Düsseldorf/Köln

NRW gründet Anti-Missbrauchs-Zentrum

Wenn Ärzte den Verdacht haben, dass Kinder misshandelt oder missbraucht werden, macht ihre Schweigepflicht die Weitergabe der Fälle schwierig. Ein "Kompetenzzentrum" soll Abhilfe schaffen

Tanja Brüning (von links), verantwortliche Ärztin der Kinderschutzambulanz an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, Sibylle Banaschak, die leitende Oberärztin des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln, und Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des
Landes Nordrhein-Westfalen (CDU), sitzen bei einem Pressegespräch zur Vorstellung eines Kompetenzzentrums für Kinderschutz auf dem Podium.

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02.04.2019 | 02.04.2019, 18:04

Düsseldorf/Köln (epd). Nordrhein-Westfalen will den gesundheitlichen Schutz von Kindern bei Verdachtsfällen von Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung verbessern. Im Mai geht das Kompetenzzentrum für Kinderschutz im Gesundheitswesen an den Start, wie Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag in Düsseldorf bekanntgab. Es soll Ärzte bei Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung telefonisch beraten. Für den Aufbau des Zentrums will das Land rund zwei Millionen Euro in den nächsten drei Jahren bereitstellen.

Das Kompetenzzentrum hat seinen Sitz im Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Köln. Es soll Kinder- oder Allgemeinmedizinern anonym beratend beistehen, die Verdachtsfälle von Kindesmisshandlung abklären wollen. Dazu können beispielsweise Fotografien oder Röntgenaufnahmen digital und anonymisiert über ein geschütztes Portal übermittelt und so von Experten beurteilt werden.

Auf diese Weise soll dem Arzt aus einem Dilemma geholfen werden, wie es Laumann beschrieb. Mediziner seien an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, könnten sich also bei einem bloßen Verdacht nicht direkt an Jugendamt, Polizei oder Staatsanwaltschaft wenden. Das Kompetenzzentrum soll in diesen Fällen bei der Diagnostik und der Sicherung von Befunden helfen und eine Absicherung geben. Denn durch die Anonymisierung der Daten bleibt die Schweigepflicht unverletzt. „Die Ärzte haben damit eine zentrale Anlaufstelle, an die sie sich bei offenen Fragen wenden können", sagte der Minister.

Auf alle Fragen des Kindeswohls spezialisiert

Zum Kompetenzzentrum gehört auch die Medizinische Kinderambulanz der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln. Die Klinik ist mit acht Abteilungen auf alle Fragen des Kindeswohls spezialisiert - von innerer Medizin, Psychotherapie, Neurologie und Schmerztherapie bis zur Ernährungsmedizin. Die Beratung der Kinderambulanz innerhalb des Kompetenzzentrums richtet sich auf Fälle, bei denen keine äußerlichen Verletzungen sichtbar sind. „Alles, was in der Familie passiert, hat Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes", sagte die Leiterin der Medizinischen Kinderambulanz, Tanja Brüning.

Das Kompetenzzentrum will aber nicht nur beraten, sondern künftig auch Fortbildungen anbieten und Kooperationen mit Kinderkliniken, Gesundheitsämtern und ambulanten medizinischen Einrichtungen knüpfen. Auf diese Weise sollen landesweit regionale Netzwerke geschaffen oder bereits bestehende unterstützt werden. Kompetenzzentren für Kinderschutz im Gesundheitswesen gibt es in Deutschland bisher in Bayern und Niedersachsen. Parallel dazu wird das Land nach Angaben Laumanns weiter die Kinderschutzambulanzen fördern. Im laufenden Jahr erhalten 13 von ihnen insgesamt 330.000 Euro, die als anteiliger Zuschuss für die Personalkosten gedacht sind.

Im Jahr 2017 gingen die NRW-Jugendämter in 39.500 Fällen einem Verdacht auf die Gefährdung des Kindeswohls nach. Insgesamt wurden in dem Jahr 2.872 Kinder und 6.365 Jugendliche Opfer einer Gewalttat.