
Je länger Donald Trump im Amt ist, desto mehr Porzellan scheint er zu zerschlagen. Mal spielt der neue US-Präsident öffentlich mit dem Gedanken, Grönland zu kaufen oder Kanada einzugemeinden, mal wirft er mit Strafzöllen um sich, mal stellt er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor laufenden Fernsehkameras bloß. Und während Trumps Stellvertreter J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz Europa attackiert, mischt sich Trump-Berater Elon Musk in den deutschen Bundestagswahlkampf ein.
Die neue „Maga“-Politik der USA beunruhigt nicht nur viele Menschen – sie bewegt offenbar viele inzwischen auch zum Handeln. Im Internet kursieren seit Wochen Aufrufe mit dem Ziel, den USA mit gezielten Produktboykotts den Stinkefinger zu zeigen. Die Ideen reichen vom Kündigen des Amazon-Abos bis zum Boykott amerikanischer Lebensmittel wie Coca-Cola.
In manchem Land hat sich der Protest längst auf eine höhere Ebene verlagert – selbst Händler und Supermarktketten machen mit. Und mancherorts bekommen US-Konzerne die Wut der Verbraucherinnen und Verbraucher schon ganz direkt in den Absatzzahlen zu spüren. Ein Überblick.
Käufer meiden Elektroautos von Tesla

Die wohl prominenteste Form der Kundenabkehr erlebt dieser Tage der Elektroautobauer Tesla. Das Unternehmen ist eng mit seinem CEO Elon Musk verbunden – einem Mann, der im deutschen Bundestagswahlkampf Werbung für die AfD machte, nach der Amtseinführung Trumps einen mutmaßlichen Hitlergruß zeigte und auf seiner Plattform X reihenweise kritische Beiträge absetzt. Vor einigen Tagen repostete Musk einen Beitrag, in dem es hieß, nicht etwa Adolf Hitler habe Millionen Menschen ermordet, sondern die Angestellten des öffentlichen Dienstes.
Wer heute noch einen Tesla fährt, bekommt stellvertretend den Zorn auf den Trump-Berater zu spüren. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa verbreiten sich Bilder, die beschmierte und zum Teil sogar zerstörte Tesla-Fahrzeuge zeigen. Manch einer versucht, dem zuvorzukommen, indem er seinen Wagen mit Aufklebern kennzeichnet. Darauf steht dann etwa: „Ich habe das Auto gekauft, bevor Elon verrückt wurde“.
Die logische Konsequenz: Elektroautos von Tesla werden immer mehr zum Ladenhüter. Nicht nur die Aktie des Autobauers befindet sich im freien Fall, auch die Verkaufszahlen in Deutschland lagen in den ersten beiden Monaten 2025 um 70 Prozent unter denen des Vorjahres, wie die Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamts zeigen. Im restlichen Europa zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab: Im Vereinigten Königreich fielen die Verkaufszahlen von Tesla um fast zwölf Prozent – während der E-Auto-Absatz generell auf Rekordniveau ist. In Frankreich brach der Absatz um 63 Prozent ein, in Schweden um 44 Prozent, in Norwegen um 38 Prozent und in den Niederlanden um 42 Prozent.
Lesen Sie auch: Falscher „Elon Musk“meldet sich bei Bad Salzufler und verspricht einen Tesla als Geschenk
Kanadier verbannen US-Produkte aus den Regalen

Die Drohung Donald Trumps, Kanada zum 51. Bundesstaat der Vereinigten Staaten zu machen, hat nicht nur einen ganz neuen Patriotismus im Nachbarland der USA entfacht – die Wut der Kanadier macht sich auch im Handel bemerkbar. Große und kleine kanadische Supermärkte haben angefangen, US-amerikanische Produkte aus ihren Regalen zu entfernen. Dies betrifft nicht nur Produkte wie Alkohol – aus zahlreichen Regalen verschwanden etwa die Flaschen der US-Marke Jack Daniels. Es betrifft auch Produkte des alltäglichen Gebrauchs.
