09.04.2018 | 09.04.2018, 21:19
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Bielefeld/Düsseldorf
Integrationsminister Joachim Stamp erwägt, Mädchen unter 14 Jahren das Tragen zu untersagen. Politiker, Philologen und Verbände streiten über den Vorschlag
Bielefeld/Düsseldorf. Die Überlegungen der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu einem Kopftuchverbot für muslimische Mädchen unter 14 Jahren haben ein geteiltes Echo hervorgerufen. Lehrerverbände und liberale Muslime begrüßen den Vorstoß von Integrationsminister Joachim Stamp (FDP). Juristen und Politiker zweifeln hingegen die Rechtmäßigkeit eines Verbots an und fordern stattdessen mehr pädagogische Aufklärung.
„Die Debatte dient zur Stigmatisierung und nicht zur Problemlösung", sagt Wiebke Esdar (SPD). Die Bielefelder Bundestagsabgeordnete spricht von „einer politischen Sau, die durch das Dorf getrieben wird". Gute Kinder- und Jugendpolitik zeichne sich dadurch aus, die Jugendlichen zu eigenständigen und selbstbewussten Erwachsenen zu entwickeln. „Wenn das funktionieren würde, müsste man die Diskussion um ein Kopftuchverbot gar nicht führen", so Esdar weiter.
Auch der Osnabrücker Islamwissenschaftler Rauf Ceylan äußerte sich skeptisch zu einem Verbot. „Eigentlich wären Pädagogen gefragt, dieses Thema in den Schulen anzusprechen und Aufklärungsarbeit zu leisten", sagt er.
Kritik gibt es zudem vom Islamrat. Die Vorstellung, muslimischen Mädchen würde das Kopftuchtragen aufgezwungen, sei überholt und widerspreche der verbreiteten Lebensrealität von Muslimen in Deutschland, erklärt der Vorsitzende Burhan Kesici. Die Religionsfreiheit derartig einzuschränken, sei „unverhältnismäßig und verfassungswidrig". Der Verband kritisiert die Debatte als „populistisch, symbolgeladen und inhaltsleer".
Einem Verbot grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber stehen hingegen die Lehrer: Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, sagt, dass es keine Unterordnung eines Geschlechts geben darf. „Ein Kopftuch kann aber als Symbol dafür verstanden werden und hat deshalb im Unterricht nichts zu suchen."
Für ein Kopftuchverbot für Grundschülerinnen wirbt auch der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak: „Mädchen zwischen sechs und zehn Jahren haben nicht die Macht, ihren Eltern zu widersprechen." Die Entscheidung, ein Kopftuch zu tragen, solle jedes Mädchen aus eigener religiöser Überzeugung treffen.
Ähnlich sieht das NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Er sagt, bei Kindern habe das Kopftuch nichts mit Religion zu tun: „Das nimmt ihnen die Chance, selbst zu entscheiden. Und deshalb ist das Verbot ein guter Vorschlag, den wir auch umsetzen wollen."
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