Coronavirus Ist es okay, persönliche Daten zu erfassen, um die Pandemie einzugrenzen?

Bielefeld. "Wird denn der Stift desinfiziert", fragte ein Mann und lacht. Die Verkäuferin in einem Café in Bielefeld hat ihn gerade aufgefordert, Namen und Telefonnummer in eine Liste einzutragen. Er kommt der Aufforderung nach und bekommt seinen Latte. Unmittelbar nach ihm tragen sich zwei junge Frauen in die Liste ein. Auch sie zögern kurz, bevor sie den Stift anfassen, tun es dann aber doch. Der Wunsch nach einem Kaffee ist wohl größer als die Angst vor einer Infektion. Wenn jemand infiziert ist, würden die Menschen auf der Liste informiert, heißt es von der Barista. Ähnlich hält es die Deutsche Bahn mit ihren Aussteigekarten, auf denen man aber noch mehr persönliche Daten angeben soll, wenn es im Zug einen Verdachtsfall gab. Datensammlung um die Pandemie einzugrenzen "Der ausschließliche Gebrauch darf sein, Menschen zu benachrichtigen und aufzufinden, die sich angesteckt haben könnten - aber bitte keinerlei andere Nutzung", sagt padeluun vom Bielefelder Datenschutzverein Digitalcourage auf die Situation angesprochen. Dann sei die Datensammlung völlig in Ordnung, um die Pandemie abzuwehren. "Krisenregelungen dürfen aber nicht zum Normalfall werden", betont er. Außerdem müsse die Maßnahme kommuniziert werden und freiwillig erfolgen. "Bei allen Maßnahmen muss auch Datenschutz mitgedacht werden.Also: Löschmöglichkeiten, Betroffenenrechte, Datensicherheit." RKI wertet Daten der Telekom aus Weiter geht seit Anfang dieser Woche die israelische Regierung. Im Kampf gegen das Coronavirus hat Israels geschäftsführender Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Inlandsgeheimdienst Schin Bet mit der Sammlung von Daten über Infizierte und deren Kontaktpersonen beauftragt. Welche Überwachungstechnologien der Geheimdienst genau einsetzen darf, gab die Regierung nicht bekannt. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf ihnen zugespielte Regierungsdokumente, dass der Geheimdienst etwa Daten von Corona-Patienten sowie unter Quarantäne stehenden Menschen ohne gerichtliche Anordnung von Telekommunikationsfirmen abfragen darf. Deutschland geht nicht ganz so weit, wertet aber auch Daten aus: Anonymisierte Handydaten sollen dem Robert-Koch-Institut (RKI) helfen, den Erfolg der weitreichenden Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus zu messen. Die Daten zeigten, ob die Mobilität der Bevölkerung nachgelassen habe, sagt RKI-Präsident Lothar Wieler am Mittwoch. Die Messdaten hat das RKI am Dienstag von der Telekom bekommen. Eine weitere Datenlieferung soll es in der kommenden Woche geben. Auch in anderen Ländern wird auf Daten im Kampf gegen das Coronavirus gesetzt. So sind laut US-Medienberichten die Internetriesen Facebook und Google im Gespräch mit der US-Regierung über die Verwendung persönlicher Nutzerdaten. Eine Auswertung des Handys könnte zeigen, zu wem man Kontakt hatte Padeluun hält die Forderung nach Vorratsdatenspeicherung vonTelekommunikationsdaten für unsinnig: "Auswertung von Funkzellendaten helfen nicht, um Kontakte von Corona-Infizierten zu finden", sagt er. "Denn die Zahl der dabei Gefundenen ist viel zu groß, und die meisten davon waren gar nicht in der Nähe der Person." Gefährlicher sei eine Auswertung der Handydaten von GPS, WLAN und Sensoren. So kann man sogar "über den Neigungswinkel des Smartphones bestimmen, in welcher Position ich zu einer anderen Person gesessen habe", erklärt er. "Gezielte und anlassbezogene Maßnahmen können temporär sinnvoll sein", äußert er sich wie zu der Datensammlung im Café. Trotzdem mahnt er: "Aber wir sollten keine anlasslose Massenüberwachung zulassen." Padeluun: Zusammenarbeit mit Google würde abhängig machen Padeluun warnt außerdem vor einer Kooperation Deutschlands mit Google bei der Datensammlung. "Wenn Deutschland auf Google angewiesen ist bei Abwehr einerPandemie, haben wir ein Abhängigkeitsproblem." Deutschland brauche stattdessen "dezentrale, unabhängige Informations-Strukturen, die lösungs- undgemeinwohlorientiert sind und nicht von Profit- und Machtinteressen gesteuert sind." Super Gelegenheit. pic.twitter.com/mPa9f6u8tk erzaehlmirnix (@erzaehlmirnix) March 17, 2020

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