Loverboys zwingen Mädchen und Frauen in die Prostitution

Herford/Düsseldorf. Sie spielen Mädchen und jungen Frauen die große Liebe vor, bringen ihre Opfer in ein Abhängigkeitsverhältnis und beuten sie anschließend in der Zwangsprostitution aus. Die sogenannten Loverboys werden nach Einschätzung des Bundeskriminalamts zu einer immer größeren Gefahr. NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) will die Öffentlichkeit deshalb sensibilisieren, denn trotz steigernde Fallzahlen ist das Vorgehen der Loverboys bei vielen Mädchen und Frauen nicht bekannt. So erging es auch Saskia, die vor fünf Jahren in die Fänge eines Loverboys geriet. "Ich hatte keine Ahnung, dass hinter dem Vorgehen meiner ersten großen Liebe eine Masche steckte", sagt Saskia, die anonym bleiben möchte. 2014 lernt die damals 16-Jährige in Bonn Sven kennen. "Er schrieb mich bei Facebook an und kurz darauf trafen wir uns." Schon beim ersten Treffen funkt es. "Er war gut aussehend, selbstbewusst und schmeichelte mir." Über Wochen treffen sich Saskia und Sven beinahe täglich. "Ich hätte nicht glücklicher sein können, denn ich war vorher noch nie verliebt." Sven eröffnet Saskia eine neue Welt. "Meine Familie hat mich immer unterstützt, aber viel leisten, konnten wir uns nicht." Sven kann das. "Er überhäufte mich mit Geschenken, wir gingen ständig schoppen, schick essen und feiern." Saskias Familie bemerkt schnell, dass sich der Lebensstil ihrer Tochter rasant verändert. Es kommt zu Streit. "Ich wollte mir mein neues Leben aber nicht nehmen lassen und zog zu Sven", erklärt Saskia. Den Kontakt zur Familie bricht die Schülerin fast vollständig ab. Isoliert von Familie und Freunden wird Saskia immer stärker unter Druck gesetzt Trotz der Probleme mit ihren Eltern und zunehmend auch mit ihren Freunden, ist Saskia glücklich. Allerdings nicht lange. "Nach einer Partynacht in einem teuren Club offenbarte mir Sven, dass er finanzielle Probleme hat, ich ihm aber helfen könnte." Saskia glaubt ihrem Freund. "Ich war verliebt und wollte ihm unbedingt helfen, damit wir uns eine gemeinsame Zukunft aufbauen konnten", erklärt Saskia. "Sven schlug mir vor, dass ich gegen Bezahlung mit seinen Freunden schlafen sollte. Ich dachte, dass das eine einmalige Sache wird, aber dabei blieb es nicht." Isoliert von Familie und Freunden wird Saskia immer stärker unter Druck gesetzt. "Sven war nicht mehr der liebvolle Mann, in den ich mich verliebt hatte." Ein Jahr lang geht Saskia für Sven anschaffen. "Ich war blind vor Liebe und habe ihm alles abgenommen, egal wie absurd seine Geschichten auch waren." Erst als Sven gewalttätig wird, vertraut sich Saskia ihren Eltern an, die von einer Hilfsorganisation beraten werden. Heute lebt Saskia in Köln. "Mir geht es wieder gut, weil mein Leben wieder in geordneten Bahnen läuft. Ich mache eine Ausbildung und habe wieder Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden", erklärt Saskia. "Ich habe aber immer wieder schlechte Phasen, weil ich rückblickend einfach nicht verstehen kann, wie ich auf Sven reinfallen konnte." "Eltern gehen durch die Hölle, weil sie häufig nichts tun können." In OWL kümmert sich das Team der Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel "Nadeschda" um Opfer wie Saskia und ihre Familien. "Die Loverboys bringen ihre Opfer in eine emotionale Abhängigkeit und isolieren sie von ihrem Umfeld", erklärt Sozialarbeiterin Corinna Dammeyer. Die Täter sind in der Regel jung, smart und gut aussehend. "Sie suchen sich ihre Opfer gezielt aus und wählen häufig Mädchen und Frauen in instabilen Lebenssituationen. Viele Opfer fühlen sich einsam, sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität, noch nicht gefestigt und deshalb leicht verführbar." In der ersten Phase bauen Loverboys nach Angaben von Dammeyer eine Liebesbeziehung auf. "Im zweiten Schritt folgen Isolation und Kontrolle." Für Angehörige ist das Vorgehen der Loverboys nur schwer zu ertragen. "Eltern gehen durch die Hölle, weil sie häufig wissen, dass sich ihre Tochter prostituiert, aber nicht eingreifen können." Beratungsstellen und Vereine, wie die "Elterninitiative für Loverboyopfer in Deutschland" in Düsseldorf unterstützen deshalb auch gezielt Mütter und Väter. Dammeyer und ihre Kolleginnen schulen zudem Lehrer und Schulsozialarbeiter. "Wichtig ist, dass das Umfeld von Mädchen und Frauen aufmerksam auf Veränderungen reagiert, um das Abrutschen in die Zwangsprostitution zu verhindern", sagt Dammeyer. "Denn die Masche kommt häufig vor." Das Bundeskriminalamt bestätigt die Einschätzung von Dammeyer: "Beim Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung wurde 2018 bei über einem Viertel der Betroffenen die Loverboy-Methode angewendet", ergänzt ein Sprecher.

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