
Bielefeld. Wasser aus dem Hahn oder Wasser in Flaschen? Vor- und Nachteile gibt es auf beiden Seiten: Während Leitungswasser nicht vom Supermarkt nach Hause geschleppt werden muss, gilt abgefülltes Mineralwasser als besonders sauber und gesund. Eine aktuelle Studie des Instituts für Wasser, Umwelt und Gesundheit der United Nations University (UNU) in Kanada, die insgesamt 60 Fallstudien in 40 verschiedenen Ländern weltweit untersucht hat, weckt daran aber Zweifel. Sie sieht Leitungswasser nicht nur beim Thema Nachhaltigkeit als klaren Sieger, sondern auch bei der Sauberkeit.
Die UNU-Forscher konnten in zahlreichen untersuchten Wasserflaschen organische, anorganische und mikrobiologische Verunreinigungen durch beispielsweise Mikroplastik oder Legionellen nachweisen. Für die Autoren ist das Grund genug, die weitverbreitete Annahme, dass abgefülltes Trinkwasser zu den sichersten Wasserquellen überhaupt gehört, infrage zu stellen. Außerdem verursache die Industrie weltweit durch die Herstellung von aktuell rund 600 Milliarden Plastikflaschen pro Jahr schätzungsweise 25 Millionen Tonnen Plastikmüll, der nicht recycelt werde und in der Umwelt lande.
Experten aus OWL ordnen die Ergebnisse ein.
Faktor Sauberkeit
Einer der bekanntesten Wasser-Händler der Region ist die Gehring-Bunte Getränkeindustrie, zu der das Wasser der Marke "Christinen" gehört. Das dort abgefüllte Trinkwasser werde strengstens vom Institut Fresenius geprüft und nach einem Kodex zertifiziert, der in 20 Prüfkriterien ökonomische, ökologische und soziale Aspekte jährlich abfragt. "Wir beproben jede unsere Produktionsschichten, bevor diese zur Auslieferung freigegeben werden, um somit jede mögliche Qualitätsabweichung von vornherein auszuschließen", sagt Sascha Berger, Leiter Marketing und Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens. Eine besorgniserregende Belastung oder Verunreinigung von in Deutschland angefülltem Mineralwassers scheint also kaum möglich. Die UNU-Studie hatte Ergebnisse aus 40 Ländern ausgewertet und kommt möglicherweise auch deshalb zu einem anderen Ergebnis.
Ganz bei null könne die Belastung gerade in Plastikflaschen jedoch nicht sein, gibt Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW zu bedenken. Doch in Relation zu Mikroplastikmengen in anderen Lebensmitteln, beispielsweise mit Plastik verpackten Fertiggerichten, sei die Belastung verschwindend gering – so auch das Ergebnis der Stiftung Warentest, die erst kürzlich die Produkte der Mineralwasserindustrie für gut befunden habe.
Faktor Nachhaltigkeit
Wie viele Mittelgebirge vulkanischen Ursprungs in Deutschland ist auch die Region rund um Ostwestfalen-Lippe geprägt von vielen Mineralwasserquellen. Von sehr guter Wasserqualität, langer Tradition und regional präsent sind deshalb die Mineralbrunnen und damit die Branche in Deutschland, die als die größte in Europa gilt. Beim Pro-Kopf-Verbrauch von abgefülltem Mineralwasser landet Deutschland allerdings hinter Italien. "Die Mineralwasser-Branche in Deutschland zeichnet sich vor allem durch ihre Regionalität und lange Tradition aus", sagt Jürgen Reichle, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Mineralbrunnen. Nur maximal zwei Prozent des Wassers aus deutschen Mineralbrunnen werde ins grenznahe Ausland exportiert.
Bevorzugt trinken die Menschen in jüngster Zeit aus Mehrweg-Glasflaschen aus regionaler Abfüllung. "Sie sind luftundurchlässig, halten die Kohlesäure länger, das Wasser schmeckt ausgezeichnet und die Glasflaschen sind besonders dazu geeignet Wasser länger zu lagern", erklärt Reichle. "Ökologisch sinnvoll ist die Glasflasche allerdings nur, wenn die Transportdistanz unter 50 Kilometern liegt, sonst ist der CO2-Ausstoß wegen des Gewichts zu groß", sagt Heldt. Bei mehr als 50 Kilometern Transportdistanz hingegen habe die PET-Flasche die bessere Ökobilanz – auch weil die Rücklaufquote in Deutschland bei 98 Prozent liege und das Plastik zu wiederverwendbarem Recyclat weiterverarbeitet werde, erklärt Reichle.
Eine noch bessere Öko-Bilanz habe laut Heldt von der Verbraucherzentrale nur Leitungswasser, das in Deutschland den höchsten Sauberkeitsstandards entspreche. Kleine Störungsfälle, wie kürzlich in Bad Salzuflen im Kreis Lippe, wo Keime im Leitungswasser nachgewiesen wurden, könne es immer geben. "Aber Leitungswasser ist das am häufigsten beprobte und untersuchte Lebensmittel in Deutschland, darum findet man natürlich häufiger was." Doch bevor ein Risiko für Bürgerinnen und Bürger entstehe, werde vom Gesundheitsamt gewarnt.
INFORMATION
Das Geschäft mit dem Wasser
Der Markt mit abgefülltem Trinkwasser gehört zu einem der größten und dynamischsten auf der Welt und wird Experten zufolge die 500 Milliarden US-Dollar Umsatzmarke in den kommenden fünf Jahren knacken. Weltweit ist die Nachfrage im asiatischen Raum am größten, dicht gefolgt von Nordamerika und Europa. Zusammen mit den USA, China, Indonesien, Kanada, Australien, Singapur, Thailand, Südkorea, Mexiko, Italien und Japan gehört der Markt in Deutschland mit Trinkwasser in Flaschen zu den zwölf größten weltweit.