Rechenzentren bringen das deutsche Stromnetz an seine Grenzen

Deutschland soll Europameister bei der künstlichen Intelligenz (KI) werden - dieses Ziel hat Robert Habeck jüngst auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung ausgegeben. Damit das klappen kann, muss der grüne Wirtschaftsminister allerdings in Vorleistung treten, und die notwendige Stromversorgung organisieren. Denn schon jetzt gibt es in Deutschlands Rechenzentren eine sehr spezielle Spielart der Energiekrise. Frankfurt, die Bundeshauptstadt der Rechenzentren, und das weitere Umland sind am Limit: &bdquo;Wir sehen in Deutschland eine Herausforderung beim Ausbau des Stromnetzes“, sagte Kilian Wagner vom Digitalverband Bitkom dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es sei inzwischen sehr schwierig, in der Rhein-Main-Region neue Rechenzentren umzusetzen, weil das Stromnetz an seine Grenzen komme. &bdquo;Wer dort ein größeres Rechenzentrum bauen möchte, muss mindestens bis 2030 warten.“ Das hat mit einer Besonderheit der künstlichen Intelligenz zu tun. Eine Abfrage mittels generativer KI (GenAI), die zum Beispiel der Textroboter ChatGPT einsetzt, verbraucht ungefähr zehn Mal mehr Strom als eine konventionelle Suche bei Google. Das US-Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner schlägt Alarm: &bdquo;Das explosive Wachstum neuer Hyperscale-Rechenzentren zur Implementierung von GenAI führt zu einer unersättlichen Nachfrage nach Strom, die die Fähigkeit der Energieversorger, ihre Kapazitäten schnell genug zu erweitern, übersteigen wird“, so Gartner-Analyst Bob Johnson. Engpässe seien die Folge. &bdquo;Was das Wachstum neuer Rechenzentren für GenAI und andere Anwendungen ab 2026 begrenzen wird.“ Experte erwartet Stromausfälle Im Klartext: Johnson erwartet Stromausfälle - was für eine Datenfabrik der größte anzunehmende Unfall ist. Der Gartner-Experte geht davon aus, dass allein die 2024 weltweit hinzu kommenden Hyperscaler - das sind große Rechenzentren, die blitzschnell Antworten erzeugen - einen Energiehunger von 261 Terawattstunden jährlich haben. Das entspricht fast der Hälfte des gesamten hiesigen Stromverbrauchs. Und der Bedarf wird laut Gartner-Prognose in den folgenden Jahren weiter exponentiell wachsen. Dieses globale Phänomen trifft auch Deutschland mit Wucht. &bdquo;Die europäische Rechenzentrumskapazität müsste sich bis 2027 eigentlich verdoppeln, um mit der Nachfrage mitzuhalten. Wahrscheinlich wird dieses Ziel nicht annähernd erreicht“, erläutert Bitkom-Vertreter Wagner. Aber das bedeute nicht, dass die Digitalisierung dadurch aufgehalten werde. &bdquo;Denn die Rechenzentrumskapazität wird dann anderswo eingekauft.“ Wagner ist überzeugt vom ökonomischen Wert der Data Center: Kommunen profitierten von höheren Steuereinnahmen und durch neue Arbeitsplätze vor Ort. Es entstehe zusätzliche regionale Wirtschaftsleistung, auch weil örtliche Bauunternehmen und Zulieferer Aufträge erhielten. Mehr noch: &bdquo;In NRW rund um neue Rechenzentren von Microsoft wird ein Hotspot für Digitalisierung und KI entstehen. Denn Rechenzentren sind dafür die Basis.“ Also auch für das von Habeck vorgegebene Ziel des KI-gestützten Hebens der &bdquo;riesigen Datenschätze in den Unternehmen“. Mit Erneuerbaren Energien allein geht es nicht Experten gehen davon aus, dass Strombedarf der deutschen Standorte sich in den nächsten Jahren verdoppeln wird auf 40 Terawattstunden - also 10 Prozent des heimischen Gesamtverbrauchs. Die Gartner-Analysten bezweifeln, dass ähnliche Nachfragesteigerungen auf globalem Niveau gedeckt werden können. Vier von zehn Standorten würden in knapp drei Jahren in ihrer Betriebsfähigkeit eingeschränkt. Die großen Drei der Branche (Microsoft, Google und die Amazon-Sparte AWS) versuchen vorzubauen. So teilte eine Sprecherin des Marktführers AWS auf RND-Anfrage mit, in Europa würden mehr als 2,4 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien investiert. Nach Inbetriebnahme aller Vorhaben werde Strom erzeugt, der dem Bedarf von mehr als 5,7 Millionen Haushalten entspreche. In Deutschland ist das Unternehmen an mehreren großen Windpark-Projekten auf See beteiligt. Gartner macht allerdings darauf aufmerksam, dass es mit den Erneuerbaren nicht getan ist, da diese nicht zuverlässig rund im Uhr Strom liefern könnten. Daher prognostizieren die Marktforscher längere Laufzeiten für fossile Kraftwerke. Aber auch Atomkraftwerke kommen ins Spiel. So hat Microsoft in den USA einen Liefervertrag abgeschlossen für Strom aus dem noch eingemotteten AKW Three Mile Island, das extra dafür wieder flott gemacht werden soll. Google und Amazon setzen derweil auf neue kleine modulare Atomreaktoren. Für Deutschland sind AKWs bislang keine Option. Allerdings ist Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, ein erklärter Fan der Kernkraft und träumt von Fusions-Reaktoren. Bitkom-Fachmann Wagner betont indes: &bdquo;Die hohe Zuverlässigkeit der Stromversorgung in Deutschland ist ein sehr positiver Standortfaktor. Hinzu kommen muss, dass der Strom möglichst nachhaltig ist, da 80 Prozent der Treibhausgas-Emissionen von Rechenzentren in Deutschland durch den Stromverbrauch bedingt sind.“ Deshalb trage erneuerbarer Strom erheblich zur Dekarbonisierung der Rechenzentrumsbranche bei.

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