Corona-Mutanten in OWL: Kommt ein harter Lockdown wie in Flensburg?

Bielefeld. Die rasante Ausbreitung der britischen Coronavirus-Variante B.1.1.7 hat in Flensburg dazu geführt, dass dort ab kommenden Samstag eine Ausgangs- und Kontaktsperre gilt. Auch in der Region OWL wurden bereits Fälle der britschen Mutation gemeldet. Sind schärfere Maßnahmen auch in der Region zu erwarten? Ingo Nürnberger, Leiter des Bielefelder Corona-Krisenstabes, weist darauf hin: &bdquo;Flensburg hat einen Inzidenzwert von 185 und über 200 bestätigte Mutationen." In Bielefeld dagegen liege die Inzidenz bei 41 und es gebe bislang 36 laborbestätigte Mutationsfälle. Auch die Situation in den Bielefelder Kliniken habe sich im Vergleich zum Jahresbeginn verbessert. Die Situationen in Flensburg und Bielefeld sind nach Einschätzung von Nürnberger zum aktuellen Zeitpunkt demnach nicht miteinander vergleichbar. "Trotzdem beobachten wir die aktuelle Entwicklung in der Stadt natürlich genau und greifen bei bestätigten Mutationen rigoroser durch als bei einem normalen Corona-Fall", sagt der Krisenstabsleiter. So würden mehr Kontaktpersonen in Quarantäne geschickt. Deutlich strengere Regeln der Quarantäne-Anordnung "Die Öffnung der Schulen und die Rückkehr zu mehr Normalität in den Kitas in der nächsten Woche könnte zu höheren Infektionszahlen führen, darauf sind wir aber im Gesundheitsamt personell vorbereitet." Auch die sogenannten "Schnelltests für alle", die ab März eingeführt werden sollen, könnten zu mehr entdeckten Fällen führen. "Wir warten jetzt gespannt auf die neue Coronaschutzverordnung. Und sollte unser Inzidenzwert erneut kritische Werte übersteigen, müssten wir gegebenenfalls unser Vorgehen überprüfen." Das Vorgehen des Krisenstabes ergibt sich aus der aktuellen Corona-Schutzverordnung und den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, erklärt Florian Hemann, Sprecher des Kreises Minden-Lübbecke. "Die bewährten Maßnahmen werden entsprechend angewendet und können beispielsweise je nach Ausbruchsgeschehen die Schließung einzelner Einrichtungen bedeuten. Konkret gelten im Fall einer Mutation etwa deutlich strengere Regeln der Quarantäneanordnung und Kontaktnachverfolgung." Test von Kontaktpersonen bei Hinweisen auf Mutationen Der Kreis Gütersloh meldet, dass bei Hinweisen auf die Mutationen gezielt im Umfeld getestet werde. "Wir lassen inzwischen von allen positiven Proben, bei denen das geht, eine sogenannte Target-PCR machen, die die Varianten britisch, südafrikanisch und brasilianisch nachweisen kann", sagt Kreis-Sprecher Jan Focken. Seit vergangener Woche werde zudem eine anschließende Gensequenzierung durchgeführt, wenn im Target-PCR-Test eine Mutation nachgewiesen worden ist. Bislang galten bei Corona-Mutationen die gleichen Isolationsregeln und Quarantäneregeln wie zuvor, sagt Focken. Jetzt habe das Robert-Koch-Institut neue Regelungen empfohlen. "Wir warten darauf, dass das Land NRW diese in seine Verordnung übernimmt", so der Kreis-Sprecher. Ansonsten seien keine Vorkehrungen geplant. Bei weiterhin positiven Test verlängert sich die Quarantäne Auch im Kreis Lippe sind bereits mutierte Viren typisiert worden: Am Donnerstag wurden dort 21 Fälle der britschen Variante gemeldet. Statt Vorkehrungen werden bereits Strategien angewendet, sagt Kreis-Sprecher Steffen Adams: Die Kontaktpersonen der Personen, bei denen ein mutiertes Virus nachgewiesen ist, werden ebenfalls getestet – auch wenn sie keine Symptome aufzeigen. Zusätzlich werden alle Personen zweimal getestet. Bei weiterhin positiven Test verlängert sich die Quarantäne. Zudem werden alle Personen, bei denen die Typisierung eine mutierte Form des Virus zeigte, "erst dann aus der Quarantäne entlassen, wenn ein Test negativ ausfiel". Durch einen negativen Test können Kontaktpersonen die Quarantäne im Sinne der NRW-Quarantäneverordnung verkürzen. Dies gilt allerdings nicht für Personen, die im Kontakt mit Personen standen, die mit mutierten Viren infiziert sind - sie verbleiben mindestens 14 Tage in Quarantäne. "Virusmutationen aufhalten ist praktisch unmöglich" Die Bundesregierung fördert die bundesweite Genomsequenzierung der Viren, um einen besseren Überblick über die in Deutschland zirkulierenden Varianten des Coronavirus zu bekommen. "Mit Hilfe der Sequenzdaten kann die Evolution der Viren und das Auftreten neuer Varianten frühzeitig entdeckt werden. Auch der Eintrag neuer Varianten aus dem Ausland kann so zeitnah festgestellt werden", heißt es offiziell. Virusmutationen aufhalten ist praktisch unmöglich, sagt Cornelius Knabbe, Institutsdirektor der Laboratoriums- und Transfusionsmedizin am Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen. "Deshalb muss das Ziel sein, die Ausbreitung bestimmter Mutationen möglichst frühzeitig zu erkennen und diese mit verstärkten Schutzmaßnahmen einzudämmen", sagt der Professor. Wie werden die Mutationen entdeckt? Mehr als 12.000 Mutationen des Coronavirus seien mittlerweile bekannt - drei davon bereiten Experten aufgrund ihrer Infektiosität besondere Sorge. "Sie werden benannt nach den Ländern, in denen sie erstmals entdeckt wurden: Die britische Mutation B.1.1.7, die südafrikanische Virusvariante B.1.351 und die brasilianische Variante B.1.1.248." Seit Anfang Februar werden nach Angaben von Knabbe sämtliche positiven PCR-Abstriche in einem Screeningverfahren auf die sogenannte Leitmutation und weitere Auffälligkeiten hin untersucht. "Das nennt man auch Typisierung. Das Ergebnis dieses Screening Verfahrens liegt bereits am nächsten Tag vor, sodass bei negativem Ergebnis das Vorliegen einer der drei besonders infektiösen Mutanten ausgeschlossen werden kann." Anschließend werde in einem anschließenden Sequenzierungsverfahren das komplette Erbgut des Virus entschlüsselt. Dabei können laut Knabbe nicht nur die derzeit drei besonders infektiösen Mutanten identifiziert werden, sondern auch der Virusstamm und ob sich gegebenenfalls neue, bisher unbekannte Veränderungen entwickelt haben. Im Herz- und Diabeteszentrum dauert dieses Verfahren etwa zwei bis drei Tage. Die Sequenzdaten werden dann an eine nationale Datenbank beim Robert-Koch-Institut zur epidemiologischen Bewertung übermittelt.

Meistgelesen