Wie lange die Lokführer ihren Streik (noch) durchhalten können

Der Tarifkonflikt zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn erreicht eine neue Eskalationsstufe. Einem 35 Stunden langen Ausstand soll ein sogenannter Wellenstreik folgen. Warum sich anstehenden Arbeitskämpfe noch viele Wochen hinziehen können. Wie lange wird die aktuelle Streik-Kampagne der GDL dauern? GDL-Chef Claus Weselsky hat bei seiner Ankündigung der Arbeitskampfmaßnahmen am Montag bewusst vieles offen gelassen, um eine größtmögliche Wirksamkeit zu erzeugen. Klar ist nur, dass die erste &bdquo;Welle“ über 35 Stunden gehen wird, und zwar für den Güterverkehr schon ab Mittwoch um 18 Uhr. Für den Personenverkehr wurde der Start für Donnerstag, 2 Uhr, terminiert. Es wird mit einem bundesweiten Ausstand der Lokführer gerechnet. Lesen Sie auch: Bahnstreik ab Donnerstag: Das müssen Reisende in OWL wissen Was kommt nach der ersten Welle? Weselsky hat sogenannte Wellenstreiks angekündigt. Diese unterscheiden sich grundsätzlich von den bisherigen Arbeitskampfmaßnahmen. Um für die Bahn möglichst wenig berechenbar zu sein, soll es keine Ankündigungsfristen von 48 Stunden mehr geben. Offen ist, ob gar keine Vorwarnungen mehr kommen oder Ansagen mit zeitlich knappem Vorlauf. Laut Gewerkschaftsexperten ist für Wellenstreiks außerdem üblich, dass sie nicht mehr flächendeckend stattfinden, sondern regional begrenzt sind. Insbesondere der Osten der Deutschlands dürfte betroffen sein, da dort der Organisationsgrad unter den Zugführern besonders hoch ist. Ein weiteres Merkmal ist, dass in unterschiedlichen Schichten gestreikt wird. Und es stellt sich die Frage, ob auch Wochenendreisende betroffen sein werden. Auch die Dauer der jeweiligen Streikwelle kann variieren. Theoretisch sind auch mehrere Tage möglich. Warum ausgerechnet die Wellenstreiks? Für Insider ist klar, dass es hier um eine Minimax-Strategie geht: möglichst wenig Streikende mit maximaler Wirkung auf den Fahrbetrieb. Die Unberechenbarkeit der Aktionen macht es für die Bahn unmöglich, für die gesamte Republik Notfahrpläne zu erstellen. Diese Nadelstichstrategie hat für die GDL zudem den Vorteil, dass sie die Streikkasse schont. Wie lange können die Lokführer die nun geplanten Ausstände durchhalten? Präzise Prognosen sind nicht möglich. Zwei Faktoren spielen eine Rolle. Das Geld, das der Gewerkschaft zur Verfügung steht, und die Zahl der Mitglieder, die die Arbeit niederlegen und dafür von der GDL entschädigt werden. Wie hoch fällt die Entschädigung für einen Streiktag aus? Die GDL zahlt ihren Mitgliedern einen Lohnausfall von zehn Euro pro Stunde. Das wird für den ersten Streiktag bei 75 Euro gedeckelt, ab dem zweiten Tag sind es maximal 100 Euro. Dennoch bedeuten diese Entschädigungen für den überwiegenden Teil der Streikenden spürbare Einnahmeausfälle. Wie viel muss insgesamt für einen Streiktag aufgebracht werden? Es kursieren Hochrechnungen, wonach für einen flächendeckenden Streik mit rund 8.000 Beteiligten rechnerisch insgesamt mehr als 700.000 Euro pro Tag anfallen können. Allerdings kann der tatsächliche Betrag massiv schwanken. Denn die Besonderheit bei Bahnstreiks ist, dass die DB in der Regel extrem auf Nummer sicher setzt und wirklich nur die Züge fahren lässt, die ganz sicher auch an ihr Ziel kommen, was schon oft als übervorsichtig kritisiert wurde. Davon haben auch die Gewerkschaft profitiert: Schichten sind wegen gestrichener Verbindungen ausgefallen, die Lokführer konnten zu Hause bleiben, mussten sich erst gar nicht als Streikende bei der GDL melden. Wie voll ist die Streikkasse der Lokführergewerkschaft? Dies ist das am besten gehütete Geheimnis der Funktionäre. Wäre der Kontostand bekannt, würden die Arbeitskämpfe für die DB berechenbar. Klar ist nach Ansicht von Insidern, dass Weselsky im Vorfeld für eine gefüllte Kasse gesorgt hat. Die GDL galt lange als äußerst liquide. Allerdings muss bedacht werden, dass die Lokführer schon eine Reihe von Streiktagen hinter sich haben, für die mehrere Millionen Euro an die Mitglieder ausgezahlt werden mussten. Woher kommt das Geld? Jedes der nach eigenen Angaben rund 40.000 GDL-Mitglieder zahlt pro Monat je nach Bruttogehalt zwischen 7 und 40 Euro. Die jährlichen Beitragseinnahmen werden auf 10 bis 12 Millionen Euro taxiert. Davon werden in der Regel aber nur 15 Prozent für Arbeitskämpfe zur Seite gelegt. Trotzdem kommt einiges zusammen, denn der letzte große Streik war 2021. Zudem gibt es eine Besonderheit: Um als kleine Gewerkschaft handlungsfähig zu bleiben, haben sich die Lokführer finanzielle Unterstützung von ihrem Dachverband, dem Deutschen Beamtenbund (DBB), gesichert, der etwa die Hälfte der Streikgelder übernimmt. Allerdings gab es im Dezember von DBB-Chef Ulrich Silberbach schon die Mahnung an die GDL, es mit den Ausständen nicht übertreiben. Ist es vorstellbar, dass die GDL ihre Wellenstreiks wegen Geldmangel abbrechen muss? Aus Sicht des Politologen Wolfgang Schroeder ist es trotz der DBB-Unterstützung fraglich, &bdquo;ob eine kleine Gewerkschaft eine derartig hohe finanzielle Belastung wirklich sehr lange durchhalten kann“. Es könne am Ende ein Szenario entstehen, in dem Weselskys &bdquo;seine eigene Gewerkschaft zu Tode streikt“, sagte Schroder. Denkbar sei, dass der DBB bei zukünftigen Streikabsichten der GDL seine Unterstützung stärker konditioniere und damit in der bisherigen Form nicht mehr einfach gewähre. In Branchenkreisen heißt es gleichwohl, dass es nun auf mehrere Wochen mit Wellenstreiks nun hinauslaufen könnte. Wie kann der Konflikt zu einer Lösung gebracht werden? Fahrgastverbände, Politiker und Wissenschaftler sind sich einig, dass es am Ende doch wieder auf moderierte Verhandlungen hinausläuft. So auch Schroeder: &bdquo;Am Ende wird es angesichts der unerbittlichen Konflikthaltung zwischen den Protagonisten von Management und Bahnführung vermutlich wieder eine Art Schlichtung geben müssen.“ Im Kern geht es nach wie vor darum, ob die DB sich auf eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohn einlässt.

Meistgelesen