Fragen und Antworten

Die Finanzverwaltung NRW legt bei Steuererklärungen den Turbo ein – mit KI

Zwei Finanzämter in OWL nutzen ab Mai künstliche Intelligenz zur Bearbeitung von Steuererklärungen. Wie Experten diesen Schritt beurteilen.

Den Steuerbescheid könnte es bald vom Finanzamt Bielefeld-Außenstadt und vom Finanzamt Lübbecke besonders schnell geben. | © picture alliance / dpa-tmn

Mareike Köstermeyer
28.04.2025 | 28.04.2025, 05:00

Bielefeld/Lübbecke. Die Steuererklärung ist für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ein lästiges Thema. Nicht nur das Ausfüllen des Papierkrams nimmt Zeit in Anspruch, sondern auch die Bearbeitung dieser in den Finanzämtern vor Ort geschieht nicht von heute auf morgen. Doch das will die Finanzverwaltung NRW in Zukunft ändern – mithilfe von künstlicher Intelligenz.

Was genau plant das Finanzministerium NRW?

Die Landesregierung NRW teilt mit: „Die Finanzverwaltung NRW geht einen weiteren Schritt in Richtung Digitale Verwaltung: Ab Mai 2025 wird in vier Pilotfinanzämtern erstmals ein KI-Modul zur Unterstützung der Steuerveranlagung eingesetzt.“ Heißt: In vier Finanzämtern werden Steuererklärungen in Zukunft von künstlicher Intelligenz bearbeitet. Ausgewählt wurden die vier Finanzämter nach ihrer Größe und Lage. Mit dabei sind neben Hamm und Brühl auch die Finanzämter Bielefeld-Außenstadt und Lübbecke.

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Wie läuft das ab?

Das neue KI-Modul soll Muster in den Steuerdaten erkennen und so gut nachvollziehbare Fälle mit geringem Prüfbedarf gezielt identifizieren. Gestartet werde darum mit klassischen Arbeitnehmerfällen, also Steuererklärungen mit Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit, Kapitalerträgen, Vorsorgeaufwendungen, Sonderausgaben, haushaltsnahen Dienstleistungen und ähnlichen Bereichen. Diese sollen von der KI dann automatisiert verarbeitet werden. Eine Ausweitung auf weitere Fallkonstellationen sei aber bereits in Planung, teilte die Finanzverwaltung NRW weiter mit.

Was will die Finanzverwaltung NRW damit bezwecken?

„Weniger Aufwand, mehr Tempo“ lautet die Philosophie hinter dem KI-Vorstoß. Denn: Wenn die KI sich mit den einfachen Steuerfällen befasst, erhalten die Beschäftigten der Finanzverwaltung weniger automatische Hinweise, die sie manuell prüfen müssen. Eigenen Angaben zufolge betreuen die Finanzämter in NRW insgesamt rund 7,3 Millionen Einkommenssteuerfälle und aktuell liegen die Bearbeitungszeiten für 95 Prozent aller Einkommenssteuererklärungen zwischen zwei Wochen und fünf Monaten. Die Finanzverwaltung NRW stellt in Aussicht, dass das in Zukunft schneller gehen wird.

Sind sensible Steuerdaten damit weiterhin geschützt?

Wie ein Sprecher des Finanzministeriums NRW auf Nachfrage dieser Redaktion betont, werde das KI-Modul lediglich auf der internen Infrastruktur der Finanzverwaltung für NRW im landeseigenen Rechenzentrum durchgeführt. „Es werden keine personenbezogenen Daten nach außen übertragen, gleichzeitig sind die Daten vor einem Zugriff von außen geschützt.“

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Nutzen andere Finanzverwaltungen auch KI?

Das ab Mai 2025 in vier Finanzämtern in NRW genutzte KI-Modul wurde vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen im Rahmen des bundesweiten KONSENS-Verbundes entwickelt. KONSENS steht dabei für „Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung“ und ist ein Vorhaben der Steuerverwaltungen der Länder und des Bundes in Deutschland. Das heißt, auch in anderen Bundesländern könnte das Modul nach der Pilotphase zum Einsatz kommen.

Doch schon jetzt ist den Beschäftigten der Finanzämter unter strengen Auflagen die Nutzung kommerzieller Chatbots wie Google Gemini oder ChatGPT erlaubt, beispielsweise zur Erstellung und Zusammenfassung von Texten oder zur juristischen und steuerrechtlichen Recherche.

Wie bewerten Experten das Pilotprojekt?

Der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe, der auch in OWL an mehreren Standorten vertreten ist, steht dem Pilotprojekt der Finanzverwaltung recht gelassen gegenüber. Auf Nachfrage dieser Redaktion teilt der Verein mit: „Schon jetzt werden in Finanzämtern viele Steuererklärungen automatisiert bearbeitet, also, ohne dass noch ein Mensch draufschaut. Von daher ist diese Thematik nicht ganz neu, sondern eher ein Ausbau oder eine Weiterführung des bereits etablierten Verfahrens.“

Wenn der Einsatz von KI nun dazu beitrage, dass Bürgerinnen und Bürger ihren Steuerbescheid schneller erhalten und die Steuererklärungen noch genauer und noch effizienter bearbeitet werden, dann begrüße der Verein das, Uwe Rauhöft, Vorstandsmitglied des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe.

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Etwas kritischer äußert sich dagegen Jonas Grill, ein Sprecher von Digitalcourage, der Bürgerinnen und Bürger dazu aufruft, beim Thema KI immer sorgfältig zu prüfen, ob es sich beim Anbieter solcher Module immer um deutsche oder europäische Dienste handelt. Denn: „Vor allem im Bereich der Finanzen gilt besondere Vorsicht beim Einsatz von KI hinsichtlich sensibler Daten.“

Grill warnt darum davor, dass sensible Informationen – wie die Steuerdaten der Bürgerinnen und Bürger – den Server des KONSENS-Programms, der nach Angaben der Landesregierung auf den Computern der Rechenzentren von Nordrhein-Westfalen betrieben wird, nicht verlassen dürfen. Hier müsse die Landesregierung ihr Wort halten.