
Videoclips und verrückte bis gefährliche Challenges: Damit ist die Plattform Tiktok den meisten Menschen bekannt. Doch seit Montag, 31. März, fügen die Betreiber noch eine Funktion hinzu: Künftig werden Nutzer hier im Online-Shop auch einkaufen können. Wie das genau funktioniert, worauf Verbraucher achten müssen und welche großen Bedenken Datenschützer haben, lesen Sie hier.
Wie funktioniert der Online-Shop?
Tiktok ist eine der größten Social-Media-Plattformen und gehört dem chinesischen Konzern Bytedance. Per Algorithmus ausgewählt, bekommen Nutzer Videos angezeigt und können auch selbstgedrehte Clips einstellen und teilen. Und genau hier kommt die Shopping-Funktion ins Spiel: Künftig können Nutzer Produkte, die von Influencern in Videos oder Livestreams gezeigt werden, direkt bestellen. Händler und Hersteller auf der anderen Seite können ihre Produkte auf der Plattform vermarkten und anbieten.
Was ist neu an dem Konzept?
Der gesamte Kaufprozess ist in die App integriert, die Zahlungsdaten sind hinterlegt und eine Verlinkung zum Shop des Anbieters ist, anders als bislang bei Plattformen wie Instagram oder Facebook, nicht nötig. „So etwas hat es bisher nicht gegeben. Das ist ein echter Gamechanger“, sagt E-Commerce-Expertin Karolin Junker de Neui von der Digitalberatung Etribes.
Welche großen Unternehmen sind dabei?
Neben dem Modelabel About you, Bücherriese Thalia, ist Beiersdorf mit Marken wie Nivea, Hansaplast oder Eucerin am Start. Außerdem vermarktet zum Beispiel das Unternehmen Cosnova mit den Make-up-Linien Catrice und Essence sich über Tiktok.
Sicherheit, Datenschutz und Kritik
Auch ohne Online-Shop im Portfolio häufen sich seit Jahren datenschutzrechtliche und andere Vorwürfe gegen die Plattform. Nun kommt noch hinzu, dass der Social-Media-Riese eine extrem junge Zielgruppe mit nahezu grenzenlosen Shopping-Möglichkeiten konfrontiert. Zwar liegt das offizielle Mindestalter laut dem deutschen Tiktok-Shop-Chef Max Burianek bei 18 Jahren. Allerdings haben schon mehrere Datenschützer darauf hingewiesen, dass sich die Überprüfung lediglich über den Besitz einer Kreditkarte beschränke und leicht umgangen werden könne.
Der Bundesverband der Verbraucherzentrale kritisiert zudem manipulative Designs – also Benutzeroberflächen, die Nutzer beeinflussen und austricksen, um sie dazu zu bringen, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Verbraucher sollten sich nicht allein auf die Produktpräsentation oder vermeintlich authentische Empfehlungen verlassen, rät Stefanie Grunert, Referentin beim Team Kauf und Handel. Sie sollten darauf achten, wer ihnen etwas verkauft, und beim Bezahlen nicht auf den Käuferschutz verzichten.
Das Augsburger Institut für Generationenforschung warnt vor Überkonsum und Überschuldung junger Menschen. Zukunftsforscher Hartwin Maas: „Ein einfacher Klick, und schon ist der Kauf abgeschlossen – schneller als je zuvor. Die schlechte Nachricht: Die Rechnung kommt am Monatsende.“ Durch die raffinierte Ergänzung des E-Commerce werde eine „Schuldenfalle“ insbesondere für junge Leute eröffnet.
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Welche Erfolgsaussichten für den Shop sehen Experten?
In anderen Ländern kann bereits seit Längerem über Tiktok eingekauft werden, in den USA und Großbritannien bereits seit 2021, Irland und Spanien stießen Ende des vergangenen Jahres dazu. Statistiken des Marktforschers NIQ zeigen, wie schnell der Online-Shop gewachsen ist. Mit einem Marktanteil von 4,7 Prozent war Tiktok im vierten Quartal 2024 schon der drittgrößte Onlinehändler. Die stärksten Kategorien sind Schönheitsartikel, Bekleidung und Haushaltsprodukte.
Aber kann Tiktok eine ernsthafte Konkurrenz werden für die großen Onlinehändler? „Amazon ist der absolute Platzhirsch und wird so schnell nicht vom Thron gestoßen werden“, sagt Ralf Deckers vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH). Dennoch sei nicht zu unterschätzen, wie stark verankert Tiktok bei jüngeren Menschen sei. „Die Plattform hat sehr hohe Reichweiten und sehr hohe Öffnungsraten.“ Da die Nutzungsrate aber stark abfiele, je älter Nutzer würden, „wird das Wachstum automatisch begrenzt.“
Zudem zeigen Nutzerbefragungen des Instituts für Handelsforschung, dass eines der bevorzugten Formate des Tiktok-Online-Shops, der Livestream, beim deutschen Publikum auf wenig Interesse stoße. „Das ist im Prinzip Verkaufsfernsehen. Und das ist in Deutschland nur wenig etabliert.“ Dennoch zeige sich auch immer wieder, dass Tiktok Einfluss auf Absatzzahlen bei Händlern habe.
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Mit Material der dpa.