Dieser OWL-Kreis ist die Hochburg der Reichsbürger in der Region

Bielefeld. Der NRW-Verfassungsschutz sieht Ostwestfalen-Lippe noch immer als einen Brennpunkt für sogenannte Reichsbürger, die dem deutschen Staat die Legitimation absprechen - und das mit kruden Argumenten belegen wollen. Das zeigen auch die Zahlen: In der Region werden fast 400 Reichsbürger gezählt. Das Thema Reichsbürger haben die Sicherheitsbehörden erst relativ spät in den Fokus genommen. Genauer: seit 2016. Dem Reichsbürger Wolfgang P. aus dem bayrischen Georgensgmünd wurde seine Waffenbesitzkarte entzogen. Die Polizei rückte wenig später am Haus des Reichsbürgers an, um seine Waffensammlung zu beschlagnahmen. Doch bei dem Einsatz kam es zum Schusswechsel - ein Polizist wurde getötet, weitere Beamte verletzt. Die kruden Argumente der Szene Doch das Problem mit Reichsbürgern und sogenannten Selbstverwaltern ist älter. In den 1980er Jahren entstanden erste Gruppen. Die Annahmen der Reichsbürger sind häufig Verschwörungsmythen, wie zum Beispiel; das Deutsche Reich bestehe weiter - statt der Bundesrepublik. Deutschland habe keine gültige Verfassung. Oder bei der Bundesrepublik handele es sich um eine GmbH. Das wiederum bedeutet für die Szene, etwa Steuern und Bußgelder nicht zahlen oder Gerichtsbeschlüsse und Verwaltungsentscheidungen nicht befolgen zu müssen. Der Verfassungsschutz zählt in ganz Deutschland 20.000 Reichsbürger, vor allem im ländlichen Raum. Generell gelten drei Viertel aller Reichsbürger als männlich, zwischen 40 und 60 Jahren. 1.000 von ihnen gelten zudem auch als Rechtsextremisten. Der Verfassungsschutz stuft zehn Prozent der Reichsbürger in Deutschland als gewaltorientiert ein. Generell gilt die Szene zudem durchaus als waffenaffin. Mehrere hundert Personen sollen zumindest eine offizielle Waffenerlaubnis haben - das Dunkelfeld dürfte aber um einiges größer sein. Vielen Szene-Angehörigen wurde die Erlaubnis allerdings auch schon entzogen. Alleine in NRW wurde diese Maßnahme mehr als 120 mal durchgesetzt, in weiteren Fällen wird der Schritt geprüft. Ein Achtel der NRW-Reichsbürger aus OWL In NRW werden 3.200 Reichsbürger gezählt. Vom Verfassungsschutz im Bundesland heißt es, dass die Region OWL als ein regelrechter Hotspot für die Szene gilt. Exakt 395 Personen werden hier der Szene zugeordnet - also gut ein Achtel der Anhänger im Bundesland. Der Kreis Herford steht dabei an der Spitze (81 Personen), gefolgt von den Kreisen Gütersloh (59), Minden-Lübbecke (57) und Lippe (56). Im Kreis Paderborn werden 39 Personen gezählt, im Kreis Höxter 26 und in der Stadt Bielefeld 23. 54 Personen fallen in die Kategorie "sonstige Orte". Im vergangenen Jahr ist der Bielefelder Staatsschutz Reichsbürger-Hinweisen zu 68 Personen nachgegangen. Generell gelten Reichsbürger häufig als Einzelgänger. Es gibt aber auch Zusammenschlüsse, die gemeinsam agieren und gleiche Ziele verfolgen. Ein Beispiel dafür ist ist die mittlerweile verbotene Gruppierung "Geeinte deutsche Völker und Stämme". 2020 kam es zu mehreren Razzien, darunter in Bünde (Kreis Herford) und in Preußisch Oldendorf (Kreis Minden-Lübbecke). Die Mitglieder "bringen durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie deutlich zum Ausdruck", hieß es damals als Begründung für das Verbot aus dem Innenministerium. Beide von den Durchsuchungen betroffene Reichsbürger sind bereits zuvor etwa durch imfpleugnerische Flugblätter in Erscheinung getreten. Ein Sitz in Löhne In Löhne war zudem lange Zeit die "Justiz-Opfer-Hilfe" aktiv, die passende Reichsbürger-Beratung angeboten hatte. Sicherheitsbehörden sprachen von einer wichtigen Rolle in der Szene. Denn so verbreitete die "Justiz-Opfer-Hilfe" zum Beispiel Broschüren mit Scheinargumenten, mit denen man die angeblich fehlende rechtliche Legitimation von Richtern entlarven könne. Mitglieder wurden teils im extrem rechten Spektrum verortet, so gibt es beispielsweise Solidarisierungen mit der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck aus Vlotho. In den Geschäftsräumen in Löhne (Kreis Herford) war zudem eine "Botschaft" der Germaniten eingerichtet. Die Reichsbürger haben die Räumlichkeiten allerdings bereits vor einigen Jahren verlassen. Ein neuer Sitz wurde offenbar im niedersächsischen Rinteln gefunden. Im vergangenen Jahr wurde in OWL zudem die Reichsbürger-Gruppe "Ewiger Bund" auffällig. Im Sommer trafen sich gut 20 Anhänger am Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke). Mit dabei: verschiedene Fahne wie die Reichsflagge sowie ein Banner mit der Aufschrift "Deutschland kommt zu sich - komm einfach mit".

Meistgelesen