Frankfurt. Trotz steigender Immobilienpreise wohnen die Menschen in vielen nordrhein-westfälischen Großstädten auf immer mehr Raum.
In Düsseldorf, Dortmund, Essen, Bochum, Bielefeld und Münster stieg die Wohnfläche pro Kopf zwischen 2015 und 2020 weiter an, wie aus einer Studie des Immobiliendienstleisters Empirica Regio hervorgeht. In Köln, Duisburg, Bonn und Wuppertal gab es dagegen keine oder nur minimale Veränderungen.
Zwischen den zehn größten NRW-Städten gab es weiterhin deutliche Unterschiede, was die durchschnittliche Wohnfläche angeht. Mit dem wenigsten Wohnraum mussten im Durchschnitt die Menschen in Duisburg (38,4 Quadratmeter) und Köln (38,9 Quadratmete) auskommen. In Essen lag die durchschnittliche Wohnfläche schon bei 40,8 Quadratmetern. In Düsseldorf, Dortmund und Bochum übertraf sie 41 Quadratmeter.
An mehr als 42 Quadratmetern Wohnfläche pro Kopf konnten sich im Schnitt die Menschen in Bielefeld, Bonn und Wuppertal erfreuen. Am meisten Platz hatten allerdings der Studie zufolge die Einwohner der kleinsten Top-Ten-Stadt in NRW, Münster, mit 43,7 Quadratmetern.
9.000 Gemeinden und 107 kreisfreie Städte untersucht
Für die Analyse hat Empirica Regio alle deutschen Gemeinden ab 400 Einwohnern untersucht - laut der Angaben von Mittwoch knapp 9.000 Gemeinden und 107 kreisfreie Städte. Die Wohnfläche pro Kopf sei zwischen 2015 und 2020 am stärksten in ländlichen Regionen gestiegen mit plus 3,7 Prozent. Am geringsten war demnach der Zuwachs in Großstädten (plus 1,5 Prozent).
Den deutschlandweiten Durchschnittswert 2020 bezifferte Empirica Regio auf knapp 46 Quadratmeter pro Kopf. Das Statistische Bundesamt kam auf 47,4 Quadratmeter. Zahlen für das Jahr 2021 lagen noch nicht vor.
Auf dem Land war demnach die Wohnfläche pro Kopf mit 51,4 Quadratmetern 2020 am höchsten. In Städten lag sie mit 40,9 Quadratmetern deutlich darunter, dazwischen kamen kleinere Städte und Vororte (47). Zahlen für das Jahr 2021 lagen noch nicht vor.
"Gerade ländliche Regionen haben noch genügend Bauland und -platz, um neuen Wohnraum zu schaffen. Dort dominieren Einfamilienhäuser mit einem großen Flächenverbrauch pro Kopf", sagte Jan Grade, Geschäftsführer von Empirica Regio. "In peripheren Räumen führen aber auch zunehmende Alterung, der Wegzug der jungen Menschen und damit steigende Leerstände zu einer erhöhten Pro-Kopf-Wohnfläche."
Die typische Gemeinde mit sehr hoher Wohnfläche von mehr als 65 Quadratmetern pro Kopf habe meist bis zu 1.200 Einwohner, liege auf dem Land und leide unter Abwanderung.
Ganz vorne: Sylt und Föhr
In Beuren in der Eifel (75,2) und Aventoft in Schleswig-Holstein (73,6) wohnten die Menschen laut Studie auf besonders viel Fläche. Ganz vorne lagen Sylt und Föhr wegen der vielen Ferienwohnungen auf den Inseln. Kampen auf Sylt stand an der Spitze mit 264 Quadratmetern pro Einwohner, gefolgt von Nieblum (Föhr) sowie Wenningstedt-Braderup (Sylt) mit 121 bzw. 108 Quadratmetern. Um Sondereffekte wegen des hohen Anteils an Ferienwohnungen zu vermeiden, wurden diese und andere Gemeinden in der Analyse herausgefiltert.
Besonders wenig Wohnraum hatten dagegen die Menschen in Raunheim in Hessen und Bliesdorf in Brandenburg mit 34,3 Quadratmeter pro Kopf. Am Ende der Liste stehen auch viele Mittel- und Großstädte - etwa Stuttgart (37,6), Frankfurt (37,4) und Offenbach (35). In Berlin und Köln stagniert die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf seit Jahren bei 38,9 Quadratmetern. "Generell müssen Menschen in angespannten Wohnungsmarktregionen und den großen Metropolen auf weniger Wohnfläche pro Kopf zusammenrücken", schrieben die Autoren.
Das Wohnen auf immer mehr Platz ist ein langjähriger Trend in Deutschland. Mit Ausnahme des Jahres 2015, als in der Flüchtlingskrise außergewöhnlich viele Menschen zuwanderten, sei der Flächenverbrauch seit 2005 stetig gestiegen, hieß es bei Empirica Regio. Im Schnitt kämen 0,2 Quadratmeter pro Jahr dazu. Der hohe Bedarf an Wohnfläche sorgt immer wieder für Diskussionen, etwa um die Versiegelung von Böden und die Energiebilanz von Gebäuden. So gab es Debatten, ob Einfamilienhäuser noch zeitgemäß seien.
Zahl der Single-Haushalte steigt
Zudem wohnen immer weniger Menschen in einer Wohnung, auch weil die Gesellschaft überaltert und die Zahl der Single-Haushalte steigt. Seit Beginn der 1990er Jahre ist der Anteil der Einpersonenhaushalte deutlich gestiegen, hieß es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Auf eine Wohnung kamen 2020 im Schnitt weniger als zwei Menschen, so das Statistische Bundesamt.
Der große Flächenverbrauch pro Kopf wirkt sich auch ungünstig auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen aus. Trotz aller Anstrengungen stagnierten die direkten CO2-Emissionen des Gebäudebestands seit 2014 bei rund 120 Millionen Tonnen im Jahr, hieß es in einer Studie der DZ Bank im vergangenen Sommer.
Noch 1995 habe die durchschnittliche Wohnfläche bei 36 Quadratmetern je Einwohner gelegen, die Menschen hatten also gut 20 Prozent weniger Raum als 2020. Eine Trendumkehr sei nicht in Sicht, so die DZ Bank. "Die wachsende Zahl an Einpersonenhaushalten und der von der Pandemie verstärkte Wunsch nach geräumigen Wohnungen auch mit Blick auf Homeoffice dürften das Flächenwachstum weiter vorantreiben."