbsttest belassen. "Uns war es wichtig, per Bürgertest oder mit einem PCR-Test die Erkrankung offiziell zu dokumentieren - nur so kann er später Genesenenstatus erlangen", so Michael G. Der Status sei ihnen wichtig, weil bei dem Neunjährigen die zweite Impfung noch fehle. Sie stand kurz bevor. Aber: Ein privater Schnelltest zählt nicht offiziell und reicht als Anlass für einen PCR-Test nicht aus. An einen offiziellen Bürgertest war nicht einfach dranzukommen. Denn ein Testzentrum dürfen Menschen mit Symptomen nicht aufsuchen. "Wir haben versucht, uns Rat bei der Corona-Hotline der Stadt Bielefeld zu holen. Die ist nur montags bis freitags geschaltet." Die Lehrer des Sohnes wussten spontan auch keinen Rat. Die Kinderarztpraxis hatte am Sonntag sowieso geschlossen. Testverordnung widerspricht sich selbst Offenbar existiert zurzeit eine Regelungslücke. So legt die Testverordnung NRW in Paragraph 13 klar fest: "Personen, die ein positives Testergebnis eines Coronaselbsttests erhalten haben, sind verpflichtet, sich in einem Testzentrum oder bei der Hausärztin oder dem Hausarzt unverzüglich einem PCR-Test (Kontrolltest) zu unterziehen. Sie haben vorab die Teststelle vom positiven Selbsttest zu unterrichten." Gleichzeitig legt die Teststrukturverordnung aber fest, dass in den Testzentren nur asymptomatische Personen getestet werden sollen. "Tests von symptomatischen Personen sollen von niedergelassenen Ärzten erfolgen – dies hat die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe so geregelt", teilt eine Sprecherin der Stadt Bielefeld mit. "Lehnt der Haus- oder Kinderarzt eine Testung von symptomatischen Kindern ab, sollten sich Eltern an einen anderen Arzt wenden." Hier gebe es seit kurzem auf der KVWL-Seite eine Auflistung mit Praxen, die zusätzliche Infektionssprechstunden für praxisfremde Patienten anbieten. "Allerdings ist diese Übersicht neu und daher noch nicht sehr umfangreich." Trotz Symptomen zum Testzentrum gefahren Außerdem liege eine neue Teststrategie des Landes noch nicht vor. "Diese neue Strategie soll unter anderem klären, wann ein PCR-Test nötig ist und wann ein Schnell- oder Selbsttest ausreicht." Eine Unklarheit, die viele Familien Zeit und Nerven kosten dürfte - und die der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte NRW bereits vergangene Woche voraussah und anprangerte. "Wenn Kinder jetzt erkranken, erreichen sie nicht einmal mehr Genesenenstatus, weil wir ihnen keine PCRs mehr anbieten sollen", sagte Christiane Thiele, Landesvorsitzende für die Region Nordrhein. "Außerdem gibt es in der Quarantäne keine Sicherheit mehr, dass Eltern Betreuungszeiten ersetzt bekommen, da die Gesundheitsämter auf die schriftliche Anordnung verzichten. Wir sind die letzte Instanz, die von Eltern noch erreicht werden kann und die sich ihre Fragen anhört." Die Ärzte könnten sich nicht die fehlenden Antworten der Politik aus den Fingern saugen. Doch nicht nur für die genannten Fälle ist die offizielle Anerkennung der Erkrankung wichtig. Bei Kindern und Jugendlichen, die in Kita oder Schule an Covid erkranken, kann dies als Arbeitsunfall bei der Unfallversicherung gemeldet werden. Sie sind dann besser versorgt, bekommen bei Bedarf Reha-Leistungen und ärztliche Behandlungen erstattet, und sind auch bei Long-Covid-Symptomen besser abgesichert.Familie G. erhielt am Ende inoffiziell diesen Rat: Trotz Symptomen zum Testzentrum fahren, die Mitarbeiter dort über den positiven Befund zu Hause aufklären, einen offiziellen Schnelltest machen, vor Ort auf das Ergebnis warten und sofort Anspruch auf einen PCR-Test erheben. So würden es derzeit Hunderte Betroffene pro Woche tun. "Im Klartext heißt das: Wer sich verantwortungsvoll selbst testet, ist am Ende der Dumme, muss beim Anmelden für den Test lügen und gegen Vorschriften verstoßen", sagt Michael G. Hier brauche es zügig eine klarere Regelung.

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