Verluste im Einzelhandel: Warum trifft es Bielefeld heftiger als andere Städte in OWL?

Bielefeld. Johannes Beverungen spricht von einem schleichenden und oft stillen Ladensterben, das sich abspielt. Immer mehr Einzelhändler geben ihre Geschäfte demnach auf. Vor allem, wenn es sich um kleine Läden handele, geschehe dies oft sehr still, kaum beachtet von der Allgemeinheit: &bdquo;Die schließen dann einfach ihre Türen zu“, sagt Beverungen, der Vorsitzende des Handelsverbandes OWL mit Sitz in Bielefeld. Die Entwicklung sei nicht völlig neu, habe sich aber durch die Abfolge von Krisen in den vergangenen Jahren verstärkt: Erst die Corona-Pandemie mit Ladenschließungen von insgesamt fast einem halben Jahr. Seither habe sich die Welt des Einzelhandels &bdquo;sehr verändert“. Aber auch der Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 belaste den Handel &bdquo;fast wie Corona“, sagt Beverungen. Die Folgen waren bekanntermaßen die Inflation und die Trübung des Konsumklimas. Und jetzt komme die Sorge um Krisenherde wie Israel und Iran sowie Taiwan noch hinzu: Die Rahmenbedingungen verschlechtern sich weiter. Immerhin, der Arbeitsmarkt bot mit einer Rekordbeschäftigung auch 2023 ein positives Bild. Die Umsätze der Einzelhändler fielen daher nicht ins Bodenlose, die düsteren Prognosen von bis zu 5.000 Ladenschließungen allein in OWL hätten sich daher bisher nicht erfüllt. Beim Umsatz war die Entwicklung in Ostwestfalen-Lippe sogar deutlich besser als im Bundesdurchschnitt, wie Thomas Kunz als Hauptgeschäftsführer des regionalen Handelsverbands erklärte. Während bundesweit ein nominaler Zuwachs um 2,9 Prozent auf 649,1 Milliarden Euro Umsatz verbucht wurde, der wegen der Inflationsrate von 5,9 Prozent in Wahrheit ein reales Minus von 3,4 Prozent war, erzielten die Einzelhändler in OWL ein höheres nominales Plus von 3,9 Prozent, das inflationsbereinigt ein Minus von &bdquo;nur“ 1,9 Prozent gewesen sei. Trägt die Baustellenplanung in Bielefeld eine Mitschuld? Drei Dinge gebe es hervorzuheben, betonten Beverungen und Kunz: Erstens gebe es beachtliche Unterschiede innerhalb der Region. So habe Bielefeld als größtes Einzelhandelszentrum mit durchschnittlich etwa 30-prozentigen Kaufkraftzuflüssen aus dem Umland ein überdurchschnittlich hohes reales Minus von 3,9 Prozent (oder 86 Millionen Euro) verkraften müssen. Es sei anzunehmen, dass dies unter anderem auf diverse Baustellen und Straßensperrungen zurückzuführen sei, sodass auswärtige Einkäufer die Fahrt scheuten. Das unkoordinierte Vorgehen bei Bauvorhaben spiele eine Rolle, aber auch die negative Außendarstellung, die Bielefelds Image verschlechtere und so eine Eigendynamik entwickle. Auch der Kreis Lippe habe mit einem realen Minus um 3,1 Prozent im Jahr 2023 einen &bdquo;Schlag ins Kontor“ hinnehmen müssen, so Beverungen. Die Kreise Höxter (&bdquo;hier hat die Landesgartenschau mehr Kunden und Besucher als üblich angelockt“), Gütersloh (&bdquo;hier gibt es pro Kopf die höchste Kaufkraft“) und Minden-Lübbecke kamen hingegen mit realen prozentualen Einbußen von 0,8 beziehungsweise 0,9 Prozent davon. Zweitens sei die Lage im Lebensmittelhandel grundsätzlich besser als in anderen Branchen, weil die Menschen zwar auf billigere Produkte ausweichen könnten, ihren Konsum aber nicht zeitlich verschieben oder kompletten Verzicht üben könnten. Onlinehandel schneidet schlechter ab als stationärer Handel Und drittens habe der Onlinehandel 2023 erneut eine schlechtere Entwicklung verzeichnet als der stationäre Handel. Noch immer stehe der stationäre Einzelhandel über alle Branchen hinweg für 85 Prozent der Umsätze. Und der Onlinehandel habe nicht einmal nominal 2023 ein Plus geschafft, sondern nominal 0,4 Prozent der Umsätze verloren, real seien es 3,9 Prozent gewesen. Äußerst kritisch sieht Handelsexperte Beverungen, der als Hochschullehrer in Mannheim und Santa Barbara (Kalifornien) tätig ist, die längerfristige Entwicklung der Onlinehandels-Landschaft: Schon jetzt vereinige Amazon mehr als 60 Prozent der Umsätze im deutschen Onlinehandel auf sich, gefolgt von Zalando und der Otto-Gruppe. Auch Kaufland (Schwarz-Gruppe) lege zu. Doch Amazon drohe zu einem Quasi-Monopolisten heranzuwachsen: &bdquo;Was dann mit den Preisen geschieht, kann man sich ausmalen.“

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