120.000 Raucher-Tote pro Jahr: Immer mehr junge Raucher in Kliniken

Berlin/Lemgo. Immer weniger Menschen in Deutschland rauchen, doch die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle von Rauchern steigen. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch wirkt, ist lediglich ein zeitlicher Verzug, denn die Raucher früherer Jahre bekommen häufig erst im Alter die Quittung. Mediziner beobachten aktuell jedoch auch immer jüngere Patienten, vor allem Frauen, die aufgrund von Tabakkonsum lebensbedrohlich erkranken. Pneumologe Maik Brandes erklärt, warum die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle von Rauchern in den nächsten Jahren sogar noch steigen wird. Verbreitung Die Zahl der Raucher in Deutschland geht seit Jahren zurück, doch nach Angaben des Instituts für Suchtforschung in Frankfurt raucht noch immer jeder vierte Mann und jede fünfte Frau. Vor allem Jugendliche greifen laut Direktor Heino Stöver immer seltener zur Zigarette, während es bei Männern nur leichte Rückgänge und bei Frauen kaum Veränderungen im Rauchverhalten gibt. Auch der Tabakverbrauch pro Kopf sinkt nach Angaben des statistischen Bundesamts seit Jahren. 2011 konsumierte im Schnitt noch jeder Erwachsene 1.305 Zigaretten, 2020 waren es 1.063. Das entspricht einem Rückgang um 19 Prozent. Allerdings hat die Corona-Krise das Problem wieder verschärft: Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse griffen 17 Prozent der Raucher in Deutschland während der Pandemie aufgrund von Stress, Überforderung und Sorgen deutlich häufiger zur Zigarette. Der grundsätzlich positive Trend, dass in Deutschland immer weniger Menschen rauchen, wird sich nach Angaben von Maik Brandes, Chefarzt der Klinik für Pneumologie des Klinikums Lippe, jedoch erst in Jahrzehnten bemerkbar machen. &bdquo;In vielen Fällen erkranken Raucher erst im Alter, nach jahrelangem Konsum, schwer." Zudem häufen sich laut Brandes die Fälle schwerer Erkrankungen bei jungen Rauchern, vor allem bei Frauen. &bdquo;Frauen haben im Vergleich zu Männern grundsätzlich ein höheres Risiko für schwere raucherspezifische Erkrankungen und sie erkranken häufig früher als Männer, mitunter schon im Alter zwischen 30 und 40 Jahren." Die Zahl der Patientinnen steige jedoch insgesamt deutlich an, ergänzt Brandes. &bdquo;Da Frauen erst ab den 1970er-Jahren nach und nach mit dem Rauchen begonnen haben, haben wir lange überwiegend Männer behandelt. Das ändert sich nun." Risiken Die Liste der Gesundheitsrisiken, die Raucher eingehen, ist lang. &bdquo;Rauchen kann alle Organe schädigen, erhöht das Risiko für viele Krankheiten und beschleunigt die Alterung, wodurch die Lebenserwartung sinkt", erklärt Brandes. Besonders häufig leiden Raucher nach Angaben des Pneumologen an Erkrankungen der Lunge, wie COPD. Die vier Buchstaben werden als Sammelbegriff für die chronische obstruktive Bronchitis und Lungenemphysem verwendet, die bei Betroffenen zu Atemnot, Husten und Auswurf führt und nicht heilbar ist. Allein in Westfalen-Lippe leben nach Angaben der AOK-Nordwest 387.000 COPD-Patienten. &bdquo;Rauchen erhöht auch das Risiko für Krebs. 90 Prozent der Lungenkrebserkrankungen entstehen durch Tabakkonsum", erklärt Brandes. Deutlich häufiger als Nicht-Raucher erkranken Raucher auch an Krebs im Nasen- und Rachenraum, Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Blase, Brust und Gebärmutter sowie an Leukämie. &bdquo;Zudem besteht eine große Gefahr durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle, da Rauchen die Blutgefäße schädigt." Auch an Diabetes erkranken Raucher laut Brandes deutlich häufiger als Nicht-Raucher. Nach Angaben des deutschen Krebsforschungszentrums sterben in Deutschland jährlich 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Das entspricht 13,5 Prozent aller Todesfälle. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gilt Rauchen deshalb als das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. &bdquo;Viele Krankheiten würden ohne das Rauchen gar nicht erst entstehen", sagt Brandes. Coronavirus Das RKI sieht Raucher in der Corona-Pandemie als besonders gefährdet, weil sie ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf haben. &bdquo;Raucher schaden mit dem Tabakkonsum ihre Abwehrkräfte insgesamt und auch die ihrer Lunge. Zudem leiden sie häufig an mehreren Krankheiten, sodass das Risiko für schwere Covid-19-Krankheitsverläufe deutlich erhöht sein kann." E-Zigaretten Hersteller von E-Zigaretten bewerben ihre Produkte häufig als gesunde Alternative zur Zigarette. &bdquo;Doch das stimmt nicht", warnt Brandes. &bdquo;Ebenso wie beim Rauchen werden dabei Giftstoffe in die Lunge und das Blut aufgenommen." Der Lungenspezialist verweist auf eine Studie aus den USA von 2019, die die Risiken des Dampfens in einer Langzeituntersuchung belegt. Demnach steigt das Risiko für Herzerkrankungen sowie für chronische Lungenkrankheiten wie COPD, wenn man E-Zigaretten konsumiert. Zudem befürchten Mediziner, dass die vor allem bei Jugendlichen beliebten E-Zigaretten als Einstieg zum Rauchen von Zigaretten führen. &bdquo;Das ist ein Trend, der die positive Entwicklung des Nicht-Rauchens vor allem bei Jugendlichen gefährdet", sagt Brandes. &bdquo;Die einzige gesunde Alternative zum Rauchen ist das Nicht-Rauchen." Aus diesem Grund unterstützt Brandes die Forderung nach einer höheren Tabaksteuer. &bdquo;Die zusätzlichen Einnahmen sollten in die Prävention und Gesundheitsversorgung investiert werden." Auch das geforderte Verbot von Tabakwerbung unterstützt der Pneumologe: &bdquo;Es hat einen Grund, warum der Marlboro-Mann schon lange tot ist."

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