Corona bei Tönnies: „Erwarte lückenlose Aufklärung des Desasters“

Rheda-Wiedenbrück/Bielefeld. Gewerkschafter und Politiker haben zu dem neuen massiven Corona-Ausbruch unter den Beschäftigten des Fleischkonzerns Tönnies im Kreis Gütersloh Stellung bezogen – ihr Urteil ist in der Stoßrichtung einmütig. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann, spricht von einer &bdquo;Katastrophe". Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann solle &bdquo;bloß nicht so tun, als habe er dafür keine Verantwortung". Spätestens seit den Vorfällen bei Westfleisch &bdquo;hätte er alarmiert sein und genauer hinschauen müssen". Allerdings ist Karl-Josef Laumann (CDU) selbst verärgert. &bdquo;Die Unterkünfte in der Fleischindustrie sind zum Teil katastrophal", so kommentiert er die Ergebnisse einer Überprüfung von Unterkünften für Beschäftigte der Fleischindustrie durch das NRW-Arbeitsministerium. In 650 Wohnungen gab es laut Kölner Stadt-Anzeiger 1.900 Beanstandungen. &bdquo;Ob fehlender Brandschutz, Einsturzgefahr oder die Missachtung einfachster hygienischer Vorschriften: Hier wird – offenbar aus Gründen der Profitmaximierung – mit der Gesundheit der Beschäftigten gespielt. Das ist unverantwortlich", schimpft Laumann. Anke Unger, die Geschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in OWL, spricht von Fahrlässigkeit: Tönnies &bdquo;hätte auf die Erfahrungen bei Westfleisch reagieren müssen." Dies sei aber offenbar nicht in ausreichendem Maße geschehen. &bdquo;Es ist deutlich geworden, dass die betroffen sind, die miteinander gearbeitet haben. Die Leidtragenden sind die Erkrankten sowie die Familien im Kreis Gütersloh." Da nun Kitas und Schulen schließen müssten, sei es möglich, dass nun in Firmen Mitarbeiter fehlten, die sich um ihre Kinder kümmern müssen. Harsche Worte findet auch der Bielefelder Bundestagsabgeordnete Friedrich Straetmanns (Die Linke): &bdquo;Man gerät in Rage über diese erschreckenden Zahlen und das offensichtliche Versagen der Firma Tönnies." Entweder seien die ergriffenen Maßnahmen völlig wirkungslos gewesen, oder es seien Arbeitsschutz- und Hygiene-Auflagen von Tönnies missachtet worden. Die Corona-Lockerungen müssten nun im Kreis Gütersloh zurückgefahren werden, so Straetmanns: &bdquo;Das System Tönnies stellt in der aktuellen Lage eine Gefahr für die gesamte Region OWL dar." Die Schließung des Schlachtbetriebs sei als erste Konsequenz &bdquo;richtig und unumgänglich", findet die Gütersloher SPD-Bundestagsabgeordnete Elvan Korkmaz-Emre. Nun seien &bdquo;eine schnelle und gründliche Nachverfolgung der Infektionsketten und wirksame Schutzmaßnahmen" notwendig. Und: &bdquo;Ich erwarte eine lückenlose Aufklärung, wie es zu diesem Desaster kommen konnte. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vermutete einen zu laschen Umgang mit den Hygiene-Regeln in dem Betrieb als Grund für den Corona-Ausbruch. &bdquo;Das Hygiene-Konzept muss komplett versagt haben", sagte Lauterbach den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Die hohe Zahl an Neuinfizierten in der Belegschaft lasse sich eigentlich nur damit erklären, dass viele Mitarbeiter auf das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken verzichtet hätten. Auch der Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) hält ein unzureichendes Hygienekonzept laut Medienberichten für die Ursache der Ausbreitung des Coronavirus. &bdquo;Ich erwarte von den Eigentümern und dem Management der Tönnies-Gruppe, dass sie dafür die Verantwortung übernehmen", sagte Brinkhaus. Ein &bdquo;Weiter so" dürfe es nicht geben. &bdquo;Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sowie der Beschäftigten muss absolute Priorität insbesondere vor wirtschaftlichen Interessen haben", betonte der CDU-Bundestagsabgeordnete, in dessen Wahlkreis der Tönnies-Konzern seinen Sitz hat.

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