Corona-Schutzimpfung: So drängeln sich Politiker und andere in NRW vor

Düsseldorf/ Bielefeld. Während vielerorts in NRW sogar noch das Personal auf Intensivstationen auf die Impfung gegen das Coronavirus warten muss, wächst die Zahl der Geimpften, die auf der Prioritätenliste nicht an erster Stelle stehen. Dazu zählen Politiker, Funktionäre der Feuerwehr und von Hilfsorganisationen sowie deren Ehepartner. Als Begründung heißt es stets, dass sie durch ihren Einsatz Impfstoffe vor der Vernichtung gerettet haben. Doch handelt es sich bei dem Vorgehen wirklich um eine Rettungsaktion oder haben sich die Geimpften schlicht vorgedrängelt? So ist die Lage in NRW. Unerwartete Bekanntheit erlangte im Januar Hennefs Bürgermeister Mario Dahm (SPD). Der 31-Jährige sowie einige Beigeordnete der Stadt haben bereits eine Corona-Schutzimpfung erhalten, entgegen der von der Bundesregierung vorgegeben Impfreihenfolge. Als Begründung hieß es vonseiten der Stadtverwaltung, dass in einem Altenheim Impfdosen übrig waren und die Verwaltung von der Kassenärztlichen Vereinigung kurzfristig das Angebot bekommen habe, &bdquo;für einen kleinen Anteil der übriggebliebenen Dosen Personen gemäß ihrer Pandemieplanung zu benennen". Dieser städtische Pandemieplan sieht auch &bdquo;systemkritische Personen, die zur Aufrechterhaltung der Verwaltung zwingend erforderlich sind", vor und so benannten sich Dahm und weitere Amtsträger selbst und wurden geimpft. Feuerwehr Köln: Kräfte aus Führung und Verwaltung bereits geimpft In Köln ließen sich Ende Januar zahlreiche Führungskräfte und Verwaltungsmitarbeiter der Feuerwehr impfen, während ihre besonders gefährdeten Kollegen im Rettungsdienst noch keine Impfung erhalten hatten. Von der Stadt heiß es dazu, dass die Mitarbeiter nur deshalb geimpft wurden, weil Mitarbeiter des Rettungsdienstes nicht für eine Impfung zur Verfügung gestanden hätten. Die Aussage überrascht jedoch viele Einsatzkräfte, da in Köln täglich mehrere Hundert Rettungskräfte im Einsatz sind und darauf spezialisiert sind innerhalb weniger Minuten an jedem Ort im Stadtgebiet zu sein. Auch in OWL gab es bereits mehrere Fälle, in denen Menschen entgegen der Impfreihenfolge, bereits eine Corona-Schutzimpfung erhalten haben, weil in Altenheimen Impfstoff übrig war. In Bielefeld wurden beim Impftermin im Martha-Stapenhorst-Heim des DRK 21 Personen geimpft, die nicht zur ersten Prioritätengruppe gehören, darunter DRK-Funktionäre, die keinen persönlichen Kontakt zu Bewohnern haben, und Ehepartner. Im Kreis Gütersloh wurden Anfang des Jahres in zwei Altenheimen jeweils etwa 40 Menschen geimpft, die weder in den Einrichtungen untergebracht sind noch dort arbeiten. Allerdings handelte es sich bei den Geimpften nicht um Funktionäre oder Amtsträger, sondern um Angehörige, die zufällig während des Impftermins im Heim waren oder nur wenige Minuten davon entfernt wohnen. Warum bleibt in Altenheimen so viel Impfstoff übrig? So unterschiedlich diese Fälle aus NRW sind, Hintergrund ist stets die Tatsache, dass bei Impfterminen in Altenheimen Impfstoff übrig bleibt und alle Beteiligten die Entsorgung des Impfstoffs verhindern wollen. Für die Nutzung dieser Impfdosen gibt es nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe jedoch eindeutige Vorgaben: &bdquo;Sofern Impfdosen unerwartet übrig bleiben, wird vor Ort in Abstimmung mit der Koordinierungseinheit des jeweiligen Kreises entschieden, wie dieser Impfstoff pragmatisch an andere Personen aus der ersten