"Teufelskreis" aus Verschwörungsmythen: So gelang die Flucht aus dem Sog

Bielefeld. Die Corona-Pandemie lässt Verschwörungsmythen enorm aufleben. Viele Menschen geraten in die Fänge der kruden Gedanke - und kommen nur schwer von ihnen los. Die Sekten-Info in NRW hat im vergangenen Jahr viele Personen beraten, die ihren Weg aus dem Labyrinth aus Mythen und Irrglauben finden wollen. Einer berichtet seine Geschichte. Vor allem durch Internet sei er mit Verschwörungstheorien in Berührung gekommen, berichtet einer, der den Ausstieg geschafft hat. Er will anonym bleiben - wir nennen ihn Max. Max ist mittlerweile um die 30. Ein Esoteriker und dessen Youtube-Videos haben ihn gepackt. Sie hörten sich "zunächst tiefgründig und auch irgendwie interessant" an, berichtet er. Verschiedene Themen des Weltgeschehens seien darin beleuchtet und so dargestellt worden, "als könne man sozusagen hinter die Kulissen dieses Geschehens blicken." Eines war immer gleich - die Botschaft, Vieles sei in Wirklichkeit ganz anders, als in den Medien berichtet. Immer größere Besorgnis Am Anfang sei es Faszination gewesen. Doch mit der Zeit habe der Inhalt der Videos für immer größere Besorgnis geführt, "was gleichzeitig wieder den Antrieb dafür bildete, auch das nächste Video zu 'konsumieren' und von da aus weiter zu 'recherchieren'", berichtet Max. "Letztlich ein Teufelskreis, was mir aber erst einige Zeit später wirklich bewusst wurde." Das zentrale Thema: ein "System der Weltverschwörung" mächtiger Kreise im Hintergrund. Darunter dürfte die Theorie der "Neuen Weltordnung" (englisch New World Order) fallen. Der Mythos beschreibt das angebliche Ziel von Eliten und Geheimgesellschaften, eine autoritäre, supranationale Weltregierung zu errichten. Während der Corona-Pandemie wurden Theorien wie diese salonfähig und erfuhren großen Zulauf. "Fakt ist, dass ich nach einiger Zeit daran geglaubt habe und mich auch im Internet dazu äußerte, in dem Glauben, dass diese Dinge wahr seien", sagt Max. Angst und Sorge haben ihn getrieben - "keine niederen Beweggründe. Ich dachte vielmehr, es sei erforderlich auf diese Dinge hinzuweisen", erzählt er weiter. "Ein Fass ohne Boden" Doch irgendwann habe er gemerkt, dass es sich bei den Verschwörungsmythen um "ein Fass ohne Boden" zu handeln schien. "Denn es gab immer noch ein weiteres Thema, das das Vorhergehende toppte", sagt Max. Egal, ob Chemtrails oder sogar Außerirdische. "Faktisch wurden diese Dinge immer belastender für mich und irgendwann war ein Punkt erreicht, an dem ich die Notbremse zog." Der bittere Grund: "Mir wurde klar, dass diese Dinge mittlerweile einen Teil meines Lebens eingenommen hatten und mich immer mehr ängstigten, denn vieles davon war sehr negativ." Max berichtet, er habe begonnen, den "Spieß umzudrehen". Anders gesagt: Er habe sich damit auseinandergesetzt, was gegen diese Mythen spricht. "Glücklicherweise hatte ich diesen Refleximpuls." Und: "Ich verspürte den Drang, dies tun zu müssen." Erschreckende Erkenntnis Er habe begonnen, zu hinterfragen. Auch den Esoteriker, der ihn durch seine Youtube-Videos erst in den Bann des Verschwörungsglaubens gezogen habe. "Das Ergebnis war für mich einigermaßen erschreckend, denn ich musste davon ausgehen, dass der Mann eventuell Bezüge zur Szene der Reichsbürger aufweist", beschreibt Max. "Er ist zwar ein absolut friedlicher Mensch, dennoch sehe ich gewisse Zusammenhänge zu dieser Thematik und ich hatte dies überhaupt nicht bemerkt." Max setzte sich weiter mit dem Thema auseinander. Ein Buch, das Verschwörungstheorien wissenschaftlich erläutert, habe schließlich für Erleuchtung gesorgt: "Mir wurde bewusst, dass Verschwörungstheorien in der Geschichte der Menschheit immer wieder auch zur Diffamierung diverser Gruppen oder Gruppierungen von Menschen durch - mehr oder weniger - erfundene und konstruierte Theorien verwendet wurden." Überrascht über Leichtgläubigkeit Mittlerweile sagt Max: "Ich war selbst überrascht über meine Leichtgläubigkeit." Er könne für sich selbst nicht mehr ausschließen, dass solche Verschwörungsmythen bewusst verbreitet werden, "auch wenn es noch so 'gut' oder 'tiefgründig' - im esoterischen Mantel verpackt - daherkommt." Und: Max bemerkte, dass das Gelingen einer solchen Verschwörung unwahrscheinlich ist. "Die Konsequenz aus alledem konnte nur sein, diese Dinge aus meinem Leben völlig zu verbannen." Seitdem hat er einiges geändert. Im Internet bewegt er sich nur noch sehr bewusst, sagt er. Informationen von dubiosen Quellen schenke er keinen Glauben mehr - oder lese sie erst gar nicht. Er habe Kontakt zur Sekten-Info NRW aufgenommen. "Dort zeigte man viel Verständnis, man kannte detailliert entsprechende Problematiken und ich erhielt weitere Aufklärung zum Thema", berichtet er. "Mir wurde auch berichtet, dass es sehr schnell gehen kann, dass man an derartige Theorien zu glauben beginnt, was psychologisch untersucht ist." Anderen Betroffenen rät er ebenfalls zum Gang zur Sektenhilfestelle. "Im Nachhinein betrachtet, tut es mir leid und ich bereue es. Es hat mich einige Monate meines Lebens gekostet und diese Zeit hätte ich in Sinnvolleres stecken können", sagt Max.

Meistgelesen