Vielarbeiterabzug: Ökonom erklärt, ob Linnemann-Vorstoß funktionieren kann

Leistung soll sich wieder lohnen - so lässt sich das Credo von Carsten Linnemann zusammenfassen: Immer wieder hat der CDU-Generalsekretär in den vergangenen Monaten gefordert, Überstunden nicht mehr zu besteuern. Wie das genau aussehen könnte, hat nun der Bayreuther Ökonom David Stadelmann ausgearbeitet: Er plädiert für einen sogenannten Vielarbeiterabzug, bei dem Arbeitsstunden jenseits der 40. Stunde pro Woche geringer besteuert werden. &bdquo;Wer will, arbeitet dann freiwillig mehr und hat auch deutlich mehr Einkommen“, erklärt Stadelmann. Vorgestellt hat er sein Modell jüngst in der Bild-Zeitung, im Gespräch mit dieser Redaktion nennt Stadelmann nun Details: &bdquo;Etwas Ähnliches gibt es in Österreich. Überstundenzuschläge werden dort nur hälftig besteuert, solange es um die ersten 10 Überstunden pro Monat geht“, erklärte der 41-Jährige. Für Deutschland schlägt er vor, Freibeträge bei Überstunden einzuführen, &bdquo;etwa 20 Euro pro Stunde ab der 41. Arbeitsstunde pro Woche“ seien denkbar. Dass davon nur Vollzeitkräfte profitieren würden, weiß Stadelmann - es ist eine aus der Not heraus geborene Variante: Würden auch Teilzeitbeschäftigte vom Vielarbeiterabzug profitieren, gäbe es einen Anreiz, in Teilzeitarbeit zu wechseln, um dann steuerbegünstigte Überstunden zu leisten. Eltern in Teilzeit könnte man allerdings einen früher einsetzenden Vielarbeiterabzug einräumen, findet Stadelmann. Um Missbrauch vorzubeugen, braucht es ihm zufolge außerdem eine funktionierende Arbeitszeiterfassung. Gewerkschaftsnahe Ökonomen skeptisch Stadelmann geht es wie dem Paderborner Linnemann darum, das gesamtgesellschaftliche Arbeitsangebot zu erhöhen – in Zeiten des zunehmenden Arbeitskräftemangels und des demografischen Wandels halten das viele Fachleute und Politiker für geboten. Längst kursieren andere Vorschläge, darunter die unbeliebte Erhöhung des Renteneintrittsalters. Stadelmann setzt hingegen auf Freiwilligkeit: die Normalarbeitszeit werde sowieso geleistet. Entlang der Theorie optimaler Besteuerung müssten deshalb insbesondere Überstunden niedriger besteuert werden, um attraktiver zu sein, sagt er. Kurzfristig dürfte der Plan wenig Chancen auf Umsetzung haben, bislang hat keine der Regierungsparteien Linnemanns Vorstoß aufgegriffen. Und aus Sicht gewerkschaftsnaher Ökonomen ist das auch gut so: &bdquo;Es scheint mir nicht zielführend, das Arbeitsangebot über Steuerermäßigungen für Überstunden erhöhen zu wollen“, meint Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), gegenüber dieser Redaktion. Nach Dulliens Einschätzung mangelt es grundsätzlich an belastbarer Empirie zur Frage, ob Beschäftigte überhaupt Überstunden wegen der Steuerlast ablehnen. Der Effekt auf das Arbeitsangebot sei deshalb unklar. Auch könnten Unternehmen versucht sein, lieber auf überlange Arbeitszeiten setzen, statt Nachwuchs zu rekrutieren, auszubilden und Teilzeitbeschäftigten die Mehrarbeit zu erleichtern. Bei überlangen Arbeitszeiten leide mitunter die Produktivität ebenso wie die Gesundheit der Beschäftigten, betont Dullien – der außerdem befürchtet, dass die Steuereinnahmen deutlich sinken, wenn bislang ohnehin geleistete Überstunden begünstigt werden sollten. Entsteht ein weiterer Nachteil für Frauen? Zudem sieht Dullien einen gleichstellungspolitischen Knackpunkt: Die Regelung würde es attraktiver machen, dass ein Partner sehr lange und der andere gar nicht oder kaum arbeitet. Das würde womöglich das ausdrückliche Ziel der Politik und der Wirtschaft, die Frauenerwerbstätigkeit zu stärken, konterkarieren: &bdquo;Da schon heute mehr Väter als Mütter Vollzeit arbeiten, wäre zu erwarten, dass Väter mehr, Mütter weniger arbeiten“, warnt Dullien. &bdquo;In Zeiten knapper finanzieller Ressourcen sollte man lieber versuchen, das Geld dort einzusetzen, wo es nachhaltig Arbeitsangebot schafft“, ist Dullien deshalb überzeugt. Unter anderem könnte dazu weiterer Ausbau der Kinderbetreuung einen Beitrag leisten, ebenso wie die verstärkte Ausbildung von Flüchtlingen sowie flexiblere Arbeitszeitmodelle in Betrieben. Das allerdings lehnt Stadelmann gar nicht ab - ebenso wie er betont, durchaus offen für Verbesserungsvorschläge beim Vielarbeiterabzug zu sein: &bdquo;Grundsätzlich geht es darum, Mehrarbeit interessanter zu machen“, sagt er. Wie genau ist fast schon zweitrangig.“

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