Als wenige Blutspritzer den brutalen Automörder überführen

Paderborn. Als Elisabeth T. starb, war der Begriff &bdquo;cold case" in Deutschland noch völlig unbekannt. An einem Sonntagabend im Jahr 1993 wurde eine schwerst verletzte Frau von einem Autofahrer auf einer kleinen Straße bei Grundsteinheim, einem Ortsteil von Lichtenau, gefunden. Sie erlag ihnen Verletzungen wenig später im Krankenhaus. Erst nach drei Tagen stand fest, dass es sich bei der Toten um Elisabeth T. handelte, Leiterin des Warsteiner Jugendamtes. Bis jedoch der Mann bestraft werden konnte, der die 41-Jährige mit ihrem eigenen Fahrzeug zwei Mal überfahren hatte, vergingen zwölf Jahre. Der Täter wurde schließlich mithilfe von wenigen, kleinen Blutspritzern überführt, die der Aufmerksamkeit der Spurensicherung 1993 nicht entgangen waren. Doch konnten sie damals noch nicht ausgewertet werden. Ein klassischer &bdquo;cold case" also, den sich die Ermittler alle paar Jahre vornahmen, um die neuesten technischen Erkenntnismöglichkeiten anzuwenden. Im August 2004 mit Erfolg. Rückblick: Elisabeth T. ist am 10. Oktober 1993 auf dem Heimweg von Wurzen nach Paderborn. Als Mitglied einer Delegation aus Warstein hat die Leiterin des Jugendamtes dort in Sachsen das Wochenende in der Partnerstadt verbracht. Ihr Zuhause in Paderborn erreicht die Sozialpädagogin nicht. Um 22.30 Uhr findet sie ein Autofahrer auf einer Dorfstraße. Sie ist mehrfach mit einem Auto überrollt worden, wie ein paar Tage später der obduzierende Rechtsmediziner feststellt. Außerdem waren Elisabeth T. schwere Verletzungen im Kopf- und Halsbereich zugefügt worden. Erst nach drei Tagen kann die 41-Jährige dank einiger Hinweise aus der Bevölkerung identifiziert werden. Bekannte haben die auffällige Armbanduhr und Schmuck, den die Paderbornerin getragen hat, auf den von der Polizei veröffentlichen Fotos erkannt. Verschwunden bleibt hingegen ihr blauer VW Golf, mit dem Elisabeth T. unterwegs gewesen ist. Bundesweit wird nach nach dem Wagen gefahndet, für die Ergreifung des Täters setzt die Staatsanwaltschaft Paderborn eine Belohnung in Höhe von 3.000 D-Mark aus. Die Stadt Warstein erhöht sie auf 10.000 D-Mark. Der Golf wird in Detmold gefunden Die Ermittler suchen auch nach der Handtasche der Getöteten, nach ihrer Reisetasche sowie diversen Kleidungsstücken. Als der blaue Golf nach elf Tagen auf einem Parkstreifen in der Detmolder Innenstadt gefunden wird, glauben sich die Mitglieder der Mordkommission auf einer heißen Spur. Akribisch sichern sie alle Spuren, befragen rund um den Schubertplatz, wo das Fahrzeug möglicherweise längere Zeit abgestellt war, die Anwohner und verteilen Handzettel. Sie beugen sich über Knöllchen, die in den vergangenen Tagen in Detmold verteilt wurden, sichten die Filme der Starenkästen, die in und um die Stadt herum Temposünder ablichten. Als eine Frau einen jungen blonden Mann beschreibt, den sie im Golf von Elisabeth T. gesehen haben will, fertigen die Fahnder ein Phantombild an, das veröffentlicht wird. Doch vergebens. Nachdem die zehnköpfige Mordkommission 180 Spuren verfolgt hat, die letztlich alle im Sande verlaufen sind, wird das Team im November 1993 aufgelöst. &bdquo;Selbstverständlich wird in dem Fall weiter ermittelt", sagt ein Polizeisprecher. &bdquo;Sobald neue Erkenntnisse wieder auftauchen, wird der ganze Apparat wieder in Bewegung gesetzt." Das ist im Sommer 2004 der Fall. Als die kleinen