Wie mögliche Amokläufer künftig früh erkannt werden sollen

Bielefeld. Er raste mit seinem Kleinbus in eine Menschenmenge in Münster - vier Menschen starben. Hätte die Amokfahrt des damals 48-Jährigen von 2018 verhindert werden können? In NRW setzen die Sicherheitsbehörden auf ein Pilotprojekt. Mit ersten Erfolgen - zum Beispiel in Bielefeld. Immer wieder kommt es zu Amoktaten. Erst vor gut einem Jahr steuerte ein Mann seinen Geländewagen durch die Innenstadt von Trier - er raste regelrecht. Fünf Menschen mussten sterben. Er steht aktuell vor Gericht. Gutachter gehen von einer Psychose aus. Oder im Juni in Würzburg. Ein Mann attackierte in der Innenstadt Passanten mit einem Messer, tötete drei Personen. Später wird auch in diesem Fall von einer psychischen Krankheit gesprochen. Anfang 2020 sorgte zudem ein junger Mann für Schrecken, als er im hessischen Volkmarsen (nahe der Grenze zu OWL) in eine Menschenmenge raste. Pilotphase in Bielefeld Im Sommer stellte NRW-Innenminister Herbert Reul ein Pilotprojekt vor, mit dem solche Amokläufer früh genug erkannt werden sollen. "Handlungs- und Prüffallkonzept zur Früherkennung von und dem Umgang mit Personen mit Risikopotenzial", heißt das Konzept im sperrigen Bürokraten-Deutsch. Abgekürzt: "Persikop." In drei Behörden lief die Pilotphase - unter anderem bei der Polizei Bielefeld. "Nach jeder Amoktat in den letzten Jahren habe ich mich gefragt: Hätte man sie verhindern können?", sagt Herbert Reul heute. "Nun, wo ich Periskop kenne, lautet die Frage: Hätten wir die Tat mit Periskop verhindert? Meine persönliche Einschätzung: Periskop hätte das Risiko minimiert." Denn dem Innenminister liegt ein erster Bericht mit Ergebnissen vor. "Oft senden Täter im Vorfeld Signale" "Oft senden die Täter im Vorfeld Signale, wir müssen sie aber auch frühzeitig erkennen, bewerten und entsprechend handeln", berichtet Reul. So heißt es, dass bei vergangenen Amoktaten Täter vorher regelmäßig Andeutungen gemacht hätten, bei Routinekontrollen der Polizei aufgefallen seien oder als "Vielschreiber" Behörden mit Briefen zugeschüttet hätten. Aus Sicht Reuls wurden diese Infos jedoch nicht zusammengebracht. In den drei Polizeibehörden wurden während der Pilotphase in der Zeit zwischen März und August dieses Jahres 35 Prüffälle bearbeitet, wie es vom NRW-Innenministerium heißt. Sollten dabei Gefahren erkannt worden sein, hätten weitere Behörden hinzugezogen werden müssen, etwa Gesundheits- und Ordnungsämter, oder auch Schulbehörden oder die Justiz. "Der Umgang mit Personen mit einem Risikopotenzial erfordert einen behörden- und institutionsübergreifenden Ansatz auf örtlicher Ebene, um alle Möglichkeiten zur Risikominimierung umfassend auszuschöpfen", heißt es dazu vom Innenministerium. Konkrete Fälle aus Bielefeld In dem Abschlussbericht werden zudem konkrete Fälle dargestellt. Nach Informationen von nw.de auch aus Bielefeld. Zum Beispiel wird über einen psychisch Kranken berichtet, der bereits aufgefallen war, weil er mit einem Samuraischwert in der Öffentlichkeit herumlief, zudem habe er gesagt, Menschen "hacken" zu müssen. Die Beamten beschafften sich Informationen im Umfeld der Person, suchten das Gespräch mit dem Mann. Offenbar mit Erfolg - die "Vorgangsbearbeitung" konnte abgeschlossen werden. Oder über einen anderen Mann aus Bielefeld. Demnach ein Frauenschläger. Er sei wegen seiner gewaltsamen Vergangenheit aufgefallen. Dabei stellte sich laut Bericht heraus: Er war im Besitz einer Maschinenpistole. Man hat schließlich einen Untersuchungshaftbefehl erwirken und die Schusswaffe sicherstellen können. "Periskop ist kein Allheilmittel, aber es bringt uns einen Riesenschritt nach vorne, wenn es um die Früherkennung von Personen mit Risikopotenzial geht", führt Reul aus. "Das Konzept hat sich in der Pilotphase bewährt, und die Resonanz anderer Institutionen wie Gesundheitsbehörden oder Schulen ist äußerst positiv - nach manch anfänglicher Skepsis." Nun werde geprüft, ob Periskop neben den Behörden in Bielefeld, Münster und Kleve auch in weiteren NRW-Polizeibehörden eingeführt wird.

Meistgelesen