RHEDA-WIEDENBRÜCK

Familienstreit bei Tönnies lähmt Schlachtkonzern

Machtkampf im Unternehmen belastet Mitarbeiter

12.09.2012 | 12.09.2012, 17:16

Ein "Fiasko", so heißt es, habe er am Produktionsstandort Weißenfels in Sachsen-Anhalt durch seine "soziale Inkompetenz" angerichtet. Zig Topleute hätten Wochen gebraucht, das zerschlagene Porzellan wieder zu kitten. Da flog schon mal ein Monitor durchs Büro oder eine Fleischkiste durch die Produktionshalle. Jähzorn sei eine Schwäche des Gesellschafters, berichten Mitarbeiter, die auch schon seinen Vater Bernd erlebt hatten. Wiederholt hätten die Spitzenkräfte den in dieser Frage nach ihrer Ansicht geduldigen Clemens Tönnies angefleht, sie von seinem Neffen zu entlasten.

Das ist aber einfacher gefordert als getan, denn Robert Tönnies besitzt 50 Prozent an dem Unternehmen. Nun fordert er den Fünf-Prozent-Anteil zurück, den er 2008 seinem Onkel geschenkt hatte. "Clemens Tönnies hat seinem Neffen die großzügige Geste nicht gedankt", hatte Robert Tönnies’ Anwalt Mark Binz den Schritt begründet. Und "grober Undank" wäre ein juristisches Argument, das Geschenk und dadurch die Mehrheit zurückzuerhalten. Gewinnt der Neffe den Machtkampf, dann sind Clemens Tönnies’ Zukunftsaussichten im Schlachtkonzern eher düster, denn an ein Miteinander von Onkel und Neffen glaubt bei Tönnies niemand mehr.

Mittlerweile herrsche absolute Funkstille zwischen Onkel und Neffe; nur noch über ihre Anwälte tauschten sie sich aus, heißt es. Robert Tönnies empört sich per Advokat über private Beteiligungen seines Onkels an dem Rivalen Zur Mühlen (Böklunder-Würstchen). Im Januar hatte er einen offenen Brief an die Mitarbeiter geschrieben, in dem er unter anderem forderte, sein Onkel solle seine Beteiligungen in die Tönnies-Holding einbringen, um künftig "handfeste Interessenskonflikte", etwa durch Gewinnverlagerungen, auszuschließen.

Dieser Brief, der an große Teile der Belegschaft ging und in dem Robert Tönnies seinen Führungsanspruch im Hause Tönnies anmeldet, habe das gesamte Unternehmen gelähmt, berichten Mitarbeiter. "Hier herrschen Existenzängste", sagt ein Manager. In den Zerlegehallen gibt es nur noch ein Thema – den Familienstreit. Zusammen mit seinem Rechtsbeistand versuche Robert Tönnies, die Arbeit seines Onkels zu diskreditieren, berichten Mitarbeiter.

Robert behaupte, sein Onkel arbeite nur ein Erfolgsprogramm ab, das Bernd Tönnies seinem Bruder quasi auf dem Sterbebett diktiert habe. Dabei sind die unternehmerischen Leistungen des verstorbenen Firmengründers nicht unumstritten. Vor allem die Eigenkapitalquote der Großschlachterei sei mehr als dünn gewesen, als Clemens Tönnies die Führung übernommen habe. Bei einem Umsatz von damals rund 480 Millionen Mark habe Bernd Tönnies Schulden in Höhe von 148 Millionen Mark angehäuft. Tönnies-Fleisch habe aber nur über rund 6 Millionen Mark an Eigenkapital verfügt, berichtet ein Insider. "Das Unternehmen war in großer Gefahr." Mittlerweile setze der Großschlachter zirka 4,6 Milliarden Euro um und beschäftige rund 9.000 Mitarbeiter (5.000 in Rheda). Die Eigenkapitalquote liege bei 61 Prozent.