Berlin

Abzocke mit Dispozinsen

In kleinen Gemeinden müssen Bankkunden horrende Zinsen zahlen

22.08.2013 | 22.08.2013, 00:00
Abzocke mit Dispozinsen - © Berlin
Abzocke mit Dispozinsen | © Berlin

Berlin. Erstaunlich hohe Zinsen für Dispo-Kredite verlangen viele deutsche Banken den Verbrauchern ab. "Es sind meist kleine Volksbanken, Raiffeisenbanken und Sparkassen, die ihre Kunden so schröpfen", sagte Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest, in Berlin. Unter den sonst so geschmähten Großbanken nehme nur die Targobank einen sehr hohen Zinssatz.

Der Dispo ist der Zins, den die Bankkunden zahlen müssen, wenn ihr Girokonto in die roten Zahlen rutscht. Die Tester untersuchten alle 1.538 deutschen Banken, die Girokonten anbieten. Der Durchschnitt der Dispozinsen lag bei 11,31 Prozent. Am niedrigsten lag der Satz in der bundesweiten Erhebung der Stiftung Tester mit 4,2 Prozent pro Jahr bei der VR-Bank Uckermark-Randow nordöstlich Berlins.

Am meisten verlangten demnach mit 14,75 Prozent die Raiffeisenbank Taufkirchen-Oberneukirchen in Bayern und die Volksbank Feldatal in Hessen. Umgerechnet auf eine Verschuldung von 1.000 Euro bezahlte ein Kunde bei der preiswertesten Bank etwa acht Euro weniger monatlich für seinen Dispo als bei der teuersten.

44 Banken in Bayern stellen hohe Dispozinsen 

"Zinssätze von 13 Prozent und mehr, die wir bei 119 Banken gefunden haben, sind einfach inakzeptabel", sagte Stephanie Pallasch, Projektleiterin der Stiftung Warentest. Die meisten Banken, die hohe Dispozinsen in Rechnung stellen, fand die Stiftung mit 44 in Bayern. In NRW waren es 15 (darunter auch die Volksbank Minden), in Hessen 12, in Baden-Württemberg 7 und in Sachsen 3. In Brandenburg und Berlin lagen alle Institute unter 13 Prozent, was auch mit der dort eher armen Bevölkerung zu tun haben dürfte.

Dispositionskredite sind beliebt, weil sie von den Kunden nach Bedarf ausgeschöpft oder zurückgezahlt werden können. - © FOTO: DPA
Dispositionskredite sind beliebt, weil sie von den Kunden nach Bedarf ausgeschöpft oder zurückgezahlt werden können. | © FOTO: DPA

Bei der Sparkasse Höxter müssen Geschäftskunden bis zu 13 Prozent für den Dispo zahlen, Privatkunden 11,91 Prozent. Zur Begründung sagte Sparkassen-Mitarbeiter Ansgar Potthast, ein Dispo sei nur als kurzfristige Überbrückung gedacht. Dann falle auch der höhere Zins kaum ins Gewicht.

Überziehungskredite seien unbesichert und damit für die Banken die teuerste Form der Kreditgewährung, rechtfertigte sich Stephan Götzl, der Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern. Er warf der Stiftung Warentest Stimmungsmache im Wahlkampf vor.
Primus argumentierte, der Leitzins der Europäischen Zentralbank liege bei 0,5 Prozent. Die Banken könnten sich selbst also sehr billig Geld leihen. Ihre Dispo-Zinsen müssten deshalb "deutlich unter zehn Prozent" liegen. Schließlich würden auch fast alle Kunden ihre entsprechenden Kredite zurückzahlen, das Ausfallrisiko sei sehr klein.

Zinsniveau im europäischen Vergleich sehr hoch

Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie Österreich und Holland liegt das Zinsniveau in Deutschland außergewöhnlich hoch. Vor allem Kunden in Kleinstädten und ländlichen Regionen bezahlen mehr als nötig. Grund: Dort gibt es oft nur einen Anbieter in erreichbarer Nähe. Diese Bank kann den Verbrauchern dann die Bedingungen diktieren. In größeren Städten dagegen herrscht mehr Konkurrenz.

Eine ähnliche Untersuchung hat die Stiftung vor einem Jahr durchgeführt. Seither sei der Durchschnittszins für Dispokredite von 11,76 Prozent 2012 auf 11,31 Prozent Mitte 2013 gefallen. Nicht alle Banken hatten großes Interesse, an der Untersuchung teilzunehmen. Etwa 600 Institute hätten die Tester persönlich besuchen müssen, um die Dispozinsen herauszufinden. 26 Institute verweigerten die Mitwirkung. Laut Primus verstoßen sie gegen das Gesetz, das die Veröffentlichungen solcher Informationen auf den Internetseiten der Banken vorschreibt. ¦ Meinungsbörse

     

Bis zu 3,4 Prozent Unterschied beim Zinssatz in Ostwestfalen-Lippe

Bielefeld (he). Die in Ostwestfalen-Lippe vertretenen Geldinstitute liegen mit ihren Dispositionskrediten knapp über dem von der Stiftung Warentest errechneten Durchschnitt von 11,31 Prozent. Ausnahmen sind die Kreissparkasse Wiedenbrück mit 11,29 Prozent und die Kreissparkasse Halle mit 10,60. Mit die höchsten Überziehungskreditzinsen verlangt die Targobank mit 13,99 Prozent, die weiteren Großbanken wie die Postbank (12,3) oder die Commerzbank (11,90) liegen deutlich dahinter. Bei den Sparkassen langt die Sparkasse Gütersloh mit 12,35 Prozent zu, knapp dahinter liegt die Sparkasse Bielefeld mit 12,25. Angaben zu den Zinssätzen der Volksbanken in OWL sind auf deren Online-Angeboten kaum auszumachen. Ausnahmen sind die Volksbank Gütersloh (11,50 Prozent) und die Bielefelder Volksbank (11,96). Leicht sind die Zahlen nicht zu finden. Versteckt seien sie allerdings nicht, sagt die Bielefelder Volksbank-Sprecherin Manuela Llewelyn: "Sie sind klar dem jeweiligen Produkt zugeordnet."