Sterbehilfe: Evangelische Kirche unseins bei Frage über Leben und Tod

Bielefeld. Innerhalb der evangelischen Kirche gehen die Meinungen über eine neue Positionierung zur Sterbehilfe auseinander. Nach dem Vorstoß von drei Theologen, assistierten professionellen Suizid in kirchlich-diakonischen Einrichtungen zu ermöglichen, kommt auch Kritik aus Bielefeld. Die Evangelische Kirche von Westfalen, mit Sitz in Bielefeld, lehnt jede organisierte Hilfe zum Suizid ausdrücklich ab. Mit Verweis auf die Stellungnahme der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) teilt die Einrichtung mit, dass sie sich für den Schutz des Lebens einsetze. Die EKD stehe "auch an der Seite derer, die aufgrund von Erkrankung oder einer anderen Notsituation keinen anderen Ausweg als die Selbsttötung sehen", sagt Sprecher Carsten Splitt. "Dass Menschen nur noch die Möglichkeit des Suizids sehen, ist immer eine tragische Grenzsituation." Die EKD und ihre Diakonie seien bemüht, durch die Bereitstellung palliativer Versorgung, Seelsorge, Beratung und die Arbeit der Hospize derartige Grenzsituationen zu verhindern. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung über den Umgang mit Leid und Tod hält die Evangelische Kirche von Westfalen für notwendig. "Zu diesem Diskurs können auch evangelische Stimmen beitragen, die von der klaren Position des Rates der EKD abweichen", betont Splitt. Ambulanter Hospizdienst Lippe will Sterbenswünsche ernst nehmen Auch die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel verweigern Angebote von assistiertem Suizid in diakonischen Einrichtungen. Aufgabe der Diakonie in der Begleitung Sterbender sei es, Leiden zu lindern und die Menschen seelsorgerlich und geistlich zu begleiten, nicht aber systematisch den Tod von Sterbewilligen herbeizuführen, sagte der Bethel-Vorstandsvorsitzende Ulrich Pohl gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Ähnlich äußert sich der Ambulante Hospizdienst Lippe. In einem Positionspapier stellt die Einrichtung klar, dass es nicht zu den Aufgaben der Mitarbeitenden gehöre, von sich aus die Beihilfe zum Suizid anzubieten und anzusprechen. "Sie wird seitens unseres Vereins weder beworben noch angeboten." Dennoch verfolge der Hospizdienst den Ansatz, Sterbewünsche ernst zu nehmen und Menschen am Lebensende zu begleiten - auch wenn sie einen assistierten Suizid planen. Der Ethikmediziner Fred Salomon, der das Positionspapier mit aufgesetzt hat, erklärt, dass es dabei allerdings ausschließlich um die Begleitung gehe, nicht etwa um die Beschaffung von Medikamenten. Es werde versucht, andere Möglichkeiten aufzuzeigen, ein würdevolles Lebensende zu erreichen. &bdquo;Suizid ist keine moralisch verantwortbare Möglichkeit" Klare Worte zur Beihilfe zum Suizid kommen von katholischer Seite: &bdquo;Suizid ist keine moralisch verantwortbare Möglichkeit", sagt der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker. Selbstbestimmung und menschliche Freiheit dürften sich nicht gegen das Leben selbst wenden. Es könne nie um eine &bdquo;Hilfe zum Sterben" gehen, so der Erzbischof. Die &bdquo;Hilfe beim Sterben", wie sie etwa in Hospizen und durch die Palliativmedizin geleistet wird, sei der einzige Weg, den der Respekt vor der Würde des Menschen und die Nächstenliebe gebieten. Auslöser der Debatte waren führende protestantische Theologen, die sich jüngst dafür ausgesprochen hatten, in Deutschland einen assistierten professionellen Suizid auch in kirchlichen Einrichtungen zu ermöglichen. Lange Schuldgeschichte im Umgang mit Suizidenten Dies könne bedeuten, "abgesicherte Möglichkeiten eines assistierten Suizids in den eigenen Häusern anzubieten oder zumindest zuzulassen und zu begleiten", schreiben unter anderen der Vorsitzende der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Reiner Anselm, und der Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverband Diakonie, Ulrich Lilie, in einem Gastbeitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. &bdquo;Leider gibt es im Umgang mit Suizidenten durch die Kirche eine lange Schuldgeschichte", heißt es in der Stellungnahme weiter. Ärztepräsident Klaus Reinhardt fordert die Bundestagsparteien auf, Sterbehilfe neu zu regeln. "Das Verfassungsgericht hat zwar das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe gekippt, gleichzeitig aber auf Schutzkonzepte und Sicherungsmechanismen hingewiesen, um Sterbehilfeorganisationen Grenzen zu setzen", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Solange das nicht geschieht, können selbst ernannte Sterbehelfer machen, was sie wollten. Das kann und darf so nicht bleiben", kritisierte Reinhardt. Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof plädiert ebenfalls dafür, das geltende Recht zur Sterbehilfe zu überdenken. Kirchhof forderte, die Unterscheidung von aktiver und passiver Sterbehilfe zu prüfen. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben erlaubt Dritten die Assistenz "Wenn der Patient auf Apparate angewiesen ist, macht es für die rechtliche Bewertung kaum einen Unterschied, ob der Arzt aktiv den Apparat abschaltet oder passiv die Zufuhr der lebensnotwendigen Mittel unterlässt", schreibt er in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Hintergrund der Debatte über Sterbehilfe ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar vergangenen Jahres. Dabei wurde den Klagen von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und Einzelpersonen Recht gegeben, die sich gegen das 2015 verabschiedete Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung richteten. Die Karlsruher Richter erklärten das entsprechende Gesetz für nichtig und begründeten das mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube.

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