Prioritätengruppe verimpft werden kann", erklärt KVWL-Sprecherin Vanessa Pudlo. &bdquo;Wichtig ist, dass die Person der höchsten Priorität angehört." In den geschilderten Fällen gehörten die meisten Geimpften jedoch klar nicht zu dieser Gruppe. Zudem stellt sich die Frage, warum in Altenheimen Impfstoff, mitunter in großen Mengen, unerwartet übrig bleibt? Laut Pudlo fragt die Leitung eines Altenheims die Impfbereitschaft bei Bewohnern und Mitarbeiter ab und bestellt auf dieser Basis den benötigten Impfstoff. &bdquo;Die Lieferung der Impfstoffmenge erfolgt auf Basis der aufgegebenen Bestellung. Wenn aber Bewohner oder Mitarbeiter erkranken oder Bewohner kurzfristig ins Krankenhaus eingeliefert werden, kann es passieren, dass plötzlich zu viel Impfstoff vorhanden ist", sagt Pudlo. Das mag einzelne übrig geblieben Impfdosen erklären, doch auch 21 Impfdosen in Bielefeld oder 40 im Kreis Gütersloh? Gesundheitsminister: &bdquo;Ich habe für diese Vordrängelei kein Verständnis." Hier argumentieren Altenheime, so wie in Bielefeld, mit dem Argument, dass lange nicht klar war, ob ein Arzt nur fünf oder auch die möglichen sechs Impfdosen aus einer Ampulle entnehmen darf. Doch auch dieses Argument liefert keine Begründung, denn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfiehlt die Nutzung der sechsten Dosis bereits seit Ende Dezember. Bekannt ist auch seit langem, dass bereits angemischter Impfstoff innerhalb weniger Stunden verimpft werden muss. Nicht jedoch Impfstoff, der noch nicht bearbeitet wurde. Der kann laut KVWL zumindest für wenige Tage weiter im Kühlschrank gelagert werden, &bdquo;sodass die Impfung an eine andere Person aus der ersten Prioritätengruppe organisiert werden kann", erklärt Pudlo. Nach Angaben von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) melden die kommunalen Koordinationskreise den Bedarf an Impfstoff und das Gesundheitsministerium gibt die Mengen frei. Ob Missbrauch in diesem Bereich ein großes Thema sei, könne Laumann nicht beantworten. &bdquo;Ich kann nicht in jedem Altenheim zählen, wie viele Menschen bereit sind, sich impfen zu lassen." Kliniken werden kritisiert - Altenheimen nicht Mit Blick auf die Menschen, die entgegen der Impfreihenfolge bereits versorgt wurden, findet Laumann jedoch deutliche Worte: &bdquo;Ich habe für diese Vordrängelei überhaupt kein Verständnis." Übrig gebliebener Impfstoff dürfe nicht verkommen, doch profitieren sollten nur Menschen in der ersten Prioritätengruppe. Sanktionen nach Missbrauch lehnt Laumann jedoch ab.Im Vergleich zu Altenheimen geht die Landesregierung mit Krankenhäusern hart ins Gericht, wenn diese entgegen der Prioritätengruppen Impfstoff bestellen. Als unsolidarisch bezeichnete Anfang Februar das Gesundheitsministerium Kliniken, die nicht nur für das priorisierte Personal in Notaufnahmen und Corona-Stationen Impfstoff bestellen, sondern für alle Mitarbeiter. Deshalb begrenzt das Ministerium die Lieferungen an Kliniken pauschal auf höchstens 50 Prozent des Personals. Auch in anderen Bundesländern sorgt die Vergabe von überschüssigen Impfdosen in Altenheimen für Ärger. Gesundheitsminister Spahn (CDU) erklärt dazu, dass stets an der festgelegten Priorisierung unbedingt festgehalten werden muss. Dennoch müsse im konkreten Fall auch pragmatisch entschieden werden – beispielsweise könnten dann Mitglieder des Impfteams die Impfung erhalten: &bdquo;Im Zweifel ist alles besser als etwas wegzuwerfen".

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