"Man muss besser sein"

INTERVIEW: Werner Heer, Vorstandssprecher der Dürkopp-Adler AG

03.09.2010 | 03.09.2010, 00:00

Bielefeld. Nur wenige Unternehmen werden 150 Jahre alt. So wie der Bielefelder Nähmaschinenbauer Dürkopp-Adler, der nächste Woche die Gründung im Jahr 1860 feiert. Seit 2005 gehört der Konzern zur chinesischen SGSB-Gruppe. Vorstandssprecher Werner Heer sprach mit Martin Krause über die Zukunftschancen.

Herr Heer, Sie arbeiten in einem chinesischen Konzern. Müssen Sie da chinesisch sprechen?
WERNER HEER: Daran würde ich scheitern. Unsere Umgangssprache ist Deutsch oder Englisch. Mein Vorstandskollege Qing Wang zum Beispiel spricht nicht nur perfektes Englisch, sondern auch exzellentes Deutsch, und er wohnt mit seiner Familie in Bielefeld.

Von 2003 bis 2006 waren Sie bereits Vorstandschef, dann haben Sie Dürkopp-Adler verlassen. Seit 2009 sind Sie zurück. Wie kam’s?
HEER: Bis 2003 hatte Dürkopp jede Menge Vorstandswechsel erlebt und jahrelang Verluste geschrieben. Also kam man auf die Idee, mich in den Vorstand zu holen, zumal ich als langjähriger Geschäftsführer der profitablen Fördertechniksparte die Strukturen kannte. Dann haben wir den Turn-around geschafft. Der neue chinesische Mehrheitsaktionär SGSB und ich wurden uns aber nicht über die weitere Strategie einig. 2006 wurde also mein Vertrag nicht verlängert. Später folgte der wirtschaftliche Einbruch, und die Chinesen fragten, ob ich zurückkomme.

In welchen Punkten waren Sie sich uneinig?
HEER: Das ging zum Teil um Details, vor allem aber um die Strategie im für uns sehr wichtigen chinesischen Markt. Wir hatten bestimmte Vorstellungen, wie man den Markt erschließt, aber die Chinesen meinten, dass sie sich in China besser auskennen.

Wer hat sich jetzt durchgesetzt?
HEER: Das kann man so nicht sagen. Wir haben uns geeinigt.
Dürkopp-Adler feiert sein 150- jähriges Bestehen. Wird auch das 175-jährige in Bielefeld gefeiert?
HEER: Wenn es nach mir geht, ja. Ich denke, das wollen auch unsere chinesischen Aktionäre - das haben sie seit 2005 bewiesen. Was wir 2009 an Zahlen abgeliefert haben, hätte andere Investoren in die Flucht geschlagen. Das Engagement, das SGSB an den Tag gelegt hat, um uns durch die Krise zu helfen, zeigt, dass ihr Bekenntnis zu Bielefeld nicht nur vordergründig war.

Warum wird das Werk in Bielefeld nicht abgebaut und nach China transferiert?
HEER: Wir feiern nicht ohne Grund hier 150-jähriges Jubiläum. Wir hatten 150 Jahre Zeit, um hier Know-how und Kompetenz anzusammeln. Zudem liegen zwar 60 Prozent des Marktes in Asien - aber 40 Prozent befinden sich immer noch in Europa und Amerika. Es wäre also gar nicht sinnvoll, einen etablierten Standort in Europa aufzugeben.

Sie haben den Standort Bielefeld deutlich geschrumpft und sich konzentriert auf technologieträchtige Bereiche. Warum?
HEER: Das Brot-und-Butter-Geschäft sind einfache Nähmaschinen, die in großer Zahl hergestellt werden. Doch in Asien sind wir damit unter Druck geraten - für die Produktion einfacher Maschinen waren unsere Lohnkosten zu hoch. Von diesen Produkten mussten wir uns nach und nach verabschieden. Haushaltsnähmaschinen, wie es sie heute aus asiatischer Produktion beim Discounter für 50 Euro gibt, stellen wir schon seit den 60er Jahren nicht mehr her.

Sind die Lohnkosten der einzige Grund für den jahrzehntelangen Niedergang der deutschen Nähmaschinenbauer?
HEER: Wir treffen in Asien auf sehr kompetente Konkurrenz. Die Japaner sind seit Jahren sehr gut, auch die Chinesen haben viel dazugelernt. Im Mengenmarkt sind sie heute eindeutig bestimmend.

Das relativiert aber Ihre Einschätzung, dass speziell in China noch ein großes Marktpotenzial liegt!
HEER: Wenn Sie sich vor den Wettbewerbern verstecken müssen, dann können Sie das Licht ausmachen. Es gibt nur die Chance, sich offensiv mit dem Wettbewerb auseinanderzusetzen. Man muss eben besser sein!

Suchen Sie die Märkte der Zukunft? Zum Beispiel in Afrika?
HEER: Das gehört schon immer zu unserem Geschäft. Die Textilindustrie wandert ständig, und wir mussten lernen, uns rund um den Globus zu bewegen. Wir schulen hier im Haus gerade neue Kollegen aus Madagaskar.

Sie haben die profitable Fördertechnik gerade an die Knapp AG in Graz verkauft. Wäre eine weitere Fokussierung sinnvoll?
HEER: Wir sind bereits fokussiert auf den Nicht-Textil-Bereich mit Kunden aus Autoindustrie, Leder- und Polsterbranche. Da sind wir in Europa mit Abstand Marktführer. Mit unseren Leistungen können wir oben mitspielen, weltweite Marktführerschaft ist unser Ziel. Doch die Textilbranche, für die wir keine so große Rolle spielen, mit der wir aber immer noch 50 Prozent unserer Umsätze machen, wollen wir auf keinen Fall aufgeben.

Was war entscheidend für das Überleben von Dürkopp-Adler?
HEER: Eindeutig der Aufbau der Fertigung in Tschechien und Rumänien. Bei den Lohnkosten ist das Verhältnis etwa so: 10 in Bielefeld, 2,5 in Tschechien und 1 in Rumänien. Dort sind die Lohnkosten inzwischen günstiger als in China, wo es kräftige Lohnsteigerungen gegeben hat.

Und wovon hängt jetzt das Überleben des Standorts Bielefeld ab?
HEER: Wir müssen innovativ sein. Voraussetzung für erfolgreiche Entwicklungsarbeit bleibt die eigene Fertigung. So kann man sicherstellen, dass man nicht am Markt vorbeiproduziert und Angebote macht, die in der Praxis keiner braucht.