Generell würden Kundinnen und Kunden in Kanada sehr viel häufiger nachfragen, wo ein Produkt hergestellt wurde, berichtet „Business Insider“ unter Berufung auf Händler. Viele Supermärkte kennzeichnen ihre Waren inzwischen mit Stickern, auf denen „Made in Canada“ steht.
Neben dem Vorschlag, Kanada zum Teil der USA zu machen, hatte Trump dem Nachbarland zuletzt immer wieder mit massiven Zöllen gedroht. Auch diesbezüglich reagieren die Kanadier mit Protest: Die Stadt Toronto etwa hat Tesla-Fahrzeuge von der E-Auto-Förderung ausgenommen.
Dänemark kennzeichnet europäische Produkte

Ähnlich wie die Kanadier sind auch die Dänen direkt von Donald Trumps Drohungen betroffen: Der neue US-Präsident hatte zuletzt immer wieder erklärt, er wolle das zu Dänemark gehörende Grönland kaufen – und schloss nicht einmal aus, dies zur Not mit militärischen Mitteln zu erzwingen. Die Däninnen und Dänen reagieren auf die Drohungen auf ihre ganz eigene Art.
Mehrere dänische Supermärkte, darunter die zum Handelsriesen „Salling Group“ gehörenden Ketten Netto, Fötex und Bilka, kennzeichnen inzwischen durch einen Stern auf dem Preis-Etikett, welche ihrer Produkte aus Europa kommen. Die Maßnahme ist offenbar ebenfalls eine direkte Folge von Kundenwünschen im deutschen Nachbarland. Zuletzt habe es zahlreiche Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern gegeben, welche Produkte in Europa produziert werden, teilte das Unternehmen mit.
Zeitgleich explodieren die Mitgliederzahlen einer Facebook-Gruppe namens „Boykot varer fra USA“ (Boykottiert Waren aus den USA). Innerhalb weniger Tage stiegen die Mitgliederzahlen der Gruppe auf inzwischen 88.000 Mitglieder an. Auch der Salling-Konkurrent Coop erklärte gegenüber der Agentur Ritzau, aktuell prüfe man, wie man „technisch kennzeichnen“ kann, „damit sich die Kundschaft leicht über die Herkunft unserer Produkte orientieren kann und damit auch, ob sie europäisch sind oder nicht.“
Grönlands Regierungschef: Keine Treffen mit US-Delegation
In den Niederlanden boomt eine Whatsapp-Alternative

Als Donald Trump im Januar in sein Amt eingeführt wurde, standen auch die CEOs der großen Tech-Konzerne hinter ihm. Viele von Ihnen brachten schon vor der Amtseinführung ihre eigene Unternehmenspolitik auf Linie des neuen US-Präsidenten, indem sie etwa Inklusionsprogramme abschafften. Insbesondere Mark Zuckerberg, Chef des Meta-Konzerns, zog mit weitreichenden Änderungen auf seinen Plattformen Instagram und Facebook viel Kritik auf sich.
Das hat offenbar Auswirkungen auf das digitale Nutzungsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Niederländische Medien berichteten kürzlich über einen wundersamen Download-Anstieg der Messenger-App Signal. Bei dem Dienst handelt es sich um eine Alternative zu Metas Messenger Whatsapp, die sich den Datenschutz auf die Fahne geschrieben hat. Betrieben wird er zwar auch in den USA, jedoch von einer gemeinnützigen Stiftung, die keinem großen Techkonzern untersteht. In einem Interview mit der niederländischen Zeitung „De Telegraaf“ erklärte Signal-Präsidentin Meredith Whittaker, die Zahl der „Neuanmeldungen“ sei in den Niederlanden um 25 Prozent gestiegen.
