HARSEWINKEL

Cathrina Claas-Mühlhäuser: "Da kannst du nicht kündigen"

Interview mit der Juniorchefin der Claas-Gruppe

02.04.2011 | 03.04.2011, 00:41
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Claas-Mühlhäuser:

"Da kannst du

nicht kündigen" - © WIRTSCHAFT
Cathrina
Claas-Mühlhäuser:
"Da kannst du
nicht kündigen" | © WIRTSCHAFT

Harsewinkel. Cathrina Claas-Mühlhäuser saß schon als Kind auf Landmaschinen. Mit der Juniorchefin der Claas-Gruppe, einer der weltgrößten Landtechnikhersteller, sprach Andrea Frühauf.

Frau Claas-Mühlhäuser, mit Ihrem Sohn Max-August ist die vierte Generation gesichert. Hat er schon einen kleinen Traktor?
CLASS-MÜHLHÄUSER: Dafür ist er mit einem halben Jahr noch ein bisschen jung.

Hatte Ihr Vater sich gewünscht, dass Sie bei Claas einsteigen?
CLASS-MÜHLHÄUSER: Mit Sicherheit. Aber er hätte mich nie gezwungen.

Juniorchefin Cathrina Claas-Mühlhäuser vor der Villa ihres Großvaters . - © FOTO: CLAAS
Juniorchefin Cathrina Claas-Mühlhäuser vor der Villa ihres Großvaters . | © FOTO: CLAAS

Was wäre denn die Alternative gewesen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Ich hatte mir ehrlich gesagt mal überlegt, eine Kindergartenkette aufzumachen. Das macht jetzt in der Schweiz eine Bekannte von mir. Es läuft gut.

Was sind Ihre schönsten Kindheitserinnerungen, die Sie mit Harsewinkel verbinden?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Zum einen unsere Nachbarn, Familie Oing. Die wohnten nur einen halben Kilometer von uns entfernt und hatten sieben Kinder. Da war natürlich immer was los. Wir haben Hütten gebaut und die Schweine geärgert. Das andere waren die Ausflüge mit meinem Vater. Sonntags ist er oft mit mir durch die Fabrik gelaufen. Es war total still. Als Kind bin ich auch auf Maschinen mitgefahren und habe Schrauben gesammelt.

Waren Sie kein typisches Mädchen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Manchmal, wenn ich pflichtschuldigst meine Puppen ausgezogen und ins Bett gebracht hatte, ließ ich sie drei Tage lang schlafen. Dann empfand ich mich als eine so schlechte Puppenmutter, dass ich gedacht habe: Das ist nichts für dich. Da waren die Hunde doch ein bisschen spannender.

Fiel es Ihnen schwer, nach Harsewinkel zurückzukehren?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Claas in Harsewinkel, das ist die große weite Welt. Es war nicht der Weg zurück in die Kleinstadt, sondern es war ein neuer Weg in die Welt. Ich bin für Class in viele Länder gereist. Schon als Austauschschülerin war ich in Frankreich und Amerika. Im Studium war ich in Norwegen. Während meiner Tätigkeit für ABB war ich ein halbes Jahr in Chile. Das hat mich auch menschlich weitergebracht.

Könnte es trotzdem ein Problem werden, gute Arbeitskräfte nach Harsewinkel zu holen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Erstmal haben wir hervorragende Leute. Und wir haben aktuell eine Ausbildungsquote von sieben Prozent. Zudem versuchen wir, viele Nachwuchskräfte aus der Region zu rekrutieren. Wir haben ja auch Partnerschaften mit den Universitäten in Bielefeld und Osnabrück. Wir wollen gerne Menschen haben, die uns erhalten bleiben.

