„Ein befreiendes Gefühl“: So erleben drei Ostwestfalen die Corona-Schutzimpfung

Minden/Bünde/Löhne. Seit einem Monat wird in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. 64.000 Spritzen werden im Schnitt am Tag gesetzt. 1,7 Millionen Menschen sind mittlerweile geimpft worden, davon mehr als 366.000 zweimal. Davon profitiert haben bislang Altenheimbewohner, Pflegekräfte und Mediziner. Und so unterschiedlich sie die Pandemie auch belastet, nun verbindet sie ein befreiendes Gefühl, auf das der Großteil der Bevölkerung noch wartet. Drei Menschen aus OWL berichten, wie sie sich nach dem entscheidenden Piks in den Oberarm fühlen. Seniorin Anneliese Gerstmeir Seit dem 30. Dezember hat Anneliese Gerstmeir wieder Hoffnung. An dem Tag erhält die 90-Jährige ihre erste Impfung gegen das Coronavirus, drei Wochen später folgt die zweite. &bdquo;Das macht Hoffnung auf die Rückkehr zur Normalität. Ein wunderbares Gefühl", sagt Gerstmeir, die seit zehn Jahren in dem Pflegeheim &bdquo;Domizil an der Else" in Bünde (Kreis Herford) lebt. &bdquo;Endlich mal wieder Pläne schmieden, spontan Spaziergänge durch die Stadt machen oder einen Kaffee im Eiscafé genießen. Darauf freue ich mich", sagt Gerstmeir. &bdquo;Ich wünsche mir auch, dass meine Angehörigen und Freunde bald wieder ohne Anmeldung und Test kommen dürfen und, dass ich meine Schwägerin auf der anderen Station wieder regelmäßig besuchen darf." Die Wünsche der fitten Seniorin sind klein und offenbaren so, wie schwer das Leben in einem Pflegeheim durch die Pandemie geworden ist. &bdquo;Ich fühlte mich lange Zeit ausgeliefert und zur Untätigkeit verdammt, weil die Pandemie ja nur durch die Impfung beendet werden kann", erklärt Gerstmeir. Das Ende der Pandemie sei durch den Impfstart nun endlich in Sichtweite. &bdquo;Ich hoffe deshalb sehr, dass sich möglichst schnell möglichst viele Menschen impfen lassen." Bis es so weit ist, hofft die 90-Jährige, die die Entwicklungen der Krise in der Zeitung und sogar auf dem Tablet verfolgt, zumindest auf kleine Lockerungen im Pflegeheim. &bdquo;Ich weiß, wie wichtig die Schutzmaßnahmen sind und ich bin froh, dass das Domizil von einem Corona-Ausbruch verschont geblieben ist. Trotzdem wünsche ich mir zumindest kleine Schritte zurück zur Normalität." Pflegekraft Julia Büschenfeld Auf die Rückkehr zur Normalität freut sich seit ihrer ersten Corona-Schutzimpfung auch Altenpflegerin Julia Büschenfeld. &bdquo;Ich weiß noch genau, wie befreiend sich der erste Piks in den Oberarm angefühlt hat. Ich war total erleichtert und hoffe sehr, dass das Ende der Pandemie nun absehbar ist." Auch ihre Wünsche sind klein: &bdquo;Einfach mal wieder bei der Arbeit kurz die Maske abnehmen und ohne Sorge Angehörige und Freunde treffen." Die 37-Jährige und ihre Kollegen im Altenwohnheim Mennighüffen in Löhne (Kreis Herford) wissen, welche Folgen das Coronavirus haben kann. Denn als Ende Oktober das Virus in der Einrichtung ausbricht, beginnt für Bewohner und Mitarbeiter ein wochenlanger Alptraum. 18 Bewohner sterben in Folge des Ausbruchs. &bdquo;Es war eine Katastrophe, die wir alle nie vergessen werden", sagt Büschenfeld, die seit 15 Jahren in dem Altenwohnheim arbeitet. Büschenfeld infiziert sich, wie viele ihrer Kollegen auch, mit dem Coronavirus. &bdquo;Ich hatte vor dem Ausbruch nie Angst davor mich anzustecken, weil wir alle seit März streng auf die Schutzmaßnahmen achten und auch privat kaum noch Kontakte haben. Trotzdem brach es dann über uns herein." Auf eine anfängliche Arbeitsquarantäne folgt nach einem positiven Corona-Test die häusliche Isolation, insgesamt 20 Tage. &bdquo;Ich hatte Symptome eines heftigen grippalen Infekts", erklärt Büschenfeld. Hinzu kommt die Sorge um Kollegen und Bewohner. &bdquo;Es war eine grausame Zeit." Auch rückblickend kann sie nur fassungslos den Kopf schütteln. &bdquo;Ich hoffe nun, dass wir dank der Impfungen so etwas nie wieder erleben müssen und bin froh, dass ich so eine tolle Chefin und Kollegen habe, die mir bei der Verarbeitung helfen." Arzt Carsten Gartung Auch Mediziner Carsten Gartung kennt die mitunter tödlichen Folgen des Coronavirus. Als Leiter der Corona-Isolierstation im Johannes-Wesling-Klinikum Minden behandelt er seit Beginn der Pandemie Covid-19-Patienten. In den Hochphasen der Krise versorgen Gartung und sein Team auf vier Corona-Stationen bis zu 60 Patienten am Tag. Das Risiko, sich dort mit dem Coronavirus zu infizieren, ist groß. &bdquo;Ich hatte nie Angst davor mich zu infizieren, aber als der Piks dann kam, war ich sehr froh", sagt Gartung, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektionskrankheiten der Mühlenkreiskliniken. &bdquo;Es ist ein Lichtblick am Ende des Tunnels. Endlich geht es voran." Auch der 61-Jährige erinnert sich noch genau an den Tag seiner ersten Corona-Schutzimpfung. &bdquo;Es war der 18. Januar und die zweite soll am 8. Februar folgen", erklärt Gartung. Nun hofft der Mediziner, dass auch seine Kollegen, die bislang noch nicht geimpft werden konnten, bald immunisiert werden. &bdquo;Wir haben im Team überlegt, wer zuerst geimpft werden soll und die Wahl fiel dabei auch auf mich. Als Chef bin ich da in der schwierigen Situation nicht vordrängeln zu wollen, aber auch als Vorbild agieren zu können." Und diese Rolle übernimmt Gartung mit großer Freude, &bdquo;da wir nur mit der Impfung die Pandemie beenden können". Nach ihren Corona-Schutzimpfungen wünschen sich Mediziner Carsten Gartung, Altenpflegerin Julia Büschenfeld und Pflegeheimbewohnerin Anneliese Gerstmeir, dass möglichst schnell, möglichst viele Menschen bald auch den befreienden Piks im Oberarm spüren können.

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