Bielefeld

Warum eine Bielefelder Polizistin freiwillig Europas Außengrenze sichert

Die Grenzschutzagentur Frontex soll mehr Personal bekommen. Das bedeutet, die Mitgliedstaaten müssen mehr Beamte entsenden - auch Landespolizisten. So wie Dagmar Roper aus Bielefeld.

Die Polizistin Dagmar Roper ist normalerweise in Bielefeld im Einsatz. Inzwischen gehört sie aber zum Soforteinsatzpool der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. | © picture alliance/dpa

10.06.2019 | 10.06.2019, 14:04

Bielefeld (lnw). Fingerabdrücke aufnehmen auf Lesbos oder Grenzzäune kontrollieren in Bulgarien - so sieht der Alltag von Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen eigentlich nicht aus.  Der von Dagmar Roper schon. Normalerweise fährt sie Streife in Bielefeld am Kesselbrink, dem lokalen Skater-Treff in der Innenstadt. Für die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat sie schon in Griechenland und Bulgarien gearbeitet.

Bis 2027 wird Frontex von aktuell 1.500 auf 10.000 Beamte ausgebaut - darauf haben sich das Europäische Parlament, die Kommission und die Mitgliedstaaten geeinigt. Diese Beamten sind allerdings keine Frontex-Beamten, sondern werden von den einzelnen Mitgliedstaaten geschickt. Seit 2015 entsendet Deutschland nicht nur Bundes-, sondern auch Landesbeamte für Frontex-Missionen.

Frontex wird von 1.500 auf 10.000 Beamte aufgestockt

«Einsätze von Polizeibeamten und Landesbediensteten in europäischen Institutionen und internationalen Einsätzen der EU werden wir aktiv fördern», heißt es im Koalitionsvertrag von CDU und FDP in NRW. «Nordrhein-Westfalen ist sich seiner Verantwortung gegenüber Deutschland und Europa bewusst», begründet Innenminister Herbert Reul (CDU) diese Zielsetzung.

Achim Raupach leitet bei der NRW-Polizei das zuständige Dezernat für Auslandsverwendungen. Auch er hält den Einsatz von Landespolizisten an den europäischen Außengrenzen für berechtigt. «Wir können nicht alles outsourcen», sagt er. 2015 hat Raupachs Dezernat die NRW-Polizisten aufgerufen, sich an Frontex-Einsätzen zu beteiligen. Dagmar Roper hat sich direkt beworben. «Zu der Zeit hatten wir die Herausforderungen ja direkt vor der Haustür», sagt sie zu ihrem Motiv. Manchmal habe sie bei ihrer Streife Personen kontrolliert, die achtmal mit unterschiedlichen Identitäten registriert waren. Also wollte sie direkt an der europäischen Außengrenze mitarbeiten.

Hauptaufgaben: Migranten registrieren, Fahrzeuge kontrollieren

Roper bestand den sportlichen Test, die Sprachprüfung, das Auswahlgespräch und die medizinische Untersuchung. Nach zwei vorbereitenden Seminaren fuhr sie im Sommer 2017 zu ihrem ersten achtwöchigen Einsatz im Camp Moia auf der griechischen Insel Lesbos. Dort registrierte sie ankommende Personen und half bei Rückführungen in die Türkei. Im gleichen Jahr fuhr sie noch ein zweites Mal hin, Anfang 2019 war sie im Frontex-Einsatz in Bulgarien.

Migranten registrieren und identifizieren, Fahrzeuge kontrollieren, Grenzen überwachen - das sind die vorrangigen Aufgaben der Frontex-Beamten. Eigene Frontex-Patrouillen gibt es aber nicht. Nur die Beamten der jeweiligen Mitgliedstaaten dürfen hoheitliche Aufgaben wie das Abstempeln von Pässen ausführen. Dagmar Roper hat bei ihrem Einsatz in Bulgarien immer nur gemeinsam mit einem bulgarischen Beamten den Grenzzaun kontrolliert.

Deutschland liefert das größte Kontingent an Kräften

Aktuell sind sieben Beamte der NRW-Polizei bei Missionen von Frontex eingesetzt. Tendenz: Steigend. Nach Angaben der Bundespolizei hat sich die Anzahl der für Frontex jährlich geleisteten Arbeitstage deutscher Beamter seit 2015 etwa vervierfacht. In den letzten beiden Jahren seien täglich etwa 114 Beamte der Länderpolizeien, der Bundespolizei und des Zolls im Frontex-Einsatz gewesen. Damit sei Deutschland mit Abstand der größte Kontingentsteller innerhalb der EU-Mitgliedstaaten.

Anfang Mai hatte Innenminister Reul die Frontex-Polizisten aus NRW in Griechenland besucht. Laut einem Bericht im Innenausschuss des Landtages sind sieben weitere Polizeibeamte, unter ihnen eine Frau, in einem bilateralen Projekt in Afghanistan eingesetzt. Weitere Polizisten aus NRW wurden nach Mali, Somalia, in den Kosovo, in die Ukraine, nach Georgien und Palästina entsandt.

Acht Wochen dauern die Einsätze für Frontex jeweils

Acht Wochen dauert der Einsatz der Polizisten für Frontex-Missionen. In der Zeit fehlen sie zuhause - sowohl im Beruf als auch im Privatleben. Dagmar Roper lebt allein. Sie braucht immer jemanden, der sich ums Blumen gießen, Rasen mähen und Briefkasten leeren kümmert. Ansonsten stört sie die lange Abwesenheit aber nicht - sie sei es ohnehin gewohnt, arbeiten zu müssen, wenn andere frei haben. «Es gehört zum Beruf dazu, das man nicht an jeder Feier oder Veranstaltung teilnehmen kann», sagt Roper. Ihre Freunde und Familie würden das verstehen.

Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert, dass Polizeibeamte für Frontex-Einsätze wochenlang an ihrer eigentlichen Dienststelle fehlen. Achim Raupach sieht das anders: «Die NRW-Polizei hat auch was davon», meint er. Die Kollegen kämen mit besseren Fremdsprachenkenntnissen und mehr interkultureller Kompetenz zurück. Vor allem letzteres kann Dagmar Roper bei ihrer Arbeit in Bielefeld gut gebrauchen. «Wir haben hier auch mit Menschen aller Kulturen zu tun», sagt sie. Da könne es nicht schaden, bulgarische Ausweisdokumente lesen zu können.

Inzwischen gehört Roper zum sogenannten Soforteinsatzpool. Heißt: Kommt es noch einmal zu einer Situation wie 2015, kann sie jederzeit wieder losgeschickt werden, irgendwohin an die Grenzen Europas. Für den nächsten regulären Einsatz hat sie sich auch schon beworben - wenn alles gut läuft, ist sie im Juni wieder unterwegs.