Information

Beruflicher Werdegang

Cathrina Claas-Mühlhäuser (35), Tochter von Helmut und Erika Claas, ist seit Oktober 2010 Vorsitzende des Aufsichtsrates und seit 2004 stellvertretende Vorsitzende des Gesellschafterausschusses der Claas-Gruppe. Nach Abitur und einer Ausbildung zur Industriekauffrau studierte sie in der Schweiz Betriebswirtschaftslehre und absolvierte Praktika in Unternehmen im In- und Ausland. Nach dem Studium lernte sie alle in- und ausländischen Gesellschaften der Claas-Gruppe kennen. Ehe sie sich ausschließlich ihren Aufgaben bei Claas zuwandte, sammelte sie einige Jahre Berufserfahrungen bei deminternationalen Automationstechnik-Großkonzern ABB in der Schweiz und in Lateinamerika.

Mitarbeiter schwärmen von Ihrem Vater, der sehr lange Betriebszugehörigkeit mit einer goldenen Armbanduhr belohnt. Werden Sie seine Tradition fortsetzen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Auf jeden Fall. Nur, wir haben Jubilarfeiern an allen 16 Standorten. Und ich fände es nicht fair, wenn ich immer nur in Harsewinkel dabei wäre. Ganz ehrlich: Ich schaffe es einfach nicht. Mein Vater hat dieses Traditionsdenken, weil er vor 50 Jahren angefangen hat und immer da ist. Damals war das Unternehmen aber nur ein Zehntel so groß wie heute. Vor 10 Jahren hatten wir 5.500 Mitarbeiter. Heute sind es mehr als 9.000. Ich würde ganz viele Dinge gerne tun, aber die Komplexität des Unternehmens lässt mir dafür keine Zeit.

Gab es anfangs Widerstände von Managern?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Nach der Uni habe ich ein halbes Jahr lang eine Tour durch das Unternehmen gemacht und alle Tochtergesellschaften außer in den USA und Indien besucht. Ich habe mit den Führungskräften Gespräche vereinbart, mich akribisch darauf vorbereitet und für jeden einzelnen Fragenkataloge entworfen. Hinterher habe ich Protokolle geschrieben.

Sie sind sehr diszipliniert.
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Ich kann nicht über Dinge entscheiden, wenn ich nicht mal die handelnden Personen kenne. Damals habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Leute sehr positiv darauf reagierten, weil sie wussten, was ich von ihnen will. Ich hatte das Gefühl, dass sich die meisten gefreut haben, als ich die Nachfolge meines Vaters antreten wollte.

Was wäre anderenfalls mit dem Unternehmen passiert?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Verkauft hätte ich das Unternehmen nicht. Ich bin ja jetzt auch nicht in der Geschäftsführung. Aber ich war damals erst 25. Wie hätten Sie denn reagiert, wenn Ihnen jemand gesagt hätte: "So jetzt entscheide dich für den Rest deines Lebens." Das ist ein Job, bei dem hat Papa gesagt: "Überleg es dir gut. Ich bin dir nicht böse. Aber wenn du das machst, kündigen kannst du nicht mehr."

Ist es nicht ein großer Druck, für 9.000 Mitarbeiter Verantwortung zu übernehmen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Warum fragt mich eigentlich keiner: Ist es nicht spannend und schön, etwas bewegen zu können? Ich find’s toll.

Gibt es auch mal Meinungsunterschiede mit Ihrem Vater, etwa über Strategien?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: In diesem Punkt sind wir uns immer einig. Aber in der Arbeitsweise unterscheiden wir uns ziemlich. Mein Vater war selbst Geschäftsführer.Ich bin Mitglied des Gesellschafterausschusses und kümmere mich um die strategische Steuerung des Unternehmens. Die Konzernleitung ist für das operative Geschäft verantwortlich.

Was ist konkret Ihre Aufgabe?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Ich übernehme Stück für Stück Papas Aufgaben und habe schon einen ganz großen Teil. Ich leite die Sitzungen des Aufsichtsrats und des Gesellschafterausschusses und im Grunde genommen übernehme ich schon viele organisatorische Aufgaben von ihm. Ich bin ja die stellvertretende Vorsitzende im Gesellschafterausschuss. Deshalb ist es auch ganz wichtig, dass man besonders gut vorbereitet und mit den Themen vertraut ist. Ich sehe mir natürlich auch die Verkaufszahlen an, lese sehr viele Berichte und spreche regelmäßig mit allen Konzernleitungsmitgliedern.

