Nur wenige Kitas bieten flexible Zeiten

Bielefeld/Herford. Übernachtungsangebote sind in den Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen nicht gefragt. Einem Bericht des WDR zufolge haben neun der 14 Kitas das Angebot eingestellt: Es sei schlicht nicht genutzt worden. Dabei werden die Stimmen lauter, die eine flexible Betreuung in den Einrichtungen wünschen. Die Betreuung über Nacht ist Teil des Förderprogramms "Kita Plus" der Bundesregierung. Auch die Ausweitung der Tagesbetreuungszeiten sowie Angebote am Wochenende zählen dazu. In Ostwestfalen-Lippe gibt es drei Kitas, die an dem Programm teilnehmen: die Herforder Forscherhaus-Zwerge sowie die Sieker Mäuse und die Kita der Kindermann-Stiftung in Bielefeld. Keine dieser Einrichtungen aber bietet eine Betreuung über Nacht an. Keine Betreuung über Nacht in OWL Träger der Sieker Mäuse ist die von Laer Stiftung. Erik Zurdel, Bereichsleiter für die Kindertageseinrichtungen, sagt, es habe einen pädagogischen Grund, warum die Kita keine Betreuung über Nacht anbietet. "Eine Kita ist eine Tagesbetreuung. Der Nachtbetrieb ist ein ganz anderer Bereich mit anderen Herausforderungen." Nachts könnten Kinder Albträume und Ängste entwickeln, die tagsüber kein Thema sind. Ein Bedarf hierfür wäre möglich, "Ich glaube das aber nicht so wirklich." Auch Susann Purucker, Mutter und Mitglied im Landeselternbeirat der Kindertageseinrichtungen NRW (LEB), findet, die Betreuung über Nacht sei ein "heikles Thema". Privat glaubt sie nicht, dass Eltern die Betreuung ausnutzen würden, "Alleinerziehenden würde es wahrscheinlich eher helfen. Solange es eine Entlastung ist, ist es eine gute Sache", meint Purucker. Es sei wichtig, dass gerade bei einem solchen Angebot die Erzieher dahinter stehen. Allerdings funktioniere eine Übernachtung in der Kita auch nicht mit jedem Kind, sie denke da auch an eines ihrer eigenen. "Bei den ganz Kleinen ist es sicher schwierig." Auch die Betreuung in der Kita am Wochenende kann über das "Kita Plus"-Programm finanziert werden. Das ist laut Erik Zurdel aber auch kaum gefragt. "Die Sieker Mäuse bieten eine Samstagsbetreuung an, wenn Eltern dies bei den Erziehern anmelden." Eltern wünschen sich flexible Betreuungszeiten Etwas anderes und von vielen Eltern gewünscht sind verlängerte Öffnungszeiten und damit die Möglichkeit einer flexiblen Betreuung in den Kitas. "Der Bedarf ist hoch", weiß Michaela Homann-Lübbing, Leiterin der Herforder Kita Forscherhaus-Zwerge. Hier werden Kinder von 6.15 bis 18.15 Uhr betreut. Diese Öffnungszeiten richteten sich nach den Wünschen der Eltern. Für viele Berufstätige sei es ein "enormer Kraftakt", ihr Kind immer pünktlich aus der Kita abzuholen, weiß Susann Purucker. "Wenn es die Möglichkeit gibt, würden auch mehr Eltern diese nutzen", ist sie sicher. Berufstätige im Schichtdienst oder Alleinerziehende profitierten von flexiblen Betreuungszeiten. Aber da es nur wenige Einrichtungen gibt, die eine Betreuung über 16.30 oder 17 Uhr hinaus anbieten, sei es schwer, überhaupt eine Platz zu bekommen. "Wir haben es selbst zwei Jahre lang vergeblich versucht", sagt die Mutter von vier Kindern. Förderung läuft Ende 2019 aus Auch Erik Zurdel weiß von vielen Eltern, die die Betreuung individuell regeln. "Viele Eltern arbeiten heute außerhalb der ,normalen' Betreuungszeiten einer Kita", sagt er. Und dieser Sektor wachse stetig. "Der Bedarf ist da, es muss aber auch eine Finanzierung dafür geben." Deswegen sei das "Kita Plus"-Programm von der Grundidee her gut, allerdings ist ein Förderprogramm zeitlich begrenzt - und dieses ist bereits einmal verlängert worden bis Ende diesen Jahres. Auch die Herforder Kita könne das erweiterte Angebot nicht so fortsetzen, wenn die finanzielle Unterstützung Ende des Jahres ausläuft. "Für die Eltern fehlt die Verlässlichkeit auf Dauer", ergänzt Zurdel. Eine Anschlussfinanzierung - beispielsweise über die Kommune - sei wünschenswert. Zumindest, bis zur Reform des Kinderbildungsgesetzes ab dem Kitajahr 2020/21. Eine Abfrage im Vorfeld kann den Bedarf verdeutlichen Ganz anderes stellt sich die Situation für die Arbeiterwohlfahrt in OWL dar. Sie ist Träger von insgesamt 120 Kitas in der Region, der Bedarf an Betreuungszeiten wird laut Pressesprecherin Berit Steinkröger jährlich in den Einrichtungen abgefragt. Der Wunsch nach erweiterten Öffnungszeiten trete nur in Einzelfällen auf. Ganz im Gegenteil: "Die Kita Rasselbande hatte bis 18 Uhr auf, hat das aber zurückgenommen, weil das Angebot von den Eltern nicht genutzt wurde", erklärt sie. Auch der LEB begrüße die Schaffung von individuellen Betreuungszeiten. Dafür müsse es aber in jeder Kommune eine qualifizierte Bedarfsabfrage gebe - und hieran hapere es. Über das Online-Portal "Little Bird" können Eltern in Bielefeld etwa nach Betreuungsangeboten suchen, der Bedarf an Betreuungszeiten wird aber nicht abgefragt. Eine Abfrage in den Einrichtungen reicht laut Susann Purucker nicht aus. In Herford soll im Frühsommer ein neues Online-Anmeldeverfahren an den Start gehen. Christoph Tober, Jungendhilfeplaner bei der Stadt verspricht: "Hier soll auch der Bedarf an Betreuungszeiten abgefragt werden." Der Kritik, Kinder seien bei langen Öffnungszeiten einer Kita auch lange in der Betreuung, widersprechen Zurdel und Purucker energisch. Maximal neun Stunden seien Kinder in einer Einrichtung. "Theoretisch wäre es natürlich möglich, sie länger in der Betreuung zu lassen", sagt Zurdel. Aber das wollten Eltern nicht. Kinder, die länger bleiben, werden später gebracht.

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