Warum neue Preisschocks für Sprit, Heizöl und Erdgas drohen

Mal angenommen: Von heute auf morgen springt der Preis für einen Liter Benzin um 38 Cent in die Höhe. Und Anfang Juni verteuert sich Erdgas um satte 30 Prozent. Brutal hart würde das vor allem Pendler treffen, die auf dem Land wohnen. Verantwortlich dafür ist, was mit der technokratisch harmlosen Bezeichnung &bdquo;ETS II“ daherkommt. Die Abkürzung steht für &bdquo;Emissions Trading System“. Für Kraftwerke und große Industriebetriebe gibt es bereits ein europäisches Handelssystem für Treibhausgasemissionen (ETS I). Auf Gebäude und den Verkehr soll es von Anfang 2027 an ausgeweitet werden. Ein Heizölhändler beispielsweise muss sich dann Zertifikate kaufen, die dem C02-Ausstoß des von ihm verkauften Mineralheizöls entspricht. Diese Zertifikate werden an der Börse gehandelt. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat hochgerechnet, dass in gut zweieinhalb Jahren diese Papiere mehr als 200 Euro pro Tonne kosten könnten. Ein strenges Regiment ist geplant. Die Preise sollen sie daran orientieren, wie weit der jeweilige Sektor von den Klimazielen entfernt ist. Insbesondere beim Verkehr ist die Lücke derzeit riesig. Aber auch beim Heizen gibt es einen enormen Nachholbedarf, jeweils EU-weit. Der strikte Mechanismus wäre eine Art Zeitenwende im Klimaschutz wegen des enorm starken Drucks zum Umschwenken auf klimafreundliche Technologien – Wärmepumpen fürs Haus, Elektroantrieb fürs Auto. Quasi eine Schocktherapie, die aber zugleich zu reichlich Verärgerung bei den Verbrauchern führen könnte. Ähnliches nur in erheblich kleinerer Dimension gab es vor einem Jahr. Stichwort: Heizungsgesetz. Drei-Punkte-Plan für einen guten Übergang Die Politik habe die Augen vor dieser Problematik verschlossen, sagte Agora-Deutschland-Chef Simon Müller. Wenn nun nichts unternommen werde, drohten Anfang 2027 Preissprünge. Derzeit gibt es bereits einen fixen CO2-Preis für fossile Brenn- und Kraftstoffe. Der wurde von der Bundesregierung für 2024 bei 45 Euro pro Tonne festgelegt. Müller und seine Leute von Denkfabrik haben einen Drei-Punkte-Plan für einen &bdquo;gut gestalteten Übergang“ entwickelt. Schon mit dem Beginn des nächsten Jahres soll vorsichtig das Handeln erprobt werden, und zwar innerhalb eines Preiskorridors zwischen 60 und 80 Euro. Falls das nicht mehr umsetzbar ist, müsse der Festpreis auf 75 Euro erhöht werden, was Benzin um 7,2 Cent pro Liter, Diesel und Heizöl um 8 Cent und die Kilowattstunde Erdgas um 0,5 Cent verteuern würde. Für 2026 soll es dann ein Korridor zwischen 90 und 110 Euro pro Tonne folgen. Nach Müllers Worten ist das wichtig, auch um zu testen, welche Mechanismen bei der Preisbildung wirken. Das ist bislang eine Blackbox, weil neue Akteure in den Zertifikatehandel einsteigen und niemand weiß, wie sich zum Beispiel mittelständische Heizölhändler bei der Beschaffung der CO2-Papiere verhalten. Geringverdiener müsse der Staat unterstützen Um die drohenden heftigen finanziellen Zusatzbelastungen für Verbraucher abzufedern, schlägt die Denkfabrik soziale Ausgleichsmaßnahmen vor: Im Zentrum steht das viel diskutierte Klimageld, das schon vom 1. Januar 2025 an ausgezahlt werden soll und von dem dann vor allem sozial Schwächere profitieren. Auch eine massive die Senkung der Stromsteuer gehört zu den Vorschlägen. Es brauche ferner, eine stärkere einkommensabhängige Förderung bei der energetischen Sanierung von Wohnhäusern. Menschen mit geringem Einkommen und schlechter ÖPNV-Anbindung müsse der Staat bei der Anschaffung von E-Autos helfen. Zugleich seien staatliche Investitionen wichtig, um just die Infrastruktur für Busse und Bahnen und für klimafreundliche Wärmenetze zu stärken. Angesichts der EU-Wahlen in wenigen Tagen stellt sich allerdings die Frage, ob ETS II überhaupt noch Bestand haben wird. Für rechtspopulistische und nationalistische Parteien, die wenig bis gar nichts vom Klimaschutz halten, werden deutliche Zuwächse prognostiziert. Und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, einst Erfinderin des Green Deals, will ausgerechnet mit den Rechten paktieren. ETS II ist beschlossenes Recht Eine aktuelle Umfrage des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP) unter Klimaschutz-Experten hat ergeben, dass zwei Drittel negative Auswirkungen auf die Umsetzung des Green Deals nach den Wahlen erwarten. IEEP-Chef Eero Yrjö-Koskinen will bemerkt haben, dass das Umwelt- und Klimabewusstsein erodiert und viele Vereinbarungen von der Industrie, Landwirten und den Mitgliedstaaten in Frage gestellt würden. Einschlägige Beispiele sind die Pestizidverordnung und das geplante Renaturierungsgesetz der EU. Müller betont hingegen: &bdquo;ETS II ist bereits beschlossen und geltendes Recht.“ Für eine Änderung bedürfe es entsprechender Mehrheiten im EU-Parlament. Es sei keinesfalls sicher, dass diese nach der Wahl tatsächlich vorhanden seien. Und: &bdquo;Für die Menschen wird es viel teurer, wenn wir nicht handeln. Man führe sich allein die Fluten vor Augen, die schon jetzt Milliardenschäden anrichten. Gleichzeitig gilt: Ein gut ausgestalteter Übergang vom nationalen in den europäischen Emissionshandel kann sprunghafte Preisanstiege verhindern. Je stärker die CO?-Emissionen bei Gebäuden und Verkehr sinken, umso niedriger fällt auch der CO?-Preis aus“, sagte Müller dem RND.

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