Ob der Anstieg unmittelbar mit der Trump-Politik zusammenhängt, lässt sich nicht eindeutig nachvollziehen – Fachleute allerdings sehen einen Zusammenhang. Vincent Böhre, Direktor der niederländischen Datenschutzorganisation Privacy First, verweist gegenüber dem Magazin „Techcrunch“ auf die verstärkte Medienberichterstattung und einen breiten Sinneswandel in der öffentlichen Meinung. Selbst Menschen, die sich nie wirklich mit Datenschutz beschäftigt hätten, interessierten sich seit dem Umbruch in den USA „plötzlich für datenschutzfreundliche Alternativen, insbesondere für Signal.“
Verbraucher werben für europäische Produkte
Auch im Netz formiert sich Protest. Seit Mitte Februar haben sich hier mehr als 190.000 Menschen unter dem Motto „Buy from EU“ in einer Reddit-Gruppe zusammengeschlossen. Das Ziel: Der organisierte Boykott von US-Produkten – gleichzeitig werden in zahlreichen Posts Alternativen aufgezeigt.
Europaweit ist ein kleiner Trend entfacht, bei dem Kundinnen und Kunden in Supermärkten US-Marken umdrehen, um diese zu kennzeichnen. Zahlreiche Posts dieser Art sind in dem Reddit-Forum zu sehen, etwa aus Spanien, Portugal und Polen. Aber auch in vergleichbaren Foren aus Kanada wurden ähnliche Beiträge bereits gepostet.
Aus der Ideensammlung ist inzwischen sogar eine Website hervorgegangen. Auf GoEuropean.org werden alle möglichen US-Produkte gelistet, sowie die dazugehörigen Alternativen aus Europa – jedoch betont ohne Boykottaufruf. Die Liste ist lang: Als Alternative zu Coca-Cola werden etwa Fritz-Kola, Sinalco und Vita Cola aus Deutschland aufgeführt. Wer seinen Urlaub buchen möchte, muss nicht auf Airbnb zurückgreifen, sondern findet ebenfalls Buchungsportale aus ganz Europa. Und statt amerikanischer Automarken empfiehlt die Website Alternativen aus Deutschland, Frankreich und Rumänien: Audi, Dacia und Peugeot statt Tesla und Ford.
Was bewirken Boykotte von US-Produkten?
Ob ein Boykott von US-Produkten die amerikanische Wirtschaft tatsächlich trifft, steht auf einem anderen Blatt. Manch einer dürfte den Zorn der Verbraucher zu spüren bekommen – allen voran Tech-Milliardär Musk. Das gab er indirekt sogar in einem Interview mit dem Trump nahen TV-Sender „Fox News“ zu. Auf die Frage, wie es ihm gelinge, neben den politischen Aufgaben noch seine Unternehmen zu führen, antwortet Musk sichtlich unsicher: „Mit großen Schwierigkeiten“.
Auch die Supermarkt-Boykotte von Handelsketten in Kanada dürften für US-Unternehmen schmerzhaft sein. Wirtschafts- und Politikexperten erklärten „Business Insider“, dass insbesondere der Agrarsektor in den USA je nach Umfang und der Dauer des Boykotts leiden könnte. „Das wird den Industrien hier schaden, daran gibt es keinen Zweifel“, sagt Larry Gerston, Professor für öffentliche Politik und bürgerliches Engagement an der San Jose State University, dem Magazin.
Bei den Produktboykotten von Privatleuten dürfte die Lage etwas differenzierter sein. Auch wenn sich im Internet bereits Hunderttausende verabreden, scheint die Bewegung noch kein Massenphänomen zu sein. Und durch den globalen Handel ist auch gar nicht immer ganz klar, was für ein Unternehmen eigentlich hinter einem Produkt steht – und wem man durch einen Boykott wirklich schadet.
In amerikanischen Autos etwa stecken auch Teile aus Deutschland, ebenso werden in deutsche Maschinen Mikrochips aus den USA verbaut. Und ein amerikanisches Produkt aus dem Supermarkt wird im Zweifel auch in Europa produziert und abgefüllt – daran hängen dann womöglich auch Tausenden Jobs hierzulande.