Aber es geht auch um technische Fragen.
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Ja sicher, Technik hat mich immer schon interessiert. Ich hatte nach der Universität auch ein Angebot eines großen Konzerns zum Verkauf von Klopapier. Aber beim Vergleich Klopapier gegen Hightech hat ganz klar Hightech gewonnen. Ich habe versucht, mir in den letzten Jahren, vor allem durch Besuche bei Kunden, ein gutes landwirtschaftliches und technisches Wissen anzueignen.

Hat die Reaktorkatastrophe in Japan bei Ihnen Folgen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Wir haben uns natürlich sofort bei unserem Importeur in Tokio erkundigt. Es ist dort Gott sei Dank keinem Mitarbeiter und deren Familien etwas geschehen und es hat bisher auch keine direkten Auswirkungen für uns gehabt. Wir verkaufen in Japan unsere ganze Produktpalette. Es wird dort sicher Absatzrückgänge geben. Aber der Markt hat für uns nicht die Bedeutung wie für die Autoindustrie. Es ist eine furchtbare Tragödie.

Denken andere Länder in puncto Nachhaltigkeit ähnlich wie die Deutschen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: In einer gemeinsamen Diskussionsrunde am Welthungertag in Berlin sagte die Landwirtschaftsministerin von Uganda letztes Jahr: "Ihr im Westen wollt uns vorschreiben, wie wir zu leben haben in Afrika. Am liebsten wäre euch, wenn wir so leben würden wie vor 200 Jahren, weil ihr das wahnsinnig nachhaltig findet. Aber wir wollen das gar nicht." Auch die Inder sagen: "Wir wollen nicht mehr auf dem Land arbeiten. Das ist wahnsinnig harte Arbeit mit viel Staub." Durch die Mechanisierung wird die Arbeit aber weniger hart und qualitativ besser. Genau da kommen wir ins Spiel. Auf dem Land fehlen mittlerweile Arbeitskräfte in Indien, die durch Maschinen ersetzt werden müssen. Unsere neue Mähdrescher-Fabrik ist dort schon wieder ausgelastet. Nachhaltigkeit heißt ja vor allem, die langfristig zuverlässige Produktion von Nahrungsmitteln für diese vielen Menschen. Und das ist nur mit modernen Produktionsmitteln möglich.

Was sind die Ziele von Claas?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Wir planen keine Firmenkäufe, sondern wollen nachhaltig organisch wachsen. Wir verfolgen vor allem strategische Ziele. In unserem Kerngeschäft gibt es so viele Wachstumsmöglichkeiten. Auch in Amerika wollen wir Schritt für Schritt den Markt beackern. In den früheren GUS-Staaten und Russland wollen wir neue Kontakte knüpfen. Mein Vater hat sich 1998 in der Krise nicht aus Russland zurückgezogen. Das war wahnsinnig wichtig. Die Kunden sind uns bis heute erhalten geblieben.

Wie würden Sie Ihre Firmenkultur beschreiben?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Wir haben 2007 in einer konzernweiten Umfrage die Werte abgefragt. 80 Prozent sagten: Innovationskraft, Bodenhaftung und in Bewegung bleiben. Letzteres ist ein Motto meines Vaters.

Ihr Vater denkt mit 84 Jahren noch nicht ans Aufhören?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Mein Großvater August Claas ist so lange ins Unternehmen gegangen, bis er physisch dazu nicht mehr in der Lage war. Mit 85 ist der noch mit dem Fahrrad durch den Betrieb gefahren. Ich denke, bei meinem Vater wird es genauso sein.

Und was sind Ihre Wünsche für das Familienunternehmen?
CLAAS-MÜHLHÄUSER: Ich wünsche mir, dass es grundsätzlich familiär weitergeht. Da sind wir uns alle einig.