Politiker in OWL lassen sich nicht einschüchtern

Bielefeld. Im September sind in NRW Kommunalwahlen. Doch wer hat überhaupt noch Lust sich wählen zu lassen? "Es wird immer schwieriger, Menschen für ehrenamtliches Engagement in der Kommunalpolitik zu finden", sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Die Amtsträger in OWL wollen das allerdings so nicht bestätigen. Wenn es um die Bereitschaft zur Bekleidung politischer Wahlämter geht, geben sich die Parteivertreter in OWL betont optimistisch: "In Bezug auf die SPD kann ich schwindendes Interesse an Wahlämtern nicht bestätigen", sagt Tim Kähler, Sozialdemokrat und Bürgermeister in Herford. "Es gibt etliche Bürger, die sich engagieren und selbst kandidieren wollen." Auch Frank Schaeffler, FDP-Kreisverbandsvorsitzender in Minden-Lübbecke, sagt: "2020 können wir voraussichtlich erstmals alle Wahlämter besetzen." 40 Prozent aller kommunalen Amtsträger wurden schon einmal bedroht Folgt man zahlreichen Medienberichten, scheint der Job des Lokalpolitikers jedoch immer ungemütlicher zu werden - laut Landsberg lässt als eine der Folgen das Interesse an einem Mandat nach. Ob Kot im Briefkasten, ein Galgen mit dem eigenen Foto im Vorgarten oder ein Nagel im Autoreifen - 40 Prozent aller kommunalen Amtsträger wurden schon einmal bedroht. Das hat der Städte- und Gemeindebund erhoben. Ein rheinländischer Bürgermeister möchte sich jetzt sogar selbst bewaffnen, um für seine Sicherheit zu sorgen. Auch Lokalpolitiker aus OWL werden immer wieder Zielscheibe von Beschimpfungen oder Bedrohungen. "Ich musste schon einmal eine persönliche Drohung von einem Windkraftbetreiber hinnehmen, dem eine Windkraftanlage nicht genehmigt worden ist", berichtet der Paderborner Landrat Manfred Müller. "Ebenso gab es beleidigende Äußerungen von Windkraftgegnern per E-Mail und in sozialen Netzwerken, weil wir Anlagen genehmigt haben." Werthers Bürgermeisterin Marion Weike erinnert sich: &bdquo;Einmal kam ein Reichsbürger in mein Büro. Der wurde sehr unangenehm.“ Es geht nicht nur um die Debattenkultur Zu der Aussage, zunehmende Bedrohungen verschreckten ehrenamtliche Politiker, lässt sich in OWL allerdings niemand hinreißen. "Ja, aber", lautet das Statement der meisten Parteivertreter. "Grundsätzlich ist bei uns das Interesse an einer Kandidatur durchaus hoch", sagt Lisa Waimann von den Bielefelder Grünen. "Bei kommunalpolitischen Spitzenämtern wird allerdings schon mitgedacht, dass man besonders als Frau durchaus mit heftigen Anfeindungen zu rechnen hat." Kähler sagt: "Die Debattenkultur ist sicher ein Punkt, aber nicht der einzige." Da ist zum Beispiel die Frage, wie viel sich in der Kommunalpolitik tatsächlich bewegen lässt: "Man müsste die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen verbessern, um die Ämter attraktiver zu machen", sagt Kähler. Mehr Chancen für Quereinsteiger fordert Schäffler: "Damit man sich auch ohne klassische Parteikarriere engagieren kann." Hinzu kommt der Faktor Zeit: "Die späten Sitzungszeiten und der Arbeitsaufwand sind leider nicht mit allen Lebenssituationen vereinbar", sagt Lisa Waimann von den Grünen in Bielefeld. "Beispielsweise für Menschen mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen." Und welche Rolle spielt das "immer rauere Klima politischer Auseinandersetzungen", wie Landsberger es nennt? Diesbezüglich gehen in OWL die Wahrnehmungen auseinander: "Bedrohungen nehme ich persönlich in meinem Umfeld nicht wahr", sagt Schäffler, mit Nachdruck. Und wenn ihn doch einmal ein aggressiver Kommentar auf seiner Internetseite erreicht? "Solche Sachen lösche und blockiere ich", sagt er. "Weil das ist meine Seite, da muss man sich benehmen." Fehlendes Vertrauen in die Polizei Ganz anders Fabian Stoffel von den Linken in Herford: "Insbesondere Politiker und Politikerinnen, die sich für Minderheitenrechte und den Schutz von Grundrechten einsetzen, werden massiv von Rassisten und Nationalisten bedroht und angegriffen", sagt Stoffel. Er verweist auf einen Vorfall im November, bei dem zwei Mitglieder der Linken vor ihrem Parteibüro von Rechten bedroht worden seien. "Ausreichend geschützt sehe ich mich da nicht." Stoffel erinnert an das Beispiel Hessen: "Wie sich immer wieder zeigt, sind Polizei und Behörden häufig auf dem rechten Auge blind oder teilweise selbst in rechte Netzwerke verstrickt." Seit 2018 wird gegen Beamte der hessischen Polizei wegen Rechtsextremismusverdachts ermittelt. Mehrere Polizisten wurden suspendiert, weil sie Teil einer rechtsextremen Chatgruppe waren. Auch die Medien sind in der Verantwortung Doch der Linken-Politiker kommt auch auf die Medien zu sprechen: "Weil in erster Linie Aktualität, Personalisierung und Skandalisierung die Berichterstattung prägen, wirkt Politik eher unattraktiv", kritisiert er. "Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Sachthemen und politischen Idealen ist dadurch häufig nicht möglich." Waimann empfiehlt eine bessere Aufklärung im Umgang mit Medien und sozialen Medien. Mit Blick auf die Debattenkultur sagt sie: "Zentral ist für uns, Debatten selbst nur auf der Sachebene zu führen und Meldungen auf ihren Kern zu überprüfen. Opfern von persönlichen Angriffen gilt Solidarität – über Parteigrenzen hinweg."

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