Seit 20 Jahren in Afrika unterwegs: Besuch bei einem Bünder Arzt im Kongo

Bünde/Kikwit. Motorräder knattern haarscharf an ihm vorbei, die schwülwarme Luft ist geschwängert von Staub und Abgasen. An den Straßenrändern bieten Frauen Bananen und Ziegenköpfe an, Kinder lachen und zeigen auf den Weißen, der sich da durch den Verkehr quält. Der Weiße heißt Theophylaktos Emmanouilidis – und der Schweiß rinnt ihm über Gesicht und Körper. Der Arzt aus dem westfälischen Bünde sieht aus, als hätte er soeben zwölf Stunden ohne Pause operiert. Doch Feierabend ist noch lange nicht. 7.30 Uhr am Morgen ist es, Emmanouilidis ist nach halbstündigem Fußmarsch an seinem Arbeitsplatz in der kongolesischen Provinz angekommen, der komplette Tag liegt noch vor ihm. Und was für einer. Dreimal an Malaria erkrankt Seit 2003 kommt der einstige Chefarzt des Bünder Lukaskrankenhauses im Namen der Ärzteorganisation Hammer Forum mehrmals jährlich in den Kongo und operiert Kinder. Der Bundesverdienstkreuzträger ist auch noch in anderen afrikanischen Ländern unterwegs, aber der Kongo ist immer eine besondere Herausforderung. Dreimal hat er sich in diesem bitterarmen, kriegs- und diktaturzerrütteten und in jeglicher Hinsicht chaotischen Land schon die berüchtigte Malaria eingefangen. Nichts, was ihn aufhalten könnte, im Gegenteil: Die 2008 vom Forum ins Leben gerufene Kinderambulanz im armseligen Krankenhaus der Provinzstadt Kikwit läuft wie am Schnürchen – für afrikanische Verhältnisse. Arbeiten in stickiger Atmosphäre Vor dem winzigen Untersuchungszimmer stehen und sitzen an diesem frühen Morgen gut und gerne 120 Eltern mit ihren Kindern und wedeln sich Luft ins Gesicht. &bdquo;Allez", ruft der 78-Jährige, der mit seiner überbordenden Energie mindestens zehn Jahre jünger wirkt. &bdquo;Los geht’s." In der zwei mal drei Meter großen Untersuchungsecke – nur durch einen Vorhang vom ebenso engen Flur getrennt – drängen sich in stickiger Atmosphäre Eltern, Kinder, &bdquo;Dr. Emma" und einige einheimische Berufskollegen, die ihm wissbegierig über die Schulter schauen. Eine kleine Holzfläche dient gleichzeitig als Schreibtisch und Behandlungsliege. Durchs vergitterte aber offene Fenster schaut die wartende Menge neugierig in den Raum hinein. Ein kleines Häufchen Elend Ein kleiner und stark abgemagerter Junge besteht &bdquo;zu einem Drittel seines Körpergewichts aus Tumor", sagt Emmanouilidis. &bdquo;Ich weiß nicht, ob ich ihm noch helfen kann." Traurig schaut er auf das kleine Häufchen Elend mit dem viel zu großen Bauch, das da vor ihm auf der Liege liegt, sich krümmt und weint. Versuchen will er’s, versprechen kann er nichts. Emmanouilidis arbeitet an diesem Tag bis in die späten Abendstunden, längst ist es draußen dunkel, doch die Menschenmenge vor dem Fenster wird nicht kleiner. Mittagspause? Geschenkt! Zwei Bananen, eine Hand voll Erdnüsse und ein paar Schluck Wasser müssen reichen. Ein Notfall für zwischendurch Der nächste Tag: Emmanouilidis operiert unter einfachsten Bedingungen etwa ein Dutzend Kinder, die meisten mit Leistenbrüchen und anderen Gewebeschwächen. Ein zehnjähriges Mädchen mit Darmdurchbruch durch Typhus kommt als Notfall dazwischen. Der 78-Jährige öffnet ihr den Bauch und rettet ihr mit einem gut einstündigen Eingriff das Leben. &bdquo;So etwas können sie hier nicht", sagt Emmanouilidis. Kein bisschen Stolz klingt dabei durch, nur Bedauern. Eigentlich, so der Arzt weiter, sei das keine allzu große Kunst. &bdquo;Aber wer soll es ihnen richtig beibringen?", fragt der Bünder. Vielen jungen Ärzten mangele es schon am einfachsten Grundwissen, die Ausbildung sei einfach schlecht.Emmanouilidis würde auch an diesem Abend gern noch länger arbeiten. Aber heute ist schon um 16 Uhr Schluss. Eine Arbeit für die "anständigen Leute" Eine Unterredung mit dem Bürgermeister von Kikwit zwingt ihn dazu, seine Arbeit für einen Moment ruhen zu lassen. Es geht um die Korruption, um unsinnige Gebühren, die man in diesem Land auch als freiwilliger Helfer überall zahlen muss – und um die vielen Steine, die einem von den Behörden in den Weg gelegt werden. Ein nachdenklicher Theophylaktos Emmanouilidis lässt seinen Blick über den Fluss Kwilu schweifen, der sich in Kikwit sehr idyllisch durchs Tal schlängelt und dessen Wasser viele Kilometer entfernt in jenem riesigen Fluss landen wird, der dem Land seinen Namen gibt. &bdquo;Ich mache das hier nicht für die Politiker und nicht für die Polizisten, ich mache das für die anständigen Leute und vor allem für die Kinder – die können nichts dafür." Darum wird er sich auch morgen wieder ins Getümmel von Straße und Ambulanz stürzen.

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