75 Jahre nach dem Untergang der "Gustloff": Gedenkfahrt auf der Ostsee

Bielefeld/Paderborn. Noch genau erinnert sich Ullrich Restemeyer aus Paderborn an seinen Tauchgang in der Ostsee am 8. August 1991. Es ging hinunter zum Wrack der &bdquo;Wilhelm Gustloff", jenem deutschen Schiff, das am 30. Januar 1945 mit Tausenden Flüchtlingen an Bord, getroffen von drei russischen Torpedos, in den eisigen Fluten unterging. Die Katastrophe ging als das größte Schiffsunglück aller Zeiten in die Geschichte ein. Gemeinsam mit dem Bad Salzufler Heinz Schön, einem der rund 1.200 Überlebenden, der am 7. April in seiner Wahlheimat Lippe starb, fuhr Restemeyer zum Ort des Dramas. &bdquo;Damals gab es kein GPS und kein Sonar." Doch gelangte er schließlich genau an den Ort, wo die &bdquo;Gustloff ruhte. &bdquo;Ich bin nach drei Minuten an einer Riesenwand angekommen." Bug und Heck des Schiffes waren je 29 Meter hoch. Dazwischen war das ehemalige Kreuzfahrtschiff, das eigentlich Menschen retten sollte, völlig zerstört. Man hatte das Wrack kurz nach dem Krieg gesprengt. Doch das wichtigste Beweisstück fehlte nicht. &bdquo;Der Schriftzug war noch da." Den hielt Restemeyer fotografisch fest. Jetzt, aus Anlass des 75. Jahrestages der Katastrophe am 30. Januar 2020, wollen Restemeyer und sein Kompagnon Uli Baumhör, Eigner des Expeditionsschiffs &bdquo;Fritz Reuter", und der Bielefelder Tauchlehrer Matthias Schneider, erneut zum Wrack der &bdquo;Gustloff" sowie der Wracks der &bdquo;Goya" und der &bdquo;Steuben" aufbrechen. Auch diese Schiffe wurden durch Angriffe russischer Streitkräfte versenkt. Insgesamt rund 16.200 Menschen kamen dabei insgesamt ums Leben. Daran wollen die Ostwestfalen erinnern. &bdquo;Es geht uns um das Gedenken", sagen die drei zur Motivation für ihre ungewöhnliche Expedition. &bdquo;Die Gedanken kommen hoch an das, was die Menschen damals erlebt haben", erinnert sich Schneider an einen seiner Tauchgänge dort. Er legte die Urne mit den sterblichen Überresten Heinz Schöns am Wrack der &bdquo;Gustloff" nieder. Mit mehreren Leuten haben die mutigen Männer Kontakt aufgenommen, die bei der Katastrophe überlebten oder Angehörige von Opfern sind. Darunter Frank-Rainer Köpke, der auf der &bdquo;Steuben" geboren wurde. &bdquo;Einer, der alles erlebt hat", sagt Baumhör. Dies gilt auch für Ursula M., ehemals Krankenschwester auf der &bdquo;Steuben" und heute stolze 100 Jahre alt. Sie selbst oder ihre Urenkel wollen and der Fahrt teilnehmen. Kränze sollen an den Orten der Katastrophen zu Wasser gelassen werden. Wenn möglich, sollen an den Wracks auch Gedenktafeln angebracht werden. Damit das Unfassbare niemals in Vergessenheit gerät. Dass der Untergang des von drei russischen Torpedos getroffenen deutschen Schiffes &bdquo;Wilhelm Gustloff" die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten in die Weltgeschichte ist, bestätigt die Bielefelder Historikerin Christina Morina. &bdquo;Es gilt inzwischen als gesichert, dass die Opferzahl bei 9.343 lag", sagt die Professorin für Zeitgeschichte. An Bord der &bdquo;Gustloff" seien bis zu 9.000 Flüchtlinge und 1.500 Angehörige der Marine gewesen. 1. 252 Menschen hätten die Katastrophe den Quellen zufolge überlebt. Als bewaffnetes Truppentransportschiff sei die &bdquo;Gustloff" laut Kriegsrecht ein legitimes Angriffsziel zu Kriegszeiten gewesen. Die Debatte darüber, ob der sowjetische Angriff ein Kriegsverbrechen gewesen sein könnte, sei deshalb längst beendet. Vielmehr liege die Hauptverantwortung für die Tragödie bei der deutschen Marineführung: Die Abfahrt des Schiffes sei &bdquo;viel zu überhastet" mit nur einem Geleitboot erfolgt; es sei darüber hinaus viel zu weit aufs Meer hinausgefahren. &bdquo;Grundsätzlich hat die NS-Führung viel zu lange keinen Wert darauf gelegt, die Zivilbevölkerung zu schützen." Erst am 6. Mai 1945, zwei Tage vor der Kapitulation, habe Admiral Karl Dönitz den Schutz der Zivilbevölkerung zur obersten Priorität erklärt. So sei der Untergang der &bdquo;Gustloff" letztlich das Resultat &bdquo;eines von Anfang an skrupellosen und inhumanen Regimes" gewesen. Morina erinnert daran, dass das Datum des Untergangs exakt zwölf Jahre nach der Machtübernahme Adolf Hitlers gelegen habe. Am 30. Januar 1933 sei Hitler zum Reichskanzler ernannt worden. Die verbrecherische Politik der Nazis habe damals ihren Ausgangspunkt gehabt.

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