Blutspritzer auf dem Mantel der Elisabeth T. erneut untersucht und mit der DNA-Datenbank, in der genetische Profile von Verbrechern archiviert sind, abgeglichen werden, gibt es einen Treffer. Das sichergestellte Erbgut entspricht dem von Reiner H., einem 33 Jahre alten Paderborner. Dass seine DNA in der Datenbank erfasst ist, hat seinen guten Grund. Er ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. H. ist mehrfach wegen Diebstahls, aber vor allem wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung vorbestraft. 1995, zwei Jahre nach dem Tod von Elisabeth T., hat ihn das Landgericht Paderborn zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt - mit anschließender Sicherungsverwahrung, trotz seines jungen Alters von damals erst 22 Jahren. Vier Frauen hat der Täter bereits überfallen Reiner H. gilt der Kammer als gefährlicher Straftäter. Er hat vier Frauen im Stadtgebiet Paderborns brutal überfallen: eine 17-Jährige, die im August 1994 vor ihm über eine kleine Landstraße radelte, griff er von hinten an, bedrohte sie mit einem Messer und zerrte sie in ein Maisfeld, wo er sie vergewaltigte. Zwei Monate später zwang er einer 18-Jährige in einem Sonnenstudio Sex auf. Zwei Frauen kamen mit dem Schrecken davon - eine wehrte sich heftigst, der anderen kamen Passanten zu Hilfe. Immer hatte er sich von hinten angeschlichen und erst Geld, dann Sex verlangt. Schon vor dieser Serie ist Reiner H. mit solchen Straftaten aufgefallen. Bereits als Jugendlicher war er in die Wohnungen von zwei Frauen, die er kannte, eingebrochen. Beide vergewaltigte er, zwei Jahre musste er dafür im Jugendgefängnis absitzen. Und so schätzen ihn die Richter 1994 als hoffnungslosen Fall ein. Sieben Jahre und zehn Monate Haft verhängen sie - und ordnen für den laut psychiatrischem Gutachten &bdquo;dissozialen Vergewaltiger" anschließend Sicherungsverwahrung an. Als Reiner H. das Urteil hört, springt er auf, setzt über die Brüstung der Anklagebank, läuft mit wenigen großen Schritten quer durch den Gerichtssaal und springt aus dem Fenster des Landgerichts. Den Sturz aus dem 1. Stock bringt ihm eine Unterschenkelfraktur ein. Ins Gefängnis muss er trotzdem. Und so sitzt er in der Justizvollzugsanstalt Werl, als ihn 2005 die Staatsanwaltschaft Paderborn für den Tod der Elisabeth T. verantwortlich macht und ihn wegen Totschlags anklagt. Sechs Tage lang verhandelt das Schwurgericht Paderborn. Mehr als 20 Zeugen und fünf Gutachter hören die Richter, während Reiner H. schweigt. Ein Butterfly-Messer, das am Tatort gefunden wurde, ordnet das Schwurgericht nach entsprechender Aussage seiner Ex-Frau dem Angeklagten zu - auch wenn sich an diesem nur die DNA von Elisabeth T. gefunden hat. Diese Waffe und die drei Blutstropfen auf dem Mantel der Paderbornerin überzeugen die Richter von der Schuld des jetzt 33 Jahre alten Mannes. Warum er es allerdings getan hat - das weiß bis heute niemand. Ob Elisabeth T. einem Raub zum Opfer fiel oder bei der Abwehr eines sexuellen Angriffs starb, bleibt Spekulation. Neun Jahre Gefängnis wegen Totschlags verhängen die Richter. Reiner H. schlägt die Hände vor das Gesicht und wendet sich nach der Urteilsverkündung an die Schwester der Elisabeth T. Sie hat als Nebenklägerin jeden Verhandlungstag verfolgt. &bdquo;Glauben Sie es mir. Ich bin es wirklich nicht gewesen. So eine brutale Tat. Die kann ich nicht